Wieder in der kasachischen Eisenbahn. Mit mir im Abteil fahren eine junge, rundliche Kasachin, die die eher störende Angewohnheit hat, auch mitten in der Nacht sehr laut zu telefonieren und Adlet, ein 28-jähriger – auch etwas rundlicher – Banker. Er hilft mir, das Bett zu machen, es sei eine kasachische Tradition, den alten Leuten zu helfen…
Adlet ist eigentlich aus Almaty, muss jetzt aber, um bei seiner russischen Bank Karriere zu machen, zwei, drei Jahre auf dem Aussenposten in Semey, nahe der russischen Grenze arbeiten. Frau und Kinder (ein- und siebenjährig) bleiben in Almaty, er besuche sie so alle zwei Monate. Ferien habe man in der Privatwirtschaft 24 Tage, Regierungsangestellte hätten zwei Monate.
Am Morgen ist die Steppe wieder leicht schneebedeckt. Viel Schnee fällt aber nie, die Gegend ist sehr niederschlagsarm und das Wasser verdunstet schnell.
Weil es draussen kalt aussieht, lässt sich der Wagenbegleiter nicht lumpen und heizt den Wagen auf 36 Grad hoch. Die Bahnwagen werden einzeln geheizt mit einem Kohlenofen pro Wagen, an den Ofen sind die Zentralheizungsröhren für die Abteile und der Samowar angeschlossen. Ich bin pflotschnass. scheine aber der einzige zu sein, der diese Hitze ungemütlich findet.
In Semey steigen meine Mitreisenden aus, Samir aus Tatarstan, der auch so aussieht, wie man sich einen Tataren vorstellt, steigt zu und begrüsst mich mit sehr kräftigem Handschlag. Er reagiert wie die meisten Menschen, denen ich in den Zügen begegne: sie meinen, ich hätte ein ähnliches Schicksal wie sie und die Arbeit verschlage mich in so unwirtliche Gegenden. Dass ich Tourist bin, können sie nicht recht verstehen (falls sie Ferien haben und es sich leisten können, fliegen sie an einen Strand in der Türkei oder Malaysia). Dass ich alleine unterwegs bin, finden sie erst recht unverständlich.
Richtung Grenze wird die Steppe ab und zu unterbrochen durch lichte Föhren- und Birkenwälder.
Unser Zug braucht gegen 5 Stunden für das Passieren der Grenze zwischen Kasachstan und Russland. In Kasachstan schnüffeln Hunde durch den Zug, alle Deckenverkleidungen werden wieder abgeschraubt und mit Teleskoptaschenlampen wird in alle Winkel geleuchtet. Die Pässe werden gescannt (Windows XP…), schliesslich fahren wir weiter zum russischen Grenzbahnhof, wo die gleichen Kontrollen nochmals vorgenommen werden. Schweizer scheinen hier sehr selten vorbeizukommen. Der nette Grenzbeamte kommt aus Kaliningrad, dem früheren Königsberg und kann recht gut Deutsch. Er muss mich nach Grund und Zielen dieser Reise befragen. Das dauert – aber er freut sich, dass mich der Osten interessiert. Den Schweizer Pass mit all den Kantonswahrzeichen findet er sehr schön und er bittet darum, ihn zu Weiterbildungszwecken auch den Kollegen zeigen zu dürfen. Dann verschwindet er damit und nach etwa einer Stunde beginne ich nervös zu werden – aber er bringt ihn dann mit guten Wünschen zurück.
Samir und ich müssen jetzt noch das Abteil wechseln, in unserem hat die Elektroinstallation das Aschrauben der Deckenverkleidung nicht überstanden, es brennt deshalb kein Licht mehr und unterdessen ist es dunkel geworden. Schliesslich fahren wir los, wir sind jetzt im Oblast Altay, in Sibirien.
Sibirien, dieses riesige Gebiet war ursprünglich sehr lose von einheimischen Völkern besiedelt. Von Russland aus erfolgte über viele Jahrhunderte eine „Sickerwanderung“ (zwischen 1670 und 1870 etwa 6 Millionen Einwanderer). Ab Mitte 19. Jh. wurden Bauern gezielt nach Sibirien umgesiedelt, um den Bevölkerungsdruck in den Schwarzerdegebieten zu begegnen (1871 – 1916 mehr als 9 Mio).
