Spring Mountain after the Rain

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Letzter Tag. Morgen fliege ich in die Schweiz zurück. 106. und letzter Blogeintrag zu dieser Reise. Vielen Dank euch allen, die ab und zu oder regelmässig mitgelesen haben. Ich habe mich über diese virtuelle Begleitung gefreut und sie war mir Ansporn, mich jeden Abend wieder hinzusetzen.

Heute fahre ich auf den Hausberg Seouls, den Namsan, um mir nochmals einen Überblick zu verschaffen. Es ist allerdings ziemlich dunstig, vielleicht noch nicht ganz Zeit für den Überblick – aber doch für einige Eindrücke.

Gestern in der Ausstellung ging mir bei einem Bild durch den Kopf, dass mich diese Reise auch auf einen „Spring Mountain after the Rain“ geführt hat. Ich fühlte mich meist beschwingt, habe einen vertiefteren Einblick in verschiedene Bildungssysteme gewonnen und dabei viele wertvolle Begegnungen gehabt.

Vieles, das ich aus Büchern oder früheren Besuchen kannte, ist mir klarer geworden. In Asien liegt tatsächlich viel Zukunft. Ich meine aber, dass wir gegenseitig voneinander lernen können.
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Hier in den verschiedenen Ländern Asiens habe ich sehr viel sehr professionelle Zielgerichtetheit, enorm viele Ambitionen und gleichzeitig auch viel Herzlichkeit in Schulen und Lehrpersonenbildung gesehen. Die Haltung, dass eigene Anstrengung zum Erfolg führt, ist weit verbreitet (auch wenn die Rahmenbedingungen natürlich überhaupt nicht für alle gleich gut sind). Aber eine Konsumhaltung, wie sie bei uns in den Bildungsinstitutionen manchmal festzustellen ist, habe ich hier nirgends gesehen. Im Gegenteil, die Energie, die Produktivität, die Lernbereitschaft sind hier mit Händen zu greifen.
Die Haltung, dass Lernen etwas Positives ist, dass Lernen während des ganzen Lebens erstrebenswert ist, ist kulturell tief verankert. Und Lernen hat immer auch eine menschenbildende, eine „moralische“ Dimension.
Beeindruckt hat mich, wie an Lehrerbildungsuniversitäten und in Schulen alle an einem Strick ziehen und wie sie mit voller Kraft an diesem Strick ziehen, wenn mal etwas beschlossen wurde. Das Alignment ist immer sehr gut.
Auch von der Haltung der Steuerungsgremien und der Lehrerschaft wissenschaftlichen Fragestellungen und Erkenntnissen gegenüber können wir lernen. Wissenschaft ist hier in vielen Ländern nicht etwas Abgehobenes, für die Schule eigentlich Unnötiges. Forschungsfragen werden aus Fragen des Schulfeldes abgeleitet und Forschungsergebnisse sind häufig das Fundament für die Weiterentwicklung der Schulen.

Von unserem System könnten die meisten Bildungssysteme hier – das mag erstaunlich klingen – Effizienz lernen. 16 und mehr Stunden am Tag für Schule oder Uni einzusetzen, wie das in Asien häufig beobachtet werden kann, ist nicht effizient, es ist wohl auch nicht kreativitätsfördernd. Die enorme Konkurrenzorientierung hier führt zwar zu einer hohen Anstrengungsbereitschaft, sie braucht aber zu viel Energie, bringt die Eltern finanziell an den Abgrund, baut bei den Kindern Schuldgefühle auf oder führt zu psychischen Erkrankungen und bringt für diejenigen, die dann nicht zu den obersten 10% gehören zu viele Enttäuschungen und zu wenig Zukunftsaussichten mit sich. Auch das System, dass ein sehr grosser Anteil der Schülerinnen und Schüler eine Mittelschule und dann eine Universität (viele verdienen den Namen allerdings nicht) besuchen muss, ist nicht zweckmässig. Eine duale Berufsbildung mit integrierter guter Allgemeinbildung, die ein Fundament für lebenslanges Weiterlernen gibt und ein durchlässiges Bildungssystem sind meines Erachtens bei weitem vorzuziehen. Das meritokratische und gleichzeitig in wichtigen Sektoren völlig privatisierte System in Asien hat viele Züge von „survival of the fittest“. Und „fittest“ heisst manchmal auch „richest“. Dass eine Gesellschaft als Ganzes Erfolg haben muss und dass jeder einzelne Mensch ein Recht auf „the pursuit of happiness“ hat, wird hier meines Erachtens in vielen Ländern zu wenig beachtet.

Ich werde diese Seite meiner Reise zu Hause in den nächsten Wochen noch genauer auswerten, meine Notizen und all die Literatur, auf die ich hingewiesen wurde durchgehen.
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Die Reise war für mich vor allem auch wertvoll wegen all der Menschen, die ich in diesen 15 Wochen getroffen habe. Menschen, die mich in Rumänien mit dem Privatwagen zum Bahnhof gefahren haben, damit ich den Zug nicht verpasse. Menschen, die in den Bahnabteilen selbstverständlich ihr Essen mit mir geteilt und mit mir geplaudert haben. Menschen, die sich gefreut und gelacht haben, als ich an ihrem Schulfrühlingsfest in Samarkand teilnahm. Menschen, bei denen ich in Russland gewohnt habe, die mir ihre Stadt gezeigt und mir ihr Wissen über das Bildungssystem weitergegeben haben. Menschen, die mir an einer Pädagogischen Universität in Ostsibirien Gesprächspartner organisiert, mir in einer Jurte in der Mongolei den Ofen eingeheizt oder mir in China ein Mountainbike aufgetrieben haben. Schul- und Unileitende in China, Singapore, Japan und Korea, Lehrpersonen, Dozierende, Studierende und Schülerinnen und Schüler, die uns und mich mit grosser Gastfreundschaft empfangen haben. Die PH-Reisegruppe, die so unkompliziert und kollegial war. Die Kolleginnen und Kollegen in Hongkong, Singapore und Guangzhou, die sich gefreut haben, dass sich so viele Angehörige der PH Zürich für ihre Lehrpersonenbildung und ihre Schulen interessieren. Christine und Barbara, die die PH-Studienreise mit viel Zeit, Energie und Herzblut organisiert haben. Unsere WG in Guangzhou. Benica, die mir ihr Zimmer überliess. Nae, die mir so vieles zeigte und erklärte und deren Freundschaft über Jahrzehnte, Kulturen und Kontinente hinweg mir viel bedeutet. Ikuta, der mir eine Woche lang sein Büro und seine Infrastruktur zur Verfügung stellte. Noriko, bei der ich mich nicht als Zimmermieter, sondern als willkommener Gast fühlte. Reiko, die mir in Fukushima nicht nur in Schulen und Uni alle Türen öffnete, sondern auch jeden Abend mit mir und Freunden verbrachte. Namgi, der in Korea ein grandioses Programm für mich zusammenstellte und mich begleitete.
Und jetzt freue ich mich auf meine Familie, die mich so selbstverständlich gehen liess und mir all das ermöglicht hat.
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Cho Phyungwi: Spring Mountain after the Rain

