Buchara

20140320-202527.jpgBuchara liegt auf 222m ü. M. in einer Sandwüste. Hier trennten sich zwei Routen der Karawanenstrasse, die später zur „Seidenstrasse“ wurde.
Auch diese Stadt wurde um 1220 durch Dschingis Khan dem Erdboden gleich gemacht und erlebte unter den Timuriden im 14. Jh. wieder einen Aufschwung. In der Stadt wurden v.a. ab dem 16. Jahrhundert sehr viele Medresen für Koranschüler gebaut. Viele sind heute daran, zu verfallen, andere sind nach wie vor in Betrieb. Buchara gilt wegen der vielen Islamhochschulen als religionsstreng, es hat tatsächlich viel mehr Frauen mit Kopftüchern und Männer mit Vollbart und Kopfbedeckung als in Taschkent oder Samarkand.
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Ich besuche den Ark, den einstigen Palast und Regierungssitz, in dem heute diverse angestaubte Museen untergebracht sind. Weil ich vorher schon einiges gelesen habe, sind die Ausstellungen aber interessant. Gezeigt wird z.B. Baumwolle. Baumwolle wurde in Buchara schon früh angebaut, erst mit der zentralisierten russischen und nachher sowjetischen Wirtschaft und dem Bau der Bahnlinie Orenburg – Taschkent anfangs 20. Jahrhundert wurde ihr Anbau aber derart forciert, dass mehr und mehr Bewässerung nötig war und Anbauflächen, die bisher für Nahrungsmittel gebraucht worden waren nun für Baumwolle umgenutzt wurden. Baumwolle wurde exportiert, Getreide, Obst und Gemüse mussten jetzt vermehrt importiert werden.
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Das linke Bild zeigt ein Plakat aus den 1920-er Jahren: Fünfjahresplan in drei Jahren erfüllt. (David Trilling, Twitter), das rechte eine Briefmarke Ende 1990-er Jahre

Ein ähnliches Phänomen zeigte sich mit den Karakul-Schafen. Als das gewellte Fell der Karakul-Lämmer in Mode kam, wurden die bisherigen Woll- und Fleischschafe durch Karakulschafe ersetzt, es entstand erneut eine grössere Abhängigkeit von Nahrungsmitteln, die jetzt importiert werden mussten.
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Schliesslich sind auch ein, zwei Fotos aus der Vergangenheit der jüdischen Gemeinde in Buchara zu sehen. Buchara war lange auch ein Zentrum jüdischen Lebens. Die erste Auswanderungswelle setzt nach der russischen Eroberung ein, weil Russland zunächst bessere Lebens- und Arbeitsbedingungen bot, ab 1889 wanderten Mitglieder der jüdischen Gemeinden dann vermehrt nach Palästina aus. Der Antisemitismus der späteren Stalinzeit verschlechterte die Lebensbedingungen nochmals, als in den 1970er Jahren Auswanderungen aus der UdSSR nach Israel möglich wurden, wanderten nochmals 17’000 Jüdinnen und Juden aus, die verbliebenen folgten ihnen nach 1989. Vgl. Paul, Jürgen: Zentralasien, Neue Fischer Weltgeschichte Bd. 10, Frankfurt a.M., Fischer, 2012, Pos. 1460)

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Ich schlendere durch die Stadt, Moscheen, ein sehr kunstvolles Mausoleum, nur aus gebrannten Ziegeln, Medresen, der Basar und der Hiobsbrunnen, wo sich Muslime heiliges Wasser abfüllen. Auch ärmlichere Viertel mit nicht asphaltierten Strassen, kleinen Handwerksbuden, abenteuerlichen Gasleitungsinstallationen und (das erste Mal) aufdringlichen Jungen, die Postkarten verkaufen wollen.
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Auch hätte ich eigentlich gerne ein Mittagsschläfchen gemacht, aber – das ist mir schon gestern im Restaurant aufgefallen – das Personal schreit pausenlos durch die Gänge. Sie haben keinen Streit, das scheint eine übliche Form zu sein, in einer Unterhaltung auch Emotionen auszudrücken. Gewöhnungsbedürftig.
Buchara gab auch den bekannten turkmenischen Teppichen den Namen, die früher in Turkestan geknüpft wurden und die nach wie vor in Turkmenistan, Afghanistan und Usbekistan hergestellt werden. Das Teppichmuseum zeigt einige eindrucksvolle, z.T. alte solche Teppiche.
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Tee und Kaffee sind hier würzig, Kardamon, Ingwer und viele weitere Gewürze werden beigemischt und Süssigkeiten dazu gereicht.

