Heute haben wir einen Schulbesuch, Vertragsverhandlungen und das Forschungskolloquium mit dem zweiten Vortrag Barbaras vor uns. Wir sind etwas entspannter, nachdem es Barbara gestern so gut gelaufen ist. Wir nehmen ein Taxi zum CAp UERJ. CaP heisst Colégio de Aplicaçao, es handelt sich also um die Übungsschule der staatlichen Universität von Rio die Janeiro. Etwa die Hälfte der Schülerinnen und Schüler sind Kinder von Angestellten der UERJ, die andere Hälfte dieser öffentlichen Volksschule steht allen offen, die sich hier anmelden. Rogério erzählt von stunden- bis tagelangem Schlange stehen von UERJ-externen Eltern, die für ihre Kinder hier einen Platz bekommen möchten.
Die Schule umfasst die 9 Schuljahre Ensino Fundamental und 3 JahreEnsino Médio, die Schülerinnen und Schüler können hier also 12 Schuljahre verbringen. Gleichzeitig hat das Instituto de Aplicaçao einen Ausbildungsauftrag, Studierende hospitieren und assistieren hier, viele von ihnen arbeiten auch an Projekten mit.
Die Schule ist erfolgreich, viele Schülerinnen und Schüler schaffen die Aufnahme in eine staatliche Universität (mit dem Vestibular) oder eine andere Hochschule (mit dem ENEM oder Vestibular).Wir sehen engagierte Lehrerinnen und Lehrer und einen engagierten Schulleiter (der versucht, am Geburtstagskuchenanschnitt mindestens der jüngeren seiner 1500 Schülerinnen und Schüler dabei zu sein). Die Studierenden sind während 30 Stunden pro Semester und Fach am CaP, v.a für Beobachtung und Reflexion, sie geben kaum selber Schule. In der Regel belegen sie drei Fächer, sind also etwa einen Tag am CaP. Viele bekommen zusätzlich ein kleines Stipendium, sie sind dann „Bolsistas“ und können sich an einem Projekt beteiligen, das von einer Person, die z.B. assozierte Professorin an der UERJ ist, begleitet wird (→ Beispiel dialogische Bildung, z.T. Google plus nötig, → Beispiel Design und Bildsprache, → Beispiel Inklusion ). Diese Projekte sind auf Posters im Schulhaus sehr präsent, sie werden auch an Samstagen der offenen Türe der Öffentlichkeit vorgestellt.
Freire wird häufig zitiert, die Schule ist inklusiv, das Klima gut, es wird stark mit Projektunterricht gearbeitet. Wir haben einige Fragezeichen bezüglich musischer Erziehung und Time on Task, sehen aber zu wenig Unterricht, um uns wirklich ein Urteil bilden zu können. Auf unsere Frage, wie es mit der Disziplin sei, meint ein Lehrer, schwierige Jugendliche würden häufig für Forschungsprojekte eingespannt, Verantwortung zu übernehmen funktioniere fast immer. Und ausserdem brauche es mal ein Gespräch, vor allem aber Lächeln, Humor, liebevollen Kontakt. Als der Schulleiter eine Schülerin im Gang antrifft, die eigentlich im Unterricht sein sollte, umarmt er sie liebevoll und meint „jetzt geh doch wieder hinein“. Ständiger Körperkontakt ist hier die Regel, man umarmt sich, Lehrpersonen halten sich die Hand, wenn sie miteinander sprechen oder streicheln sich die Wange.
Infrastrukturmässig geht es der Schule relativ gut, das habe aber vor allem damit zu tun, dass Lehrpersonen und Uni-Professor/innen gemeinsam Projekte akquierierten „day and night and weekends also“.