Sonntag

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Bild: Leeum
Sonntag. Ich besuche zuerst das Leeum, das Samsung Museum of Art. Ein Flügel ist der traditionellen koreanischen Kunst durch all die Dynastien gewidmet. Keramik, Kalligraphie, Tuschzeichnungen und buddhistische Kunst, alles sehr schöne und schön ausgestellte Meisterwerke. Im zweiten Flügel treffen sich dann moderne internationale und koreanische Kunst. Samsung hat viel in dieses Museum investiert, das Ganze kommt sehr „würdig“ daher, vielleicht etwas wenig experimentell.
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Eine recht lange U-Bahn-Fahrt bringt mich dann in den Grand Park in Gwacheon. Seoul liegt schön eingebettet zwischen verschiedenen Hügeln. Am Fusse des einen liegt der Grand Park, mit dem Zoo, einem Vergnügungspark, Campingplatz, künstlichem See, einer grossen Parkanlage mit vielen Blumen und dem Kunstmuseum. Eine Sesselbahn führt zum grossen Gwacheon National Museum of Modern and Contemporary Art und weiter zum Zoo.
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Die Jungen sind auf dem Weg zum Vergnügungspark und geben sich dabei sogar die Hand, die Familien schlendern durch den Park oder besuchen den Zoo und die Mittelalterlichen haben alle ihre Outdoorkombis, Trekkingschuhe und Sonnenschutzblenden angezogen und sind mit ihren Wanderstöcken unterwegs Richtung umliegende Hügel.
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Ich besuche das MMCA. Die Landschaftsbilder von Cho Phyungwi vermitteln viel Ruhe. Ruhe, die mir jetzt gut tut, während ich diese ganze Reise nochmals etwas vorbeiziehen lasse.20140616-171000-61800377.jpg

DMZ – entmilitarisierte Zone

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Ich habe bei USO eine Tour in die entmilitarisierte Zone (Demilitarized Zone, DMZ) gebucht. USO, United Service Organizations, ist die Organisation, die US-Truppen überall auf der Welt unterstützt. Entsprechend hat sie Zugang an Orte, an denen US-Truppen präsent sind, sie führt Angehörige, Soldaten in Urlaub und weitere Interessierte auch in die DMZ und dort besonders nach Panmunjeom, wo 1953 der Waffenstillstand unterschrieben wurde. Eine Zone, in der Gespräche zwischen Nord und Süd stattfinden können und wo immer noch eine schweizerisch-schwedische Delegation die Einhaltung des Waffenstillstandsabkommens überwacht (VBS).

Der Koreakrieg hat das Land 1950 – 1953 praktisch vollständig verwüstet, er kostete über vier Millionen Menschen das Leben. Ich habe den Krieg im zweiten Teil des Beitrags über Geschichts- und Kriegsmuseen kurz beschrieben.
Korea wurde mit dem Ende des zweiten Weltkriegs zwar von der japanischen Besetzung befreit, aber von den USA und der Sowjetunion sofort in zwei Besatzungszonen aufgeteilt. Südkorea hofft bis heute auf eine Wiedervereinigung; es gibt ein Wiedervereinigungsministerium und von allen Parteien eine entsprechende Rhetorik. Hinter vorgehaltener Hand hört man aber auch, dass eine Wiedervereinigung wirtschaftlich und psychologisch ein enormer Kraftakt wäre. Nordkorea ist dermassen heruntergewirtschaftet und seine Bevölkerung indoktriniert und abgeschirmt, dass Südkorea allein kaum in der Lage wäre, die Kosten der Wiedervereinigung zu tragen. Die momentane Weltlage sieht aber ohnehin nicht danach aus. China und Russland haben kein Interesse an einem starken und US-freundlichen Korea. Einige meiner Gesprächspartner meinen, auch Japan lebe lieber mit einem atombewaffneten unberechenbaren Nordkorea als mit einem vereinigten Korea, das wirtschaftlich und politisch zur noch grösseren Konkurrenz im Asien-Pazifik-Raum werden könnte.
Praktisch gleichlautende Berichte im Korea Herald (Juni 2014) und im Tages-Anzeiger (Oktober 2012) über eine Schule für nordkoreanische Flüchtlingskinder zeigen einen Teil des nordkoreanischen Elends auf.

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Mit 50 Amerikanern, einem deutschen Botschaftsangehörigen mit seiner Familie und mir fährt unser Bus zuerst an die Bahnstation Dorasan. Nach der Sonnenscheinpolitik unter Kim Dae Jung wurden die Schienenstränge zwischen beiden Ländern wieder verknüpft. Südkorea hatte grosse Hoffnungen auf einen Anschluss an die transmongolische und transsibirische Bahn und damit auf einen Transportweg nach China, Zentralasien und Europa für all seine Güter. Das Tauwetter ist aber vorbei, alle Signale stehen wieder auf rot.
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Von erhöhten Camp Bonifas aus kann man bei schönem Wetter weit nach Nordkorea hineinsehen. Etwas unheimlich, wie hier die wahrscheinlich am schärfsten bewachte Grenze der Welt zu einem Touristenziel wird. Die Landschaft ist sehr schön, ein 4 km breiter 248 km langer, durch das ganze Land gehender Streifen, nicht bewohnt, kaum von Menschen betreten. Vögel nisten, alle Arten von Tieren und Pflanzenarten haben sich ausgebreitet.
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Nach dem Mittagessen besuchen wir den „dritten Infiltrationstunnel“. Bisher wurden vier Tunnels, die unter der DMZ hindurch von Nord- nach Südkorea führen entdeckt. Etwas 30’000 Soldaten pro Stunde könnten einen solchen Tunnel passieren, vor allem aber könnten Agenten in den Süden geschleust werden, um z.B. Politiker zu ermorden. Nordkorea behauptet, Südkorea habe die Tunnels gebaut. Wohl ist mir nicht, als ich einen Helm aufsetze und etwa 800 Meter in den niedrigen, schwülen Tunnel hineingehe.
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Bild lifeinkorea.com
Danach fahren wir in die „Joint Security Area“, die gemeinsame Sicherheitszone an der Demarkationslinie in Panmunjeom (Wikipedia).

Specialist Woods von der US-Army gibt uns ein Briefing über die Entstehung und den Betrieb der Sicherheitszone und über all die Zwischenfälle, die in diesem angespannten Klima schon vorgekommen sind. Am nächsten war die Welt einem erneuten Koreakriegsausbruch wohl 1976, nach dem „Axtmordzwischenfall“. Im Streit darüber, ob ein Baum gefällt werden dürfe, töteten nordkoreanische Soldaten zwei US-Soldaten mit einer Axt. Wikipedia listet all die Zwischenfälle auf.
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Die Joint Security Area, vorne die Baracken, hinten das nordkoreanische Gebäude
Wir besuchen die Baracken, in denen noch Gespräche stattfinden, die Türe gegen Nordkorea wird von einem südkoreanischen Soldaten bewacht, vom nordkoreanischen Gebäude beobachtet uns ein nordkoreanischer Soldat. Bedrückend.
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WMYEIAOSUTR

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Frühmorgens mit dem Zug zurück nach Seoul. Meine Reise geht bald zu Ende, ich werde etwas nachdenklich. Ich denke, dass ich das Richtige gemacht habe in meinem Weiterbildungsurlaub. Eine Verbindung von unterwegs sein, Asien einerseits und Bildung, Lehrpersonenbildung, Schulen andererseits. Beides hat mich, zusammen mit all den Menschen, denen ich begegnet bin, die mich ein Stück begleitet haben, sehr beflügelt.

