Durch die Karpaten nach Bukarest

20140309-200235.jpgAm Sonntagmorgen ist in Brașov kein Taxi zu bekommen. Florin, mein Vermieter ärgert sich über die Arbeitshaltung der Rumänen und fährt mich zum Bahnhof.
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Schöne Fahrt durch die nochmals verschneiten Mischwälder der Karpaten. So bewusst war mir gar nicht, dass es hier so alpin ist.
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Die Karpaten gehen in eine Hügellandschaft und dann in die völlig flache „südrumänische Steppe“ über. Der Zug fährt nun deutlich schneller. Bei Ploiești eine riesige Raffinerie. Seit Mitte des 19. Jahrhunderts wird hier Erdöl gefördert und verarbeitet. Die Anlagen wurden im zweiten Weltkrieg von den Alliierten stark bombardiert, da sie eine wichtige Energiequelle für das Deutsche Reich darstellten. (Wikipedia)
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Vor Bukarest hat man mich schon in Cluj gewarnt. Die Leute seien aggressiv, weil so gestresst. Taxifahrer ohne Lizenz bieten mir zwar ziemlich beharrlich ihre Dienste an, sie sind aber auch humorvoll und hilfsbereit und erklären mir, wo ich ein Billett für den Bus bekomme und wo Bus Nummer 123 zu meinem Hotel abfährt.

Die Busfahrt führt an einigen Kirchen vorbei, viele Passagiere bekreuzigen sich bei jeder Kirche.

Mein Hotel liegt in der Nähe des Palatul Parlamentului, des Parlamentspalastes. Seine Fläche von 365’000 Quadratmeter wird nur noch vom Pentagon übertroffen, es ist das letzte Zeugnis des Grössenwahnsinns von Ceausescu und wurde nach 1989 fertig gestellt. Auch die Pärke und Strassen zeugen vom Protz“kommunismus“, der in Bukarest besonders stark gewütet hat.
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Heute weht die rumänische Fahne neben EU- und Natofahne. Dass die Nato den Rumänen wichtig ist, habe ich schon heute Morgen beim Gespräch mit Florin gemerkt, der sich einige Sorgen um die Situation in der Ukraine macht und froh ist, dass Rumänien zur Nato gehört.
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Danach besuche ich einige kleine, eindrückliche Kirchen. Der Patriarch der rumänisch-orthodoxen Kirche (vgl. religionenschweiz) hat hier in der Gegend seinen Sitz und eine Kirche. Im Altstadtviertel stehen die Stavrepoleos- und die alte Gerichtskirche.
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Im historischen Museum ist zwar auch nichts über die neuere rumänische Geschichte zu erfahren, aber eine gute Ausstellung „Imagining the Balkans“ (UNESCO). Dargestellt werden Gemeinsamkeiten (wie Kaffeehäuser, Selbstdarstellungen, Mobilität, Konstruktion nationaler Identität usw.) anstatt Gegensätze.

Ich komme auch am Denkmal für die beim Umsturz im Dezember 1989 Gefallenen vorbei. An die Angst der damals am Radio interviewten Rumänen vor einem noch viel grösseren Blutbad durch die Securitate erinnere ich mich noch gut. Die damals Geborenen sind jetzt 25-jährig.
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Zum Schluss des Tages esse ich im Caru‘ cu bere. Es will mir aber keinen rechten Spass machen, die Kopfschmerzen begleiten mich zu aufdringlich.
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Brașov

