Guangdong-Museen

Es regnet den ganzen Tag und ist merklich kühler. Museumswetter. Das Guangdong Museum of Modern Art zeigt einerseits chinesische Zeichnungen seit 1900, andererseits die Zeichnungen von etwa 20 zeitgenössischen Künstlern und einer Künstlerin. Beide Ausstellungen zusammen geben einen sehr guten Überblick, wie neue Generationen Traditionen übernehmen, sich von ihnen abgrenzen und sie weiterentwickeln.
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Im Guandong Museum im neuen, architektonisch eindrücklichen Zentrum Guangzhous könnte man sich auch noch viel länger in ein Thema vertiefen. Mich interessiert die Geschichte der Provinz. Sie hatte in der Geschichte Chinas häufig eine Vorreiterrolle, so auch bei der Modernisierung der Schulen anfangs 20. Jahrhundert.
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Alltag und Geschichte

Wir befassen uns heute intensiv mit Alltag, Geschichte und Bildung in China. Von Konfuzius und den Beamtenprüfungen, der Seeroute der Seidenstrasse, den Opiumkriegen und den ungleichen Verträgen, Taiping-Rebellion, Boxeraufstand und dem Ende des Kaiserreiches bis zur Öffnung durch Deng Xiaoping und der heutigen Zeit. Ein sehr spannendes „Seminar“ im Starbucks auf Shamian Island, umrahmt durch Besuche im Guangxio- und dem Six Banyan-Tempel, dem Cheng-Clan-Ahnentempel, Schlendern durch Altstadt, Jademarkt und Fussgängerzone und ziemlich engen Metrofahrten.
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Bayiun

In den Siebziger Jahren habe ich „Bayiun oder die Freundschaftsgesellschaft“ (Rezession bei Amazon) von Adolf Muschg gelesen und war dann etwas später selbst das erste Mal in China. Seither wollte ich diesen Hausberg Guangzhous einmal sehen. Ich fahre mit Metro und Bus zur Talstation des Gondelbähnchens. In den Gärten am Fuss des Berges sind die Geschenke der Partnerstädte Guangzhous ausgestellt. Ein Holzhaus aus Linköpping, ein riesiger Tonkrug aus Frankfurt, eine Skulptur aus Japan. Neben den schönen natürlichen Blumen viele künstliche Arrangements, vor denen sich Chinesinnen und Chinesen mit viel Freude und Charme fotografieren lassen.
Vom Berg aus hat man einen schönen Blick auf die im Dunst liegende Stadt, viele Vögel, Schmetterlinge.
Am Abend sehr gut italienisch essen, der Gerant des Restaurants stammt aus Rom. 20140430-180741.jpg
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Singapur – Guangzhou

Die Studienreiseteilnehmenden reisen Samstagnacht nach Zürich zurück. Christine und ich bleiben zurück und trinken einen Singapore Sling.
Die Zeit am Sonntag bis zum Rückflug nach Guangzhou verbringen wir im National Museum mit seinen ausgezeichneten Galerien zur Ereignis- und Alltagsgeschichte von Singapur.
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In der Wechselausstellung zeigt Sebastāo Salgado seine „Genesis“, Schwarzweissfotografie, von der man ganz benommen wird (vgl. swissinfo).
(Gestern habe ich im Arts and Science-Museum Annie Leibovitz „A Photographers Life“ gesehen, vgl. Perlentaucher. Porträtfotografien und private Fotos, von ihren Anfängen bei „Rolling Stone“ bis zu ihren z.T. sehr aufwendigen Fotografien für „Vanity Fair“. Dazwischen private Fotos, ihre Herkunftsfamilie, Susan Sonntag bis zu ihrem Tod, die Geburt und die ersten Jahre von Leibovitzs Kindern. Singapur bietet kulturell sehr viel, ich könnte gut nochmals ein paar Tage bleiben und nur Museen besuchen (vgl. Perlentaucher)

Spätabends dann Ankunft in Guangzhou, nach einem Anflug über die hell beleuchtete Stadt mit dem ständig die Farben wechselnden Guangzhou-Turm. Wir sind froh, dass wir am Flughafen abgeholt werden.