WMYEIAOSUTR steht auf dem Dach der Seouler Fililale des National Museum of Modern and Contemporary Art (MOMCA) in Seoul. Eine Lichtinstallation, die sich in der Nacht als MY EAST IS YOUR WEST liest. Die Frage, ob ich alles mit zu westlichen Augen gesehen habe, beschäftigt mich seit einiger Zeit. Kann man Kultur und Bildung in den Ländern, die ich besucht habe mit westlichen Denkschemata verstehen? Wenn ich einfach da war, entspannt, beobachtend, mitmachend, erwartungslos und offen, hatte ich manchmal den Eindruck, Atem und Puls von Ort und Menschen zu erfühlen. Und manchmal haben sich mein Atem und mein Puls angepasst.
Wenn ich versucht habe, das alles mit meinen westlichen Konzepten zu verstehen, war vieles einfach fremd – und ich selbst habe mich auch fremd gefühlt.

Ich verbringe den Tag im Museum of Education und im MOMCA in Seoul, beziehe dann mein schönes Appartement im 22.Stock in Sinchon und schlendere mit solchen Gedanken und auch zufrieden und dankbar, dass alles so gut gegangen ist, durch den Seouler Abend.

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Ahn Gyuchul, Glasses, 1991

Privatschule in Gwangyang

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Mit dem Bus fahre ich in eineinhalb Stunden an die koreanische Südküste nach Gwangyang. Herr Goe, ein Lehrer an der privaten Gwangyang Necheol Nam Elementary School erwartet mich schon am Bus. Er hat Herrn Pak mitgebracht, einen Ehemaligen der High School, der soeben in den USA seinen Master abgeschlossen hat, jetzt zwei Monate zu Hause ist und dann in den USA bei einer grossen Treuhandfirma zu arbeiten beginnt. Pak spricht natürlich perfekt Englisch und begleitet mich den ganzen Tag.

Die beiden fahren mich zuerst durch Gwangyang und zeigen mir die riesige aufgeschüttete Halbinsel mit den Posco-Werken. Posco ist einer der weltweit grössten Stahlhersteller mit Hauptsitz in Pohang und einem sehr grossen Werk hier in Gwangyang. Die Firmenstiftung POSEF (Posco Education Foundation) führt hier in Gwangyang für die Kinder ihrer Angestellten Kindergärten, Primarschulen, eine Sekundarschule (Middle School) und eine High School. (Broschüre PDF)

Eine davon, die Gwangyang Necheol Nam Elementary School werde ich jetzt besuchen.

Beim Eingang erwarten mich der Chef der Stiftung POSEF hier in Gwangyang, ein anderer „very important man“ der Stiftung und der Schulleiter. Die POSEF-Leute sind nach einer Medaillenverteilung an erfolgreiche Schülerinnen und Schüler extra hiergeblieben, um mich zu begrüssen. Ausgerechnet heute habe ich keinen Anzug an, weil ich dachte, ich besuche eine kleine Schule auf einer Insel und nicht overdressed wirken wollte.

Die POSEF-Schulen gehören zu den besten Privatschulen Koreas. Während Kindergarten und Primarschule fast ausschliesslich von Kindern von Posco-Angestellten besucht werden, können sich in die Middle- und High-School auch Absolventinnen und Absolventen anderer Schulen bewerben. In Betracht gezogen werden aber nur diejenigen, die zu den 10% besten ihres Jahrgangs gehören. Dieses Ranking wird aus den midterm- und Schuljahresabschluss-Examen berechnet, die jedes Jahr durchgeführt werden. Die Konkurrenz und das sich ständig Bewerben sind hier im ganzen Bildungssystem allgegenwärtig. Ein riesiger Wirtschaftszweig, die „Hagwon“, das „Private Tutoring“ hängt davon ab. Praktisch alle Schülerinnen und Schüler besuchen solche privaten Nachhilfeschulen. Sie schlafen deshalb sehr wenig und die Eltern tragen eine grosse finanzielle Last.
Posco nimmt z.B. mit einem extrem selektiven Auswahlverfahren jeweils 100 Bewerbende in seine „Meister“-High School auf, d.h. seine berufsorientierte High School, die eng mit der Firma zusammenarbeitet. (Pressemitteilung)
Die Selektion ist auch für Hochschulabsolvierende sehr hart, wenn sie sich in einer grossen Firma um eine Stelle bewerben. Der „Business Insider“ hat letzthin beschrieben, wie Samsung seine Angestellten auswählt.

Posco kennt ähnliche Bewerbungsverfahren, allerdings hat der Konzern in letzter Zeit in Korea nicht mehr viele neue Mitarbeitende angestellt, die Schulen haben deshalb rückläufige Schülerinnen- und Schülerzahlen.

Im ersten Teil des Morgens findet eine Einführung in die koreanische Volksmusik statt.
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Eine vom koreanischen Staat engagierte, soweit ich das beurteilen kann hervorragende, Musikerinnengruppe (Facebook) führt die Schülerinnen und Schüler in die Volksmusik, Opern, Mythen ihres Landes ein. Keine einfache Kost. Die Schülerinnen und Schüler sitzen am Boden, hören meist aufmerksam zu und rutschen zwischendurch auch mal ein bisschen hin und her oder flüstern kurz miteinander. Zu unruhig wird es im Saal aber nie.
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Klassenlehrpersonen und Schulleitung sind ebenfalls hier, geniessen den Aufritt, haben aber auch ein Auge auf das Publikum. Die Klassenlehrpersonen unterrichten hier Koreanisch, Mathematik, Geschichte und Science. Die übrigen Fächer werden von Fachlehrpersonen erteilt, wobei je nach Fach die Klassenlehrperson auch dabei ist und Teamteachingfunktionen übernehmen kann. Zusätzlich geben noch „Koryphäen“ Stunden. Für Mathematik wurde ein russischer Professor eingestellt, der zwischen den verschiedenen Schulen hin- und herpendelt.
Für die meisten Fächer stehen eigene Fachräume zur Verfügung, die eine anregungsreiche, auf das Fach abgestimmte Lernumgebung ermöglichen. Im Englisch ist ein ganzes EngLand aufgebaut, mit Fototapeten von Pubs, Telefonkabinen, Tube-Stationen usw. In Mathematik stehen all die Hilfsmaterialien zur Verfügung, die wir auch kennen, zusätzlich sind sogar die Sonnenstoren mit Euklid oder Pythagoras illustriert. Die Tische sind nicht immer eckig, die Schülerinnen und Schüler sollen ein out-of-the-box-Denken lernen und das gehe besser, wenn nicht alles viereckig sei.
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In Science sind an einer Wand Bilder von Nobelpreisträgern aufgehängt und es wird gefragt, wer wohl der erste koreanische Nobelpreisträger sein werde. It is our ambition that he comes from our school.
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Die Ziele der Schule und ihre „moralische Erziehung“ sind auch sonst überall präsent. Dass die Ansprüche hoch sind, sehen wir auch in der Bibliothek. 600 Bücher sollen in den 12 Schuljahren mindestens gelesen werden. Um das Ziel zu erreichen, finden immer wieder auch Bibliotheksnächte statt. Eine Mutter, die in der Bibliothek als Freiwillige arbeitet, ist gerade am Vorbereiten einer solchen Lesenacht.
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In Herr Goes Lektion geht es ums Debattieren. Schülerinnen und Schüler wägen zuerst in Gruppen Umweltschutz und Entwicklung gegeneinander ab, nachher diskutieren sie in der Klasse darüber. In der nächsten Lektion, sollen sie ihre Meinung dann auch mit Plakaten illustrieren. Goe gilt als Experte im Debattieren, er gibt in den Ferien jeweils auch Kurse für Lehrerinnen und Lehrer zu diesem Thema.
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Anschliessend besuchen wir den drei Jahre dauernden Kindergarten. Schöne, helle und grosse Räume. Auch im Kindergarten gibt es einen Stundenplan mit Fächern und viele Fachräume. Ob sie lesen würden? Ja, natürlich, ab zweitem Kindergartenjahr, die meisten Kinder könnten es aber schon vorher.
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Der Kindergarten hat auch viel Platz draussen, Tiere werden gehalten, jede Gruppe hat einen Garten.
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Die Kindergartenhündin hat vor fünf Tagen Junge bekommen
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Die Leiterin des Kindergartens sagt plötzlich „oh, graduates from our kindergarten“, rennt den Zweitklässlerinnen mit offenen Armen entgegen und umarmt sie
Der reguläre Unterricht ist um drei Uhr fertig, jetzt beginnen die Sitzungen der Lehrpersonen und die „extracurricular activities“. Die Kindergartenschülerinnen und -schüler können z.B. unter 16 Angeboten wählen (vom Bauchtanz über Faltarbeiten, Töpfern, Mannschaftssportarten bis zu Maskenspiel) und haben so nochmals 60 – 90 Minuten nicht Unterricht genannten Unterricht. Nachher besteht ein Auffangangebot für Kinder, die noch nicht nach Hause können.