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Von Samarkand nach Buchara

Bahnfahrt von Samarkand nach Buchara. Wir fahren durch die Vororte Samarkands. Mit Lehmziegeln werden Häuser gebaut. Der Bedarf an Sanitäranlagen kann auf einem Gebrauchtwarenmarkt gleich daneben gedeckt werden, von WC-Schüsseln bis zu Armaturen ist alles, was die Händler mit ihren alten Ladas zum Verkauf herangefahren haben, fein säuberlich auf Tüchern auf dem Boden ausgelegt. Lange sieht man noch Obstkulturen, Niederstammbäume, Höfe mit Grossvieh und Pferden, dann Schafherden. Am Horizont die schneebedeckten Gebirgsketten. Wir kreuzen lange Züge, auf denen Militärlastwagen und Schützenpanzer verladen sind. Die Grenze ist praktisch überall nahe, Usbekistan hat nicht das beste Einvernehmen zu seinen Nachbarn. Tadschikistan erhebt immer noch Anspruch auf Samarkand und Buchara. Und das Land ist ein wichtiges Transitland für den Nachschub bzw. jetzt Rückschub von Militärmaterial nach und aus Afghanistan – der Abzug der Natotruppen erfüllt die umliegenden Länder mit Sorge.
Man baut an Geleiseerneuerungen für Hochgeschwindigkeitszüge.
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Das Erdgas (in der Nähe von Buchara liegen riesige Vorräte) macht den Staat reich. Diese Ressourcen und die strategisch wichtige Lage haben zur Folge, dass die USA und Westeuropa auch bei gravierendsten Menschenrechtsverletzungen alle Augen zudrücken, China fragt ohnehin nicht danach.
Dann beginnt wüstenähnliches Gebiet. Etwa 50 km vor Buchara werden Bewässerungssystem und seine Wirkung gut sichtbar.
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Gegen Abend bin ich dann in Buchara. Die mit Lehmziegeln gebaute Altstadt wirkt sehr orientalisch, immer noch wie eine Wüstenstadt. 20140319-222718.jpg
Mittendrin die Moschee Kalan und ihr Minarett. Mich überfällt jedes Mal ein Hochgefühl, wenn ich ein Motiv, das ich als Kind als Kalenderbild im TWA-Kalender über meinem Bett hängen hatte, das erste Mal sehe. Bei der Kalan-Moschee ist das wieder der Fall. Als ich sie sehe, weiss ich, dass ich diese Anlage vor mehr als 50 Jahren auf einem Kalenderbild das erste Mal gesehen habe. Moschee und Minarett stammen aus dem 14./15. Jahrhundert, das Minarett wies den Karawanen auf der Seidenstrasse wie ein Leuchtturm den Weg nach Buchara.
Was ich in meinem Kopf nie zusammenbringe: Wie können Leute, die so grossartig gebaut haben, so grausam gewesen sein. Um den Bau zu finanzieren, wurden 3000 Leute schiitischen Glaubens von den Sunniten als Sklaven verkauft.
Vgl. Pander, Klaus: Zentralasien, Dumont Kunstreiseführer, 2013; 9. Aufl., S. 159)
Sklavenfang und Sklavenhandel wurden überhaupt erst im 19. Jahrhundert mit der russischen Besetzung abgeschafft, es soll damals über 100’000 Sklaven gegeben haben, die in Raids in den Iran und in die Berggebiete beschafft worden waren und dann verkauft wurden.
Vgl. Paul, Jürgen: Zentralasien, Neue Fischer Weltgeschichte Bd. 10, Frankfurt a.M., Fischer, 2012, Pos. 5530)

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