Mit der Transsib (erbaut 1892 – 1905) wurden solche Umsiedlungen einfacher – die Bahn ermöglichte aber auch den ab 1920 durch das Sowjetregime forcierten Abbau der Bodenschätze und die Industrialisierung. Die nächste Welle Umsiedler waren dann auch Bergleute, Bau- und Fabrikarbeiter, 8 Mio zwischen 1926 und 1956 (vgl. Goehrke, Strukturgeschichte S. 34 – 53, 217f.)
Noch etwa 13 Stunden bis Novosibirsk – es scheint eine kalte Nacht bevorzustehen, das Wagenpersonal ist schon wieder am Einheizen…
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Bildung in Kasachstan
Vor meiner Abreise nach Russland versuche ich, mir einen Überblick über das kasachische Bildungssystem zu verschaffen. Einen Überblick geben das Osteuropa-Asienportal oder die kasachische Botschaft in Berlin.
Ein Artikel in der Zeit entspricht allerdings eher den Eindrücken, die ich heute habe. Es ist zwar tatsächlich ein Anliegen des Regimes, Bildung zu fördern. Aufwind haben aber weniger die öffentlichen Einrichtungen als elitäre und teure Privatschulen, Nachhilfestudios usw.
Die Privatschule Kekil, bei der ich vorbeigehe, gibt (per Google auf Deutsch übersetzt) einen guten Einblick in ihre Programme.
Mit einer Abschlussklasse eines Gymnasiums fahre ich mit einer abenteuerlichen Seilbahn auf den Kok-Tobe, den Hausberg Almatys. Alle wollen nach Abschluss der obligatorischen 12 Schuljahre studieren, an möglichst prestigeträchtigen Universitäten, aber niemand will Lehrer werden. Mein Ansehen sinkt, als sie erfahren, dass ich Lehrpersonen ausbilde. „Ah, only education“, meint sogar ihr Lehrer. Neben dem geringen Ansehen des Lehrberufs liegt das Problem auch bei der Geringschätzung der beruflichen Ausbildung, wie z.B. die deutsche Fachstelle für internationale Jugendarbeit schreibt:
„Was jedoch fehlt ist eine entsprechende Wertschätzung und Anerkennung der beruflichen Ausbildung. Sie wird nicht als gleichwertig angesehen, sondern ist aktuell ein wenig attraktives „Nebengleis“ der Bildungsbemühungen.“
Man versucht zwar Gegensteuer zu geben (vgl. Deutsches Bundesinstitut für Berufsbildung BIBB, PDF), meine Gespräche mit den Mittelschülern und ihrem Lehrer stimmen mich aber skeptisch.
Mir wird auch wieder bewusst, wie wichtig internationale Anerkennung ist. Wenn Miss Universum den Kok-Tobe besucht, man die Winteruniversidade 2017 ausrichten kann, wird das überall stolz vermerkt.
Ich nehme an, dass bis spätestens zur Universidade die Menschen in den ärmlichen Behausungen unter der Seilbahn weiter an den Stadtrand verdrängt werden.
Und jetzt also wieder nach Russland. Ich verlasse Kasachstan mit einem eher optimistischen Gefühl, es scheint mir möglich, dass die Transition nach Naserbajew gelingt, die Gesellschaft ist verhältnismässig offen und inklusiv, Geld ist dank der Rohstoffe vorhanden, die junge Generation hat grossen Arbeitseifer und den Willen, das Land weiterzubringen.
In Usbekistan sehe ich das weniger optimistisch, dort ist bei einem Machtwechsel die Möglichkeit von weiteren und erheblichen Unruhen und/oder noch grösserer Unterdrückung und/oder religiös motivierten Zusammenstössen m.E. durchaus vorhanden. Es täte mir sehr Leid, ich wünsche diesen netten, fröhlichen, fleissigen Menschen eine schöne Zukunft mit Partizipation und Menschenrechten.