Auch in der Schule nebenan haben die „extracurricular activities“ begonnen. Dazu gehören z.B. auch Pfadfinder, Trommeln und Fussball. Gwangyang hat ein Soccerteam, das momentan auf Platz 4 in der koreanischen Meisterschaft liegt und natürlich auch von Posco gesponsert wird. Schüler, die in der Schule im Fussball Talent zeigen, werden besonders gefördert und es ist der Stolz der Lehrerschaft, wenn einer es schliesslich in die erste Mannschaft schafft.
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Trommeln, eine „extracurricular activity“

Ich war bis jetzt nach offiziellem Schulschluss noch nie in einer Schule und es ist hochinteressant, wie der Betrieb – einfach mit anderem Personal – weitergeht, von der Schule organisierte Freizeitaktivität mit erheblichem Lerneffekt. Nach 17 Uhr gehen die Schülerinnen und Schüler dann nach Hause, machen Hausaufgaben, treiben vielleicht etwas Sport, essen und dann stehen für sehr viele noch die Hagwon auf dem Programm. Viele dieser privaten Nachhilfeschulen werben im Moment damit, dass sie besonders gut für ADHD-Schüler seien.

Auch mein Programm ist noch nicht zu Ende – ich wollte ja auf eine Insel. Das hat man hier natürlich nicht vergessen und so fahren wir eine Stunde nach Yeosu und besuchen den Expo-Park mit seinen Wasserfontänen und bei Sonnenuntergang auch noch eine Insel. Jetzt steht noch ein Nachtessen auf dem Programm und dann will mich Goe die anderthalb Stunden von Gwangyang nach Gwangju zurückfahren. Es gelingt mir mit Vermittlung von Pak, mich durchzusetzen, so dass ich den Bus nehmen kann. Ich schätze die Gastfreundschaft hier sehr, sie hat aber auch etwas sehr Verpflichtendes, für mich manchmal Beengendes. Einen Gast nach dem Nachtessen von Zürich in sein Hotel nach Bern zurückzufahren, käme mir in der Schweiz nie in den Sinn. Herr Goe willigt schliesslich ein und kauft mir dafür das Busbillett. Ganz wohl ist es ihm aber nicht, wohl auch, weil er versprochen hat, gut für mich zu schauen. (Namgi runzelt am nächsten Morgen auch etwas die Stirn, er hat natürlich bereits erfahren, dass ich mit dem Bus zurückgekommen bin. Aber Goe habe ihm gesagt „He’s got a Ph.D., so he probably will find the hotel“ und da habe er ja eigentlich Recht. Es scheint mir doch etwas interkulturelle Verständigung gelungen zu sein.)
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Beim Nachtessen mit viel Rindfleisch, Zwiebeln, Kimchi, Knoblauch haben wir viel Spass. Das dünn geschnittene Fleisch wird auf einem im Tisch eingelassenen Holzkohlegrill zubereitet und schmeckt sehr gut.

Gegen Mitternacht bin ich dann in Gwangju im Hotel. Ein 18 Stunden-Tag, das ist hier ganz normal.

Umgebung von Gwangju

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Zu dritt fahren wir heute mit einem grossen Tourbus zu den Sehenswürdigkeiten der Region.
Der Soswaewon Garden (Soswaewon heisst in etwa „rein und klar“) war seit dem 15. Jahrhundert „a social networking place (…) where the great scholars (…) communicated their scholarly works and attainments to each other.“ (Prospekt).
Überall im Garten und in den Wäldern hat es kleine Pavillons. Man zieht die Schuhe aus setzt sich oder kniet, Blick ins Tal, atmet ein paar Mal die frische Luft tief ein und tauscht dann miteinander aus. So war es schon im 15. Jahrhundert.
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In einem Museum sind Werke und viele Gedichte der damaligen Gelehrten ausgestellt. Diese Kalligraphien sind oft ein „Gesamtkunstwerk“, Wort und Pinselstrich sind gleichermassen wichtig und werden ehrfürchtig betrachtet. „Scholars“, das hat hier einen anderen Klang als in Europa, mir scheinen Gelehrte stärker ein Teil der Kultur zu sein, auf sie wird überall hingewiesen. Gelehrt zu sein, Weisheit errungen zu haben war und ist erstrebenswert.
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Beruhigende Natur auch im Bambus-Park von Damyang, einem grossen Wald mit vielen verschiedenen Sorten des für Kultur und Umwelt wichtigen Bambus.
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In der Umgebung wurde auch eine Allee mit Metasequoia-Bäumen gepflanzt.
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Die Holzgestalten äugen zu ihr hinüber.