20140308-211331.jpgEs regnet in Strömen heute Morgen und das wird mehr oder weniger den ganzen Tag so bleiben. Auf der Tâmpa ist sogar Schnee gefallen. Die Gassen Brașovs mit ihrem Kopfsteinpflaster sind aber auch bei Regen schön.
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Ich mache einen Rundgang und besuche dann das Museum der urbanen Zivilisation, eine gute Ergänzung zum ethnographischen Museum in Cluj.
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Die Geschichte von Brașov ist wesentlich auch die Geschichte der Siebenbürgner Sachsen, die schon mit dem Deutschen Orden hier zu siedeln begannen. Die sogenannten „Sachsen“, deutsche Siedler prägten Siebenbürgen bis zum zweiten Weltkrieg. Ihre Spuren sind überall noch sehr präsent. Hier z.B. im Bürgerhaus, in dem ich wohne:
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In den Museen ist ihre Geschichte (wie auch diejenige der Ungarn, Bulgaren und Roma) nicht einfach zu verfolgen, die rumänische Volksgruppe wird stark in den Vordergrund gestellt. Auch die Zeit zwischen 1945 und 1989 ist noch nicht aufgearbeitet.
Hier die Geschichtsschreibung der stadteigenen Website, hier diejenige des Forums Kronstadt und hier ein Beitrag des Bayrischen Fernsehens. Und einfach ein paar alte Bilder aus dem damaligen Kronstadt.
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Interessant ist, dass viele „Sachsen“ erst nach dem Umsturz 1989 (Augenzeugenbericht) nach Deutschland auswanderten. Unter Ceausescu hatten sie sehr lange auf eine Auswanderungsbewilligung (für die die Bundesrepublik teuer bezahlte) warten müssen, nachher nahmen sehr viele die Auswanderungsmöglichkeit sofort wahr.
Auch wenn nicht mehr viele Siebenbürgner Sachsen hier wohnen, ihre Kultur ist noch sehr gegenwärtig, hier die Verkündigung von Todesfällen bei der Schwarzen Kirche.
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Das Museum in der ersten rumänischen Schule hat am Samstag leider geschlossen.
Als es am Nachmittag kurz aufhellt, fahre ich mit der Seilbahn auf die Tâmpa, von hier oben hat man einen sehr guten Blick auf die Altstadt.
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Morgen früh fahre ich nach Bukarest, ich hätte – wie auch schon in Budapest und Cluj – gut noch einige weitere Tage hier bleiben können.

Mit der Bahn durch Siebenbürgen

20140307-213554.jpgIch verbringe mehr oder weniger den ganzen Tag im Zug, von Cluj-Napoca (Klausenburg) nach Brașov (Kronstadt). Die Fahrt geht quer durch Siebenbürgen zum Karpatenbogen. Lange genug, dass es sich auch die Lokführer gemütlich machen:
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Dieser Ausschnitt aus Meyers Lexikon von 1928 listet die verschiedenen Regionen Rumäniens auf. Daniel Ursprung hat die Problematik letztes Jahr in der NZZ gut dargestellt
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Durch die nicht fototauglichen Wagenfenster ziehen vorbei: fruchtbare schwarze Erde, grüne Hügel, Gänse, Eselkarren, grosse Schafherden mit Schäfern und vielen Hunden, die manchmal dem Zug nachrasen. Kleine Gehöfte, Ziegeleien, Pferdefuhrwerke mit Baumstämmen.
Aber auch Schrott, vor sich hin rostende Autos, abgebrannte Felder und Böschungen, Abfallhalden. Bei Copsa Mica die Wracks einer riesigen Buntmetallhütte und einer Russfabrik. Beide haben Umwelt und Menschen bis heute bleibenden Schaden zugefügt (Blacksmith-Institut, Reporterreisen, taz)

Häufig fährt der Zug kaum schneller als 40 km/h, so dass wir mit fast zweistündiger Verspätung in Brașov eintreffen. Ich habe ein schönes Studio mit Blick zur Schwarzen Kirche. Der nette Vermieter hat mich sogar in den Zug angerufen, um zu fragen, wo ich stecke. Ich mache noch einen kleinen Rundgang. Um noch viel zu unternehmen, fühle ich mich zu krank.

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Cluj-Napoca

Schmerzen in meinen Nebenhöhlen lenken mich den ganzen Tag etwas ab. Schade. Es wird Frühling in Cluj und die Stadt ist sehr interessant. Einen guten Überblick, auch historisch, gibt das englischsprachige Wikipedia.
Cluj gibt viel auf seine Ursprünge in vorrömischer und römischer Zeit. Um diese Linie und das römische-rumänische zu betonen erhielt die Stadt unter Ceausescu als Zweitnamen ihren früheren dakischen und römischen Namen Napoca.
Hier ein Geschenk von Mutter Rom aus den 20-er Jahren des letzten Jahrhunderts:
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In Cluj hat die PH Zürich ein Partnerhochschule – es gibt ein Departement für Pädagogik und Didaktik in deutscher Sprache und hier arbeitet sie auch am JOBS-Projekt.
Die vielen Studierenden aus verschiedenen Universitäten tun der Stadt gut, es hat viel Leben und Lachen, Strassencafés, Bars, Klubs.

Ich spaziere durch die Stadt mit einigen noch aus dem Mittelalter stammenden Gassen, vielen k.u.k.-Gebäuden, einigen kommunistischem Bauten und mit Denkmälern, die der nationalistische und betont anti-ungarische Bürgermeister Funar (Wikipedia en) in den 90-er Jahren hinterlassen oder verändert hat.