Aber solche Einschätzungen nach so kurzer Zeit und so punktuellen Eindrücken abzugeben, ist natürlich vermessen.
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Almaty
Das Hotel liegt in einem Wohnquartier. Vom Balkon aus sieht man die Gebirgsketten rund um Almaty, russisch Alma Ata, gut. Die Stadt wurde erst 1854 als Grenzfestung von Russland gegründet. Die auf Schlammlawinen folgenden Überschwemmungen zerstörten 1963 einen Grossteil der Stadt. Almaty war früher die Hauptstadt Kasachstans und wurde dann durch das im Norden des Landes in der Steppe neu (und geht man von den Fotos aus: kitschig-pompös) gebaute Astana abgelöst. Vermutlich ein richtiger Schachzug, damit sich auch der Norden des Landes mit Kasachstan identifiziert und nicht Verhältnisse wie in der Ostukraine entstehen.
Ich gehe zur Kathedrale, die anfangs 20. Jahrhundert erbaut wurde. Es ist gerade ein Gottesdienst im Gang, goldene Messgewänder, Weihrauch, Einzug und dann wieder Auszug von Priestern und Diakonen. Kerzen, die von Messdienern auf hohen goldenen Stangen getragen werden. Das Abendmahl wird mit langen goldenen Löffeln gereicht, die Gemeinde singt, betet, bekreuzigt sich. Im Hintergrund all die Ikonen auf goldenem Grund. „Die Orthodoxe Kirche ist eine Kult- und Mysterienkirche. [ … ] Der Umgang mit Gott vollzieht sich im sakramentalen Handeln, in der Liturgie.“ zitiert Carsten Goehrke in seiner Strukturgeschichte (S. 367).
Ich muss auch an die in vielen Reiseführern erwähnte Entscheidung Wladimirs I. denken, 988 das Christentum nach byzantinischem Ritus als Staatsreligion in Russland einzuführen. Seine Experten, die Islam, Judentum und Christentum beobachtet hatten, empfahlen das Christentum nach byzantinischem Ritus mit folgender Begründung: „Wir wussten nicht, ob wir [beim Gottesdienst in Byzanz] im Himmel waren oder auf Erden. Denn auf Erden gibt es solche Schönheit nicht, und ihr, der Griechen, Gottesdienst ist besser als der in allen andern Ländern.“ (Ingold, Felix Philipp: Russische Wege. Zürich: NZZ, 2007. S. 390)
Danach schlendere ich durch die Stadt. Sie wirkt offener als Taschkent, man sieht keine Polizisten, viel kommerzielle Werbung neben der auch hier vorhandenen Staatswerbung (Präsident Nasarbajew wünscht auf riesigen Transparenten einen schönen Frühling, auf anderen preist er seine Strategie 2050 an).
Einzelne Strassenzüge erinnern mich an das Glattbrugg der frühen 1960-er Jahre. Im Parterre kleine Detailhandelsgeschäfte, in den oberen Stockwerken wird gewohnt. Auf der Strasse der Bus und einige Autos. (Unsere Tochter, die dieses Semester ein Seminar über Reiseberichte belegt, hat erzählt, dass solche Berichte mehr über die Autoren und ihre Herkunft aussagen als über das Land, über das berichtet wird. Das stimmt wahrscheinlich auch für diese Beobachtung.)
Russisch ist auch hier auf dem Rückzug, es hat (dem Aussehen und den Statistiken nach) aber viel mehr russischstämmige und Russisch sprechende Einwohner als in Usbekistan, wo viele das Land nach 1991 verliessen. Die Stadtbevölkerung hier wirkt auch städtisch, ganz anders als die wettergegerbten Leute mit ihren zerfurchten Gesichtern, die auf der Orenburgbahnstrecke in Kasachstan ein- und ausgestiegen sind. Ich lese bei Jürgen Paul, dass entlang der Orenburger Eisenbahn (Orenburg-Taschkent) und der Turksib, die ich die nächsten Tage befahren werde (Alma Ata – Novosibirsk) die verhungernden Nomaden 1931 Nahrung suchten. Dürre und die unmenschliche Politik der Sowjetregierung, die sie sesshaft machen wollte und sie zwang, die letzten Tiere und das letzte Getreide abzugeben, forderten damals etwa 1.4 Millionen Tote (Pos. 5238). Die überlebenden Kasachen wurden sesshaft, da es keine Alternative mehr gab, Neusiedler, Verbannte und Vertriebene wurden nach Kasachstan gebracht, was eine bis heute sehr multiethnische Bevölkerung ergab. Der Präsident legt seinen Eid auf den „multinationalen Staat“ Kasachstan ab.