Studienreise mit der PH Zürich

In den letzten Tagen habe ich auf einem anderen Kanal gebloggt. Die Studienreise mit der PH Zürich war sehr ertragreich, ich habe die Etappen, bei denen ich dabei war (Guangzhou und Singapore) im PH-Blog beschrieben:

20140428-180620.jpgAm Ostersamstag bin ich von Yangshuo über Guilin nach Guangzhuo gereist und habe am Ostersonntag die Kolleginnen und Kollegen der PH, die aus Hongkong kamen, getroffen. Gemeinsam haben wir die Stadt erkundet: Den buddhistischen Guangxio-Tempel, die früher den Ausländern vorbehaltene Insel Shamian und die Altstadt.
20140428-180827.jpgWir konnten einen Besuch in einer der führenden Primarschulen machen
20140428-233126.jpg und wurden dann vom President und den Kolleginnen und Kollegen der South China Normal University begrüsst, die uns ihre Uni und die Lehrpersonenbildung vorstellten.
Interessant war auch der Besuch auf University Island, einer Insel im Pearl-River-Delta. Hier befinden sich 10 Hochschulen mit Wohngebäuden für Dozierende und Studierende und Freizeitmöglichkeiten.
Vor unserer Weiterreise besuchten wir ein schweizerisch-chinesisches Joint Venture: ABB Microunion.
20140428-232746.jpg Anschliessend flogen wir weiter nach Singapur. Zur Einführung und zur Nachbereitung hier ein paar Links zu Singapur und seinem Schulsystem.
Am ersten Tag in Singapur erkundeten wir den Stadtstaat
20140428-233456.jpg Danach folgte eine intensive Auseinandersetzung mit der Lehrpersonenbildung am National Institute of Education:
Zulassungsverfahren
Forschungsorientierung
– Grundausbildung der Lehrerinnen und Lehrer
– Weiterbildung
– das „Alignment“ von Politik – Lehrer/innenbildung und Schulen
– Vorstellungen vom Klassenzimmer der Zukunft
– Literatur über Lehrpersonenbildung als Abschiedsgeschenk
20140428-234227.jpgAm Tag vor unserer Abreise hatten wir Gelegenheit, eine Sekundarschule zu besuchen
Im letzten Eintrag danken wir auch unseren Kolleginnen Christine Bieri und Barbara Nafzger, die diese Reise organisiert und geleitet haben.

Lichter, Verkehr, Yulong

Gestern Abend habe ich auf eindringliche Empfehlung von Shelly, der hier 18 Stunden am Tag die Pension managt und sich sehr um seine Gäste kümmert, die grandiose Show Liu Sanjie gesehen. Das Spektakel zieht jeden Abend Tausende an und beschäftigt sicher Hunderte. Vor der Kulisse der beleuchteten Karstberge gleiten beleuchtete Flosse vorbei, auf denen die Ruderer Volkslieder singen. Liebesgeschichten, Abschied und Wiederkehr, Mythologisches; alles sehr aufwändig und schön inszeniert, jede Szene in eine andere Farbe getaucht. Das Publikum hat zum Klatschen keine Hände frei, weil fast alle die Show auf ihrem Handy aufnehmen.