Schliesslich noch eine Fahrt mit einer Dampfbahn von Gokseong nach Gajeong durch eine schöne Berglandschaft und der Besuch des 1635 gegründeten buddhistischen Dorimsa-Tempels. Nach dem Eindunkeln sind wir zurück in Gwangju. Der Fahrer ist sichtlich froh, dass er seinen ersten Ausländer nicht verloren hat und mich in Gwangju wieder abliefern kann. Und ich bin ziemlich geschafft. In eine Ganztagestour hätte man in der Schweiz höchstens zwei Drittel der Stationen eingebaut.
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Gedenkstätte zum Gwangju-Massaker

Die vier Tage in Gwangju werde ich etwa 18 Stunden am Tag lückenlos betreut. Namgi hat nichts dem Zufall überlassen und überall Lehrpersonen und andere Bekannte gebeten, für mich zu schauen. Dank der sehr grossen koreanischen Gastfreundschaft komme ich – neben Schul- und Universitätsbesuchen – auch dazu, als VIP die wichtigsten Sehenswürdigkeiten der Stadt und der Region kennen zu lernen. Mir ist diese Sonderrolle etwas unangenehm. Ein Koreaner, der in den USA studiert hat und mich auch einen Tag begleitet meint aber: „It’s the Korean culture. When a guest comes, you make everything possible for him. Just relax“. Ok.

Nach den Schulbesuchen fahren mich zwei Lehrerinnen zum May 18th National Cemetery. Ein Leiter führt uns durch die Gedenkstätte, trinkt mit uns Saft und fordert meine Begleiterinnen immer wieder auf, mir alles zu erklären.
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Bild: Museum

Gwangju nennt sich stolz „Stadt der Demokratie und der Menschenrechte“. Die Region hier wurde von den Regierenden in Seoul meist links liegen gelassen und wird bis heute nicht mit Subventionen verwöhnt. Gwangju war also den Regierenden gegenüber immer skeptisch. Als 1979 Präsident Park, der das Land diktatorisch regiert hatte, ermordet wurde, hoffte man auf einen Übergang zur Demokratie. Stattdessen putschte aber das Militär und übernahm die Macht. Im ganzen Land gab es, meist von den Universitäten ausgehende, Demonstrationen.
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Alle historischen Bilder: 518.org
Das Militär verhängte am 17. Mai 1980 den Ausnahmezustand und schloss die Universitäten.
Am 18. Mai (darum wird überall nur von 518 gesprochen) kam es in Gwangju zu gewaltsamen Auseinandersetzungen zwischen dem Militär und Studierenden.
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Wegen der offensichtlich willkürlich angewendeten Gewalt des Militärs solidarisierten sich grosse Teile der Bevölkerung mit den Studierenden, Taxifahrer fuhren in einem Protestkonvoi durch die Stadt. Das Militär schoss wahllos in die Menge.
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Schliesslich konnte die Menge das Regierungsgebäude der Provinz besetzen, die Armee musste sich zeitweise zurückziehen, Blockaden wurden aufgestellt und die Bevölkerung bewaffnet. Am 24. Mai wurde Gwangju zur „befreiten Stadt“ erklärt.
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Das Kommando der US- und Koreatruppen unter US-General John Wickham hatte schon am 21. Mai eingewilligt, noch mehr koreanische Truppen zu mobilisieren, um Gwangju wieder unter Kontrolle zu bringen.
Verhandlungen wurden nur wenige Stunden geführt und scheiterten, am 27. Mai übernahm die Armee mit einer Truppenstärke von 20’000 Mann in einem blutigen Einsatz, bei dem Beteiligte und Unbeteiligte wahllos getötet wurden (Gwangju-Massaker), die Kontrolle über die Stadt wieder. Es sollte noch sieben Jahre bis zu den ersten freien Wahlen dauern.
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Eindrücklich ist, dass es danach möglich war, einen „National Cemetery“ zu schaffen, in den die sterblichen Überreste der damals Umgebrachten überführt wurden. Der „May 18th National Cemetery“ ist aber weit mehr als ein Friedhof, er ist eine grosse Gedenkstätte mit einem Denkmal und viel Symbolik, einer Gedenkhalle mit Fotos all der Getöteten, einem grossen Museum, das ausführlich, manchmal mit fast unerträglichen Dokumenten auf die Geschehnisse eingeht.
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Bild: Museum
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Auf dem Gelände hat es auch ein Kindermuseum, das wie ich finde altersgemäss das Klima und die Zeit von damals darstellt und die Kinder über Demokratie und Menschenrechte informiert und nachdenken lässt.
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Kim Dae Jung, der damals beinahe zum Tode verurteilt worden war, wurde 1997 Präsident Südkoreas, der einzige Präsident bisher aus dieser Region. Er hat die damaligen Befehlshaber, denen kurz vorher der Prozess gemacht worden war, begnadigt; ein Versuch, die Nation auszusöhnen.

Ich frage mich, ob und wann China einmal eine solche Gedenkstätte zu Tiananmen 1989 errichten wird. Die Anlage hier gibt mir etwas Hoffnung, dass auch jüngere Geschichte aufgearbeitet werden kann.

Primarschule in Gwangju, Südkorea

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Gestern ist ein grosser Teil der Lehrerschaft der „Attached Elementary School of Gwangju National University of Education“ zu meinem Vortrag gekommen. Heute holen mich der Vice-Principal und eine junge Englischlehrerin ab, um mir Schule und Unterricht zu zeigen.

Die Schule ist eine von nur 17 nationalen Primarschulen, d.h. in jeder Provinz bzw. grossen Stadt gibt es nur eine solche Schule. Und sie sei, wie mir alle überzeugt erklären, natürlich die beste „National School“
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Science-Day mit Eltern und Behörden, Schulklasse, Wahlen ins Schulparlament (Bilder: Schule)
Auf alle Fälle ist die Schule äusserst begehrt. In der Provinz hat es 150 andere Primarschulen und drei Privatschulen. An die Attached School können alle Eltern aus Gwangju ihre Kinder anmelden und dann muss das Los bestimmen, wer aufgenommen werden kann. Das Verhältnis von Aufgenommenen zu Abgewiesenen beträgt 1:12.

Die Schulleiterin, die ich gestern auch schon kennengelernt habe, stellt mir bei einem grünen Tee ihre Schule vor. Als „attached school“ habe sie eine grosse Verpflichtung gegenüber den zukünftigen Lehrpersonen, die hier ihr Praktikum machen. Entsprechend publiziert der Lehrkörper auch rege. Der Bestseller ist das Buch „Flow of Learning – learning how to learn“, das die Lehrerinnen und Lehrer nun schon in vierter Auflage herausgegeben haben. Es ist ein Praxisbuch mit vielen Beispielen, wie die Schülerinnen und Schüler das Lernen lernen können, Lektionsplänen, theoretischen Hintergründen.
Aber auch das Curriculum und Lektionspläne werden publiziert. In Südkorea werden etwa 70% der Unterrichtszeit für die Ziele des nationalen Curriculums gebraucht, 30% können die Schulen und/oder Provinzen und die Lehrpersonen selbst Ziele setzen und Inhalte festlegen.
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Bestseller, vom Schulteam geschrieben

Die Schule hat 528 Schülerinnen und Schüler der Klassen 1 – 6. Die Klassengrösse beträgt meist unter 24, national liegt der Durchschnitt momentan noch bei 27, mit sinkender Tendenz.