Die Frühlingssonne wärmt, die letzten Schneehaufen schmelzen, viele Leute sitzen in den Strassencafés.
Obwohl Kasachstan seit 23 Jahren autokratisch von Naserbajew und seinen Leuten regiert wird, sind hier die Berührungsängste der Hochschulen kleiner als in Usbekistan, was ich bei der offenen, fast westlich geprägten Atmosphäre nachvollziehen kann. Es gibt z.B. eine Deutsch-Kasachische Universität und eine von Tony Blair und Nursultan Naserbajew initiierte kasachisch-britische technische Universität mit einem beeindruckenden Gebäude:
Was Timur für Usbekistan, ist der Goldene Mann (Mitte; ein Grabfund, ca. 500 v.Chr.) für Kasachstan. Hier scheinen sich aber – den Leuten, die sich vor seinem Denkmal fotografieren lassen nach zu schliessen – verschiedene Ethnien damit identifizieren zu können.
Auch im Nationalmuseum ist neben einem Saal zur kasachischen Kultur mit Jurten und allem, was dazu gehört auch ein Saal den anderen Ethnien gewidmet. Ihre Geschichte wird wie mir scheint recht unvoreingenommen gezeigt. Ein weiterer Saal über die Geschichte nach der Unabhängigkeit bringt aber auch viel Personenkult um Naserbajew.
Die Lemoncurdtorte im Strassenkaffee scheint nicht eine so gute Idee gewesen zu sein, zum Znacht gibt’s Coci und Schoggi – und morgen nehme ich dann den Zug nach Sibirien, wo ich am Mittwoch ankommen werde. Keine Ahnung, wie es dort mit Netzverbindung aussieht, ich werde in einer Gastfamilie wohnen.
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Dem früheren Aralsee entlang nach Usbekistan
Während der Nacht fahren wir dem entlang, was früher mal der Aralsee war. Er ist unterdessen bis auf einen kleinen extrem salzhaltigen Rest ausgetrocknet, weil die beiden Zuflüsse für die Bewässerung der Baumwollfelder so intensiv genutzt wurden, dass praktisch kein Wasser mehr in den See fliesst. Eine ökologische Katastrophe, die sich noch verschärfen wird (vgl. einen Reisebericht und eine Analyse über die Gefahr von Kriegen um das Wasser in der Region (ETH).
Ich sehe auch nichts vom Kosmodrom in Baikonur, an dem wir ebenfalls vorbeifahren, die Territorialrechte gehören hier Russland.
Die Landschaft ist jetzt nicht mehr schneebedeckt, steppen- und wüstenartig. Entlang der Bahngeleise Dromedare, kleine Steppenpferde, Rinder, Schafe, Esel. Ich verstehe wenn ich die Landschaft betrachte, warum „Pastoralnomaden“ mit ihren Tieren über das Land ziehende Nomaden für Zentralasien so wichtig waren. An eine Landwirtschaft an einem festen Standort ist nicht zu denken. In den bewässerten Oasenstädten erfolgte dann der Austausch zwischen Nomaden und dem sesshaften Bevölkerungsteil.
Im Zug wird es bald ungemütlich, auch wenn es noch 8 Stunden bis Taschkent geht. Teppiche werden zusammengerollt, es wird gewischt und gibt nichts mehr zu essen. Die fliegenden Händler lassen laut Musik abspielen, eine Mischung von lokalen Instrumenten und Tonfolgen und westlichem Rhythmus. Die Schienen werden von leeren Petflaschen und anderen Plasticabfällen gesäumt.
