Bahnfahrt von Samarkand nach Buchara. Wir fahren durch die Vororte Samarkands. Mit Lehmziegeln werden Häuser gebaut. Der Bedarf an Sanitäranlagen kann auf einem Gebrauchtwarenmarkt gleich daneben gedeckt werden, von WC-Schüsseln bis zu Armaturen ist alles, was die Händler mit ihren alten Ladas zum Verkauf herangefahren haben, fein säuberlich auf Tüchern auf dem Boden ausgelegt. Lange sieht man noch Obstkulturen, Niederstammbäume, Höfe mit Grossvieh und Pferden, dann Schafherden. Am Horizont die schneebedeckten Gebirgsketten. Wir kreuzen lange Züge, auf denen Militärlastwagen und Schützenpanzer verladen sind. Die Grenze ist praktisch überall nahe, Usbekistan hat nicht das beste Einvernehmen zu seinen Nachbarn. Tadschikistan erhebt immer noch Anspruch auf Samarkand und Buchara. Und das Land ist ein wichtiges Transitland für den Nachschub bzw. jetzt Rückschub von Militärmaterial nach und aus Afghanistan – der Abzug der Natotruppen erfüllt die umliegenden Länder mit Sorge.
Man baut an Geleiseerneuerungen für Hochgeschwindigkeitszüge.
Das Erdgas (in der Nähe von Buchara liegen riesige Vorräte) macht den Staat reich. Diese Ressourcen und die strategisch wichtige Lage haben zur Folge, dass die USA und Westeuropa auch bei gravierendsten Menschenrechtsverletzungen alle Augen zudrücken, China fragt ohnehin nicht danach.
Dann beginnt wüstenähnliches Gebiet. Etwa 50 km vor Buchara werden Bewässerungssystem und seine Wirkung gut sichtbar.
Gegen Abend bin ich dann in Buchara. Die mit Lehmziegeln gebaute Altstadt wirkt sehr orientalisch, immer noch wie eine Wüstenstadt.
Mittendrin die Moschee Kalan und ihr Minarett. Mich überfällt jedes Mal ein Hochgefühl, wenn ich ein Motiv, das ich als Kind als Kalenderbild im TWA-Kalender über meinem Bett hängen hatte, das erste Mal sehe. Bei der Kalan-Moschee ist das wieder der Fall. Als ich sie sehe, weiss ich, dass ich diese Anlage vor mehr als 50 Jahren auf einem Kalenderbild das erste Mal gesehen habe. Moschee und Minarett stammen aus dem 14./15. Jahrhundert, das Minarett wies den Karawanen auf der Seidenstrasse wie ein Leuchtturm den Weg nach Buchara.
Was ich in meinem Kopf nie zusammenbringe: Wie können Leute, die so grossartig gebaut haben, so grausam gewesen sein. Um den Bau zu finanzieren, wurden 3000 Leute schiitischen Glaubens von den Sunniten als Sklaven verkauft.
Vgl. Pander, Klaus: Zentralasien, Dumont Kunstreiseführer, 2013; 9. Aufl., S. 159)
Sklavenfang und Sklavenhandel wurden überhaupt erst im 19. Jahrhundert mit der russischen Besetzung abgeschafft, es soll damals über 100’000 Sklaven gegeben haben, die in Raids in den Iran und in die Berggebiete beschafft worden waren und dann verkauft wurden.
Vgl. Paul, Jürgen: Zentralasien, Neue Fischer Weltgeschichte Bd. 10, Frankfurt a.M., Fischer, 2012, Pos. 5530)