Der Lehrkörper ist – anders als an den anderen Schulen – überwiegend männlich. Das habe damit zu tun, dass sich viel mehr Männer bewerben würden, erklärt mir die Englischlehrerin. Für Frauen sei es dann halt doch etwas viel, manchmal mehrmals in der Woche bis Mitternacht in der Schule bleiben zu müssen.
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Lehrkörper (Bild: Schule)
Die Lehrpersonen begleiten im ersten und zweiten Schuljahr ihre Klasse in allen Fächern, nachher unterrichten sie meist zwei Fächer, was überhaupt kein Problem sei. Allerdings gibt es hier keine Teilzeitlehrpersonen, die Stundenplanorganisation ist also einiges einfacher und die Lehrpersonen sind alle von etwa halb acht morgens bis am Abend in der Schule. Zwei Mal in der Woche findet nach dem Unterricht eine dreistündige Sitzung statt, in der man sich über Schülerinnen und Schüler, Curriculum, Schulanlässe und vor allem auch didaktische Themen austauscht. Von all diesen Sitzungen existieren Protokolle seit 1937, sie sind im schuleigenen Museum ausgestellt.
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Kommunikationsübung im Englisch

Die Klassenzimmer haben alle Schiebewände gegen den Korridor hin, diese stehen an zwei Seiten ständig offen, niemand kümmert sich gross darum, wenn Besuch kommt, die Schülerinnen und Schüler und die Lehrpersonen arbeiten konzentriert weiter.
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Die Lektionen sind methodisch auf hohem Niveau, ein Mix von verschiedenen Sozialformen, die Schülerinnen und Schüler unterstützen sich gegenseitig, die Lehrperson erklärt hie und da etwas. Im Englisch sehe ich ein Teamteaching mit einem koreanischen Lehrer und Ian, einem native speaker aus den USA, der jetzt schon das zweite Jahr hier unterrichtet und dem es sichtlich Spass macht.

Die Lehrpersonen zeigen mir auch stolz ihre Mitschau-Anlage, ein Klassenzimmer mit Einwegspiegel. Es werde zwei Mal pro Woche benutzt, entweder um Studierenden der Universität etwas zu zeigen oder auch, wenn das Team sich eine Lektion einer Kollegin oder eines Kollegen anschaut und sie nachher bespricht. Details können mit Kameras herangezoomt werden. Ich erzähle, dass wir auch mal so eine Einrichtung gehabt hätten – sie sei aber von den Lehrpersonen nicht sehr geschätzt und selten genutzt worden. Ganz verstehen das meine Gesprächspartner nicht.
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Mitschauanlage
Pünktlich um viertel vor zwölf beginnt die Mittagspause. Die Schülerinnen und Schüler und die Lehrpersonen bleiben im Zimmer. Man kann jetzt Hausaufgaben machen, wenn nötig die Lehrerin etwas fragen und wer ein „Ämtli“ hat, erledigt dieses. Die Ämtli gehen weit, das Putzen des Klassenzimmers und der Korridore gehört dazu. Die Lehrpersonen helfen den Schülerinnen dabei.
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Putzen
Danach gehen die Klassen mit ihrer Lehrperson gestaffelt in die Mensa zum Mittagessen. Freiwillige Mütter haben bei der Zubereitung eines ausgewogenen Mittagessens geholfen und schöpfen es jetzt. Die Lehrerin oder der Lehrer stellt sich nach dem Eingang zur Mensa auf und die Schülerinnen und Schüler kommen in Zweierkolonne in den Raum, verbeugen sich vor der Lehrperson, diese verbeugt sich zurück und dann holt man sich das Essen und sitzt mit der Lehrperson zusammen an den Tisch. Alles ist geht sehr ruhig und höflich zu und her, niemand ist laut oder rennt, aber es wird gelacht, gescherzt und diskutiert.
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Mittagessen
Nach dem Essen spülen alle ihre Teller ab (d.h. die Tablette mit verschiedenen Einbuchtungen für die verschiedenen Gemüse, Reis, Fleisch, Suppe). Im zweiten Teil der Mittagspause werden dann verschiedene Freizeitangebote gemacht: Spiele, Sport. Die Angebote werden auch von den Lehrpersonen geleitet.

Englisch ist der Schule wichtig, weshalb sie ihre Schulzeitung ab und zu auch in Englisch herausgeben. Das ermöglicht einen guten Einblick in das doch etwas andere (veröffentlichte) Denken der Schülerinnen und Schüler.
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Zwei Berichte von Schülerinnen

Auch bei diesem Besuch habe ich den Eindruck, es sei wesentlich auch die (ich würde sagen konfuzianisch geprägte) Kultur, die das Lernen beeinflusse. Es ist weniger das Lernangebot, das anders ist, als die Art wie es genutzt wird – an dieser Schule äusserst konzentriert. Namgi, mit dem ich mich anschliessend darüber austausche, geht noch etwas weiter. Er meint, es könnten halt doch „Meme“ am Werk sein (eine Art kulturelle Programme im Gehirn, die durch Nachahmung weiter gegeben werden) Ich habe mich bisher mit der umstrittenen, von Richard Dawkins geprägten Memetik (Viruses of the mind, 1976) nicht auseinandergesetzt und würde mich eher an Kognitionswissenschaften, Kulturgeschichte und Schulklima anlehnen.

Was zum Thema Schulklima sehr interessant ist: Jede Lehrperson darf maximal vier Jahre an einem Stück an der gleichen Schule tätig sein. Dann muss sie wechseln. Sie kann sich für eine andere Schule in der gleichen Provinz bewerben. Etwa 90% werden dann auch an die Stelle versetzt, für die sie sich beworben haben, 10% an eine andere Stelle. Nach einem Jahr kann man wieder wechseln, nach spätestens vier Jahren muss man wieder wechseln. Das gilt auch für Master-Teacher, die auch an der neuen Stelle ihr besonderes Pflichtenheft behalten. Schulleiter können maximal zwei Amtsdauern bleiben, weil die meisten erst nach 50 Schulleiterin oder Schulleiter werden, erfolgt anschliessend häufig die Pensionierung.
Namgi ist überzeugt, das Rotationsprinzip sei eine der wichtigsten Stärken des koreanischen Schulsystems. So könnten keine guten und schlechten Schulen entstehen. Alle müssten sich auch einmal in schwierigeren Gebieten die Zähne ausbeissen und täten das auch gerne. Niemand könne lange einfach an einer „bequemen“ Schule bleiben. Ausserdem erhalte man immer wieder die Chance und die Pflicht, einen Neuanfang zu machen, das wirke sehr belebend auf die Schulen und die Lehrpersonen.
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Bericht einer Lehrperson in der Schulzeitung