Der kasachische und usbekische Zoll brauchen zusammen sicher vier Stunden für die Kontrollen. Die Usbeken nehmen die Wagen regelrecht auseinander, Deckenverkleidungen werden aufgeschraubt, alle Hohlräume abgeklopft. Bei all dem sind sie nett, lachen und geben mir Tipps, welches Schaschlik ich in Taschkent essen soll.
3500 km haben wir seit Moskau zurückgelegt als wir abends in Taschkent ankommen. Die Hauptstadt von Usbekistan hat 2.8 Mio Einwohner (Usbekistan insgesamt hat ca 29 Mio). Die Stadt liegt in einer grossen Oase. Ein grosses Erdbeben zerstörte 1966 weite Teile der Stadt. Mein erster Eindruck beim Abendspaziergang sind Monumentalbauten an langen breiten Präsentierstrassen mit viel Bäumen. Den Zirkus finde ich und in der Altstadt den Basar und eine Medrese (theologische Hochschule). Gut, wieder mal eine Dusche und ein Bett, das nicht die ganze Nacht rüttelt zu haben.
Kasachische Steppe
Um vier Uhr hält der Zug wieder, diesmal am kasachischen Grenzbahnhof. Die hübsche Grenzbeamtin hat einen stechenden Blick. Auch ein Hündchen schnüffelt herum und sucht wohl nach Sprengstoff. Als der Zug dann wieder fährt und ich eingeschlafen bin, kommt um sechs nochmals ein Uniformierter, will den Pass sehen und bedeutet mir, das iPod nicht einfach so auf dem Tisch liegen zu lassen.
Die Landschaft draussen ist jetzt flach und weiss in weiss. Die verschneite Steppe geht nahtlos in den weissen Himmel über, durchbrochen nur durch Strom- und Telefonleitungen und Zäunen gegen die Schneeverwehungen.
Kasachstan hätte landschaftlich natürlich noch mehr zu bieten, vgl. z.B. hier.
Gegen acht steigen in Aqtöbe viele neue Passagiere zu. Kasakhi: Frauen mit Kopftüchern, Männer mit Fellmützen, Kinder mit Handys… Es wird auch auf den Korridoren lebendig, SIM-Karten werden verkauft, Nescafé, Esswaren, Schmuck, Souvenirs, vakuumierte Fische, schöne Wollsachen. транс азиа steht auf den Güterwagen – Trans Asia. Ich bin in Asien.
Die Kasakhi im Abteil kommen schnell miteinander ins Gespräch, bedauern, dass sie nicht auch mit mir reden können. Die Fotos auf dem iPad vermögen sie aber zu überzeugen, dass ich nicht ganz allein auf der Welt bin…
Die Menschen in den am Zug vorbeiziehenden Dörfern ziehen ihre Lasten auf Schlitten, man sieht kaum Autos ab und zu einen alten Lada.
Am Abend kommt ein Mann, wohl etwas jünger als ich, mit Bart, wie man sich einen kasachstanischen Muslim vorstellt mit zwei Frauen in mein Abteil. Wir palavern etwas rum, wer jetzt wo schlafe – und natürlich gebe ich meine Liege unten auf damit die beiden Frauen unten schlafen können. „Wo die Gebetsstunde dich erreicht, sollst du das Gebet verrichten und das ist ein Masdschid“, sagt gemäss meinem Reiseführer der Koran. Und so verwandelt mein Mitreisender unser Abteil in einen Masdschid, vergewissert sich kurz, ob die Richtung gegen Mekka etwa stimmt und verrichtet dann mit einer Art Sprechgesang und dem sich vor Gott Niederwerfen sein Gebet. Die beiden Frauen und ich sitzen auf der Liege gegenüber und schauen zu.
Es sieht so aus, wie wenn er seine von Vorvätern und Vätern weitergegebene Religion pflegte. Von den 70 Jahren, während denen der Islam während der Sowjetzeit weitgehend unterdrückt wurde, merkt man nichts.
Nachts um zwei steigen die drei wieder aus.