Die meiste Zeit verbringe ich aber im ethnographischen Museum (Homepage, Beschreibung der Stadtverwaltung) und dem schon 1921 gegründeten ethnographischen Freilichtmuseum Transsilvaniens. Sehr gut ausgestellt und auch museumspädagogisch gut gemacht, man kann sich hier lange in die Vergangenheit Siebenbürgens mit ihren verschiedenen Kulturen vertiefen. Textilherstellung aus Wolle und Leinen, Landwirtschaft mit Getreide, Wein- und Ölherstellung, Keramik. Dass man auch Gold geschürft hat, wusste ich nicht.
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Gerne hätte ich mich auch noch in die Geschichte vertieft, aber das Historische Museum ist geschlossen: die Ausstellungen hätten nicht mehr heutigen historischen Standards entsprochen. Ich kann mir vorstellen, dass die Geschichte von Rumänen, Ungarn, Juden, Sachsen, Land- und Stadtbewohnern, Reichen und Armen, Frauen und Männern ganz neu aufbereitet werden muss. Auch die Zeit die nationalistischen Aufstände, Weltkriege und Zwischenkriegzeit (DHM), die Zeit des Kommunismus (z.B. Deutschlandradio) und die darauffolgende Phase (z.B. Diss LMU [PDF]) dürften nicht so einfach darzustellen sein.
Jetzt müssen einfach noch meine Nebenhöhlen Ruhe geben.

Püspöklodány – Biharkeresztes – Cluj-Napoca

20140305-095543.jpgDer 06:40-Zug verlässt Budapest wegen Gleisbauarbeiten bereits um 5:55 Richtung Cluj. Leider ohne mich, der SBB-Online-Fahrplan wusste nichts davon.20140305-095703.jpgBisher bin ich nur sehr hilfsbereiten Menschen begegnet. Jetzt entdecke ich: Es gibt sie noch, die Ostblock-Matrone. Sie sitzt hinter einem Schalter für internationale Fahrkarten und trägt schwer an ihrer kleinen Macht. Jede Frage empfindet sie als Zumutung. Ihre Auskunft, es fahre dann heute Abend wieder ein Zug, Ankunft zwei Uhr nachts, empfindet sie als unverdiente Barmherzigkeit mir gegenüber. Naja. An einem anderen Schalter finde ich dann heraus, dass bis heute Abend zwar kein durchgehender Zug mehr fährt, es aber möglich ist, mit einer Zwischenetappe per Bus heute noch Cluj in Rumänien zu erreichen.
Der Zug Richtung Püspöklodány hat drei Wagen, fünf Passagiere, einen Lokführer und einen Schaffner. Wir fahren durch Birkenwälder und Puszta-artiges grüngraues Grasland.
Manchmal meine ich Bilder aus dem Album meiner Grossmutter wiederzuerkennen.20140305-213223.jpg
In Püspökladádany wartet ein Bus, der uns in einer stündigen Fahrt zum Grenzbahnhof Biharkeresztes bringt. Dort fährt eine halbe Stunde später der Zug nach Rumänien.
Wir fahren durch die Crişana, das Kreischland und das Apuseni bzw. Bihar-Gebirge (Westkarpaten).
20140305-213344.jpgKarte: Wikimedia unter CC Attribution Share Alike 3.0 (http://upload.wikimedia.org/wikipedia/commons/f/f5/ROMANIA_Fizic.jpg)
Kohle und Eisenerzwerke, zum Teil verlassen vor sich hin rostend. Kalkfelsen. Flusslandschaften, Schafherden, Pferdekarren. Je nachdem, wohin der Blick schweift, befinde ich mich auf der Reise nach Tripiti oder einer Fahrt durch Industriebrachen.
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Vor jedem Bahnhof steht der Bahnhofvorstand mit seiner roten Schirmmütze und schaut dem durchfahrenden Zug nach. Bilder aus einer lange vergangenen Zeit.
Kreischland und Siebenbürgen (Transsilvanien) wurden bei der Aufteilung Österreich-Ungarns im Vertrag von Trianon nach dem ersten Weltkrieg Rumänien zugeteilt. In einer ethnisch sehr durchmischten und durchmischt besiedelten Gegend hat man versucht, Nationalstaaten zu schaffen.20140305-163651.jpgKarte: Wikipedia, Vertrag von Trianon, CC.
„So, noch etwa eine Stunde“ denke ich als der Zug anhält. Aus dem Augenwinkel sehe ich eine Bahnhofstafel: Cluj-Napoca. Ziemlich schnell packe ich alles zusammen und verlasse den Zug. Die Zeitverschiebung zwischen Ungarn und Rumänien ist mir entgangen.

Der Appartement-Vermieter gibt mir dann noch einen speziellen Rat für das Sightseeing: „Look in the eyes of the people, they are very friendly.“