Gwangju National University of Education

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Bild GNUE
Am Morgen führt mich ein Assistent von Namgi in Krawatte und Anzug durch die Gwangju National University of Education. Er verbeugt sich dabei recht oft, auch vor meines Erachtens Gleichaltrigen und Gleichgestellten. Er müsse sich vor allen, die über ihm studiert hätten, verbeugen, das sei eine kulturelle Selbstverständlichkeit und auch Vorschrift, ob es das bei uns gar nicht gäbe, meint er. Ja stimmt, wir schüttelten uns halt die Hand. Das wissen viele hier und recht unvermittelt wurde mir z.B. beim Verlassen eines Restaurants oder nach einem kurzen Gespräch in der Metro schon die Hand geschüttelt.
Die Uni hat etwa gleich viele Studierende wie die PH Zürich, ist aber flächen- und raummässig einiges grösser, einerseits haben die meisten Dozierenden ein grosses Einzelbüro, andererseits lebt etwa ein Drittel der Studierenden in Dormitories auf dem Campus. Auch die in der Stadt lebenden Studierenden haben ihren Lebensmittelpunkt auf dem Campus, Gemeinschaftsräume und Bibliothek sind 24 Stunden geöffnet und werden auch entsprechend genutzt.
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Reservation der Kojen in der Bibliothek
Viel mehr Wert wird auch auf Repräsentationsräume gelegt. Der Präsident empfängt mich, er hat, wie schon gestern der KFTA-Präsident ein riesiges Büro mit beeindruckenden Polstersesseln. Er macht mir einen sehr guten Eindruck, er forscht zu Klassenklima und empfindet die Präsidentenzeit als Chance, auch politisch Einfluss zu nehmen. Ich merke aber auch ihm an, dass das Wahlprozedere sehr herausfordernd ist: alle Interessengruppen, vom Stadtpräsidenten über das Ministerium bis zu den Studierenden können hier mitreden. Gleich muss er nach Seoul, wo er häufig zwei Mal pro Woche Sitzungen im Ministerium hat. Er hat für solche Zwecke einen Fahrer, dann kann er während der Fahrt im Auto arbeiten.

Selektion
Schon die Aufnahmeprüfung ist vielstufig und sehr selektiv, nur die 5% Besten aus den High Schools können sich überhaupt bewerben. Danach finden am Ende jedes Semesters Prüfungen statt und schliesslich nach 4 Jahren das Bachelor- (durch die Universität) und Lehrdiplom- (durch den Staat) -Examen und die Bewerbung um eine Stelle in einer Provinz oder Stadt, ebenfalls nochmals ein selektives Verfahren.

Curriculum
Das Undergraduate-Curriculum lässt viele Wahlmöglichkeiten. Jeweils nur einige Kurse für Basiswissen und -können müssen von allen besucht werden, dann stehen im allgemeinen und im spezialisierten Teil viele Wahlmöglichkeiten („Electives“) offen.

Berufspraktische Ausbildung haben die Studierenden insgesamt 10 Wochen: „Practicum is conducted for 10 weeks in total and is divided into Class Observation (1 week), Class Observation in Rural Villages, Islands and Isolated Areas (1 week), Work Practice (2 weeks), Teaching Practice (6 weeks) and Volunteer Teaching for the teacher trainees to acquire hands-on experience in a real school setting.“

Auch Primarlehrerinnen und Primarlehrer unterrichten (ausser in der ersten und zweiten Klasse) lediglich 2 – 3 Fächer, belegen also einen „Major“ und eins bis zwei „Minors“, was ein vertieftes Angebot natürlich einfacher macht.

Seit 1996 hat die Uni auch eine Graduate School, 20 verschiedene attraktive Master-Programme können gewählt werden, das reicht von Invention and Robotics Education über Early Childhood Education bis zu Elementary Ethics Education.

In Namgis Seminar zum „Classroom Management“ sind die zwanzig Studierenden sehr interessiert bei der Sache und erleichtert, dass auch die Schülerinnen und Schüler in der Schweiz manchmal Flausen im Kopf haben. Allzu weit kann ich aber nicht ausholen, Namgi muss heute in der letzten Doppelstunde des Semesters seinen Stoff noch fertig durchbringen und meint, ich würde sämtliche Fragen, die sie noch hätten, gerne per e-Mail beantworten.
Das Verhältnis Dozierende – Studierende ist gut, eine Mischung aus Kollegialität und grossem Respekt den Dozierenden gegenüber. Ein Respekt, der dann auch nach der Diplomierung anhält. Gestern waren sehr viele Alumni an meinem Vortrag, sie hatten ein sichtbar herzliches Verhältnis zu ihrem ehemaligen Hochschullehrer, behandelten ihn aber auch sehr respektvoll. Die Form der Lehrveranstaltung unterscheidet sich kaum von einem Seminar bei uns.

Museum of Education
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Klassenzimmer bis anfangs 20. Jh.
Die Universität verfügt auch über ein Museum of Education, Schulzimmer aus verschiedenen Epochen werden gezeigt, der Wandel der Schuluniformen durch die Zeit und auch die Schule während der japanischen Kolonialzeit, als die koreanische Sprache nicht gelehrt werden durfte.
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Die Unabhängigkeitsbewegung von Studierenden gegen die japanische Besetzung nahm ihren Anfang 1929 in Kämpfen zwischen japanischen und koreanischen Studenten in einem Zug in der Nähe von Gwangju
Eine Zeitlinie zeigt auch die verschiedenen Präsidenten (eine Präsidentin gab es noch keine), bis anhin durften alle nur für eine Amtszeit von vier Jahren wirken, damit sie nachher wieder problemlos als Professor weiterarbeiten konnten. Der entsprechende Paragraph wurde unterdessen geändert, der Wahlkampf sei aber so anstrengend, dass es vermutlich bei den vierjährigen Amtszeiten bleiben werde.

Kulturzentrum
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Bild GNUE
Der grosse Stolz der Uni ist das neue Cultural Center. Ein Bau mit 900-plätzigem Auditorium und permanenten Lernangeboten zu den Dokdo-Inseln und zur multikulturellen Erziehung.
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Dokdo (vgl. BBC), das auch von Japan beansprucht wird, die „Trostfrauen“ und die Besuche von Premierminister und Regierungsmitgliedern im Yasukuni-Schrein trüben das Verhältnis der beiden Staaten, die auch viele kulturelle Gemeinsamkeiten haben, wesentlich. Auf die japanische Besetzung und Unterdrückung bis ab Beginn des 20. Jahrhunderts bis 1945 wird man überall hingewiesen.
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Besuch von Schulklassen: 1. Film über die Dokdo-Inseln und warum sie zu Korea gehören, 2. Stafettenwettkampf, 3. Die siegreiche Gruppe darf an die Kletterwand mit dem Bild der Dokdo-Inseln
Auch auf dem Campus der Uni (die unter japansicher Besetzung 1923 als Lehrerseminar gegründet wurde) finden sich Denkmäler für Studierende und Dozierende, die sich gegen Japan aufgelehnt haben, im Kulturzentrum ist die Kletterwand dem Relief der Dokdo-Inseln versehen.

Das sehr gut und aufwändig gemachte Zentrum für multikulturelle Erziehung gibt den besuchenden Schulklassen einen Einblick in Lebensweise auf allen Erdteilen, das reicht von Speisen bis zu WC-Gewohnheiten.
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Besuche von Schulen in Zentren und Museen werden in der Regel von Freiwilligen, Studierenden oder Mitarbeitenden der Museen betreut. Sie sind auf die Gruppenarbeiten, Präsentationen, Wettkämpfe usw. vorbereitet. Die Lehrpersonen sind also hier entlastet und können entsprechend mehr Energie in die Vor- und Nachbereitung der Besuche investieren.

Machtkämpfe, Lehrergewerkschaften, Master-Teacher

Am Morgen fahre ich zum Dachverband der Lehrerinnen und Lehrer KFTA.