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An den Verkehr hier gewöhne ich mich langsam. Eigentlich sind die Verkehrsteilnehmenden – wenigstens hier in der Provinzstadt – eher zurückhaltend, die Strassen sind zwar überfüllt mit Gefährten jeglicher Art, aber man schlängelt sich aneinander vorbei. Die stärksten haben Vortritt, unter den gleich starken haben die schnelleren Vortritt. Die Hupe ersetzt Blinker, Rückspiegel und meist auch Bremse. Wenn ich mit dem Velo einen anderen Velofahrer überholen möchte und niemand hupt, kann ich also relativ sicher sein, dass auf der Spur, auf der ich überholen möchte, niemand kommt. Allerdings kommt es selten vor, dass von nirgendwo eine Hupe ertönt, man befindet sich in der Stadt eigentlich immer in einem ohrenbetäubenden Lärm. Für mich mit meinen ungeübten Ohren ist es schwierig zu lokalisieren, von wo der Hupton genau kommt und auch schwierig zu verinnerlichen, warum fast jeder, der mich überholt, auch noch hupt.
Es kommen alle Sinne zum Zug, die Strassen sind staubig und sandig, es wirbelt ständig Sand und Dreck durch die Luft. Die Lastwagen und Busse stossen schwarze Abgaswolken aus. Die Partikel vermischen sich in der subtropischen feucht-warmen Luft mit dem Schweiss, kleben am Körper und machen nach jeder Fahrt eine längere Dusche unabdingbar. (Wobei ich hier in meiner Pension sehr privilegiert bin, in vielen Häusern, an denen ich vorbeikomme, gibt es keine fliessendes Wasser, das Wasser für Körperpflege und Küche wird aus einem Brunnen im Hof hinaufgepumpt, die Wäsche wird am Fluss gewaschen).
Velo fahren ärmere Leute, in Yangshuo auch Touristen. Autos die reicheren. Dann gibt es die Handwerker und Händler mit ihren Kleinlastwagen oder Dreiradfahrzeugen auf Motorrad- oder Velobasis. Zwischenhinein ein Ochsenkarren. Als Familienfahrzeug sind die Elektroroller am verbreitetsten. Häufig sieht man Familien zu dritt oder Mütter oder Väter mit ihnen durch die Stadt fahren, das Baby auf dem Arm, die Zwei- bis Vierjährigen vorne über die Lenkstange gebeugt auf dem Schoss sitzend oder auf dem Bodenbrett stehend. Ältere Kinder sitzen auf dem Sozius oder zwischen den Eltern in der Mitte der Sitzbank. Man fährt nicht allzu schnell, aber sehr dicht hinter- und nebeneinander. Sich nur kurz nicht zu konzentrieren ist nicht möglich. Ich bewundere die Mütter, die gleichzeitig ihr auf dem Roller mitfahrendes Kleinkind beruhigen, zwei Velos überholen, vor einem Lastwagen der entgegenkommt und einem Bus der sich rückwärts in den Verkehr einfädelt ausweichen und überhaupt nicht gestresst wirken.

Nach einer halben Stunde ist dann die Stadt durchquert, ich fahre jetzt dem Yulong entlang, einem schmalen Zufluss des Li. Er ist nur für Bambusflosse befahrbar und eine Flossfahrt gehört zweitens ins touristische Pflichtprogramm und ist erstens vor allem am Morgen sehr schön, wenn es noch etwas ruhiger ist. Ein Flossfahrer lädt mein Velo auf sein Bambusfloss und fährt während etwa einer Stunde über einige kleine Schwellen den Yulong hinunter.
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Ein schöner Abschluss dieser ersten Urlaubsphase. Morgen fliege ich nach Guangzhou, wo ich die Studienreiseteilnehmenden der PH treffe. Meine „Academic Lecture“ an der South China Normal University zum Thema Lehrpersonenbildung in der Schweiz habe ich heute Nachmittag in etwa zusammengestellt.

Ich bin froh, habe ich mir die Zeit genommen, relativ langsam nach Ostasien zu reisen. Ich könnte noch länger in diesem Reisemodus bleiben; vieles aufnehmen, auf mich wirken lassen, mir Zeit nehmen.
Aber ich freue mich auch darauf, mich stärker auf Schulen und Lehrpersonenbildung zu fokussieren. Ich werde aber offen bleiben für anderes am Wegrand. Und weiter Blogbeiträge darüber schreiben. Vermutlich aber nicht mehr täglich.

Velofahren

Frühmorgens beginne ich meine Velotour durch die Karstlandschaft. Kartenlesen ist eine Herausforderung, ich bin froh, dass ich noch Google Maps zu Hilfe nehmen kann, wenn ich allzu