Ein sehr mächtiger Verband, das sieht man schon dem Gebäude und der Empfangshalle an.
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Mein Kollege Park, Namgi, ehemaliger Präsident der Gwangju University of Teacher Education, den ich aus Hongkong und Nara kenne, ist Chair des von der KFTA geführten KIEP (Korean Institute for Education Policy). Er hat mir deshalb ein paar Termine beim Dachverband organisiert.

Jung, Un-Soo von der Korean Education Weekly, die einmal wöchentlich mit einer Auflage von über 200’000 erscheint und Kim, Jae-Cheol, der Director External Relations machen ein Interview mit mir. Die Sache ist recht heikel, weil ich natürlich auch nach meiner Meinung zum Fährenunglück und zu Safety Education gefragt werde. Das Thema wird hier noch so lange omnipräsent bleiben, bis die sterblichen Überreste der 16 Schülerinnen und Schüler, die noch irgendwo in der gesunkenen Fähre vermutet werden, geborgen sind. Bereits zwei Taucher sind bei der Suche nach den Körpern ums Leben gekommen.
Der stellvertretende Schulleiter, der die Exkursion organisiert hat, hat sich das Leben genommen.
Der neben der KFTA zweite grosse Player, der die Lehrpersonen vertritt, die Gewerkschaft KTU (Korean Teachers Union), hat Präsidentin Park wegen der Katastrophe frontal angegriffen: „“President Park Geun-hye must confess to neglecting her duties and take responsibility“ und sich bei den getöteten Schülerinnen und Schüler für die falsche Erziehung entschuldigt: „We are sorry that we did not teach you to question and disobey suspicious orders,” (…) “We are sorry for forcing you to just memorize answers. We feel guilty that we did not teach [the students] to be active in a dangerous situation“ (Korea Joongang Daily).
Tatsächlich haben ja viele Schülerinnen und Schüler die Fähre nicht verlassen, weil sie auf eine entsprechende Anweisung von Erwachsenen, was jetzt zu tun sei, gewartet haben. Das ist für die ganze Nation begreiflicherweise schwierig zu verarbeiten.

Andere Themen im Interview sind der mangelnde Respekt den Lehrpersonen gegenüber und die Examen. Disziplinprobleme und Prüfungsdruck sind grosse Probleme auch für die KFTA, wie ein Blick in eine ihrer Broschüren zeigt (alle Bilder KFTA)
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Auch mit „Happy Education“ soll Abhilfe geschaffen werden, man möchte eine „ganzheitlichere“ Erziehung erreichen, alle Sinne ansprechen, auch fröhlich sein miteinander.
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Wenn man Bilder von 1973 und heute vergleicht, hat sich in den letzten 40 Jahren schon sehr viel verändert.
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Eine grosse Ehre ist, dass ich danach auch vom Generalsekretär Baek, Bok-Sun, der uns auch zum Mittagessen einlädt und vom Präsidenten Ahn, Yang-Ok empfangen werde. Der Präsident wird von den etwa 180’000 Mitgliedern direkt gewählt, das Amt ist politisch sehr begehrt und die Wahlkämpfe sind jeweils heftig.

Die Stimmung ist aber gedämpft. Die Lokalwahlen haben der militanteren KTU grosse Erfolge gebracht. (Die Zentralregierung will die KTU sogar verbieten, weil sie sich weigert, Lehrpersonen, die wegen Missachtung der Trennung von Politik und Schule (man spricht hier vom „Neutralitätsgebot“) entlassen wurden, auszuschliessen. Ein Gericht hat das aber vorerst unterbunden).
13 von 17 Superintendents gehören jetzt der national in Opposition stehenden Partei NPAD (New Politics Alliance for Democracy) an oder stehen ihr nahe. Und, für die KFTA besonders schmerzhaft: 8 der neu gewählten Superintendents waren einmal Mitglied der KTU. Man sieht den Einfluss der KFTA schwinden und hat die Befürchtung, es entstehe jetzt ein für die Bildung verheerendes Seilziehen zwischen der Zentralregierung mit der konservativen Partei Saenuri um Präsidentin Park und den liberalen (d.h. hier: linken) School-Superintendents in den Provinzen und Städten. School-Lunches, Privatschulen (d.h. wie weit werden vollständig privat finanzierte Eliteschulen, die direkte Zubringer zu den besten Unis sind noch zugelassen) und der Grad der Innovationen sind die Hauptstreitpunkte.
Namgi Park hat einen Artikel geschrieben, der am Wochenende publiziert wurde und in dem er die beiden Seiten zur Zusammenarbeit zu Gunsten von Schülerinnen und Schüler aufruft.

Nach dem ausgezeichneten koreanischen Mittagessen (man isst hier viel Gemüse und Fisch) fahre ich mit Namgi mit dem Bus knapp 4 Stunden nach Gwangju an seine Universität, wo ich meine Vorlesung halten soll. Er erwähnt ein paar Mal, es sei halt keine gute Zeit für eine solche Veranstaltung, Prüfungen und so… Kommt mir bekannt vor. Der Saal ist dann aber sehr gut gefüllt und die Zuhörerinnen und Zuhörer sind an meinen Ausführungen zum schweizerischen Schulsystem und zur Lehrpersonenbildung interessiert, hören aufmerksam zu und stellen die richtigen Fragen. (Was denn der Vorteil der Migration für die Schweiz sei, es könne doch nicht nur eine Herausforderung sein…)
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Anschliessend gehen wir noch mit einigen Mitgliedern der Uni und einigen „Master-Lehrerinnen“ kalte Nudeln essen. Das System „Master-Teacher“ wurde hier 2008 eingeführt, weil man Lehrpersonen, die nicht Karriere als Schulleiterin oder Schulleiter machen möchten, eine Möglichkeit zur Weiterentwicklung geben wollte. Das System ist sehr kompetitiv, wie alles hier: d.h. man muss die besten Mitarbeitendenbeurteilungen haben und sich um eine Stelle als Master-Teacher bewerben. Wer aber Erfolg hat erhält ein um 40% reduziertes Pensum:

„Once selected as a master teacher, existing teaching hours will be reduced by 40% so that the remainder of the time can be utilized for participation in teacher training programs and implementation of various activities. Selected master teachers will not only conduct classes in their assigned schools but also support other teachers to improve teaching through coaching and supervision, developing teaching and learning and curriculum evaluation methods, performing the teacher ability development assessment, and offering training or mentoring programs for new teachers.“ (Education in Korea, S. 50).

Tönt gut. Und die Frauen machen mir einen sehr guten Eindruck, sie haben ein sehr hohes Commitment und sind bestens ausgebildet. Sie bringen ihre Schulen mit Sicherheit weiter.

In Korea machen die Lehrpersonen sogar etwas mehr Ferien als in Japan. Meine Sitznachbarin erzählt von einer 25-tägigen Europareise letzten Sommer. Sie hat mit ihrer Familie in Österreich ein Auto gemietet, wollte nach Mailand fahren und es war ihr nicht bewusst, dass ihr österreichisches Mietauto keine schweizerische Autobahnvignette hatte. Ihre Erinnerung an die Schweiz ist also das Aufhalten durch die Polizei, eine empfindliche Busse und der Kauf einer Vignette. Aber es sei ein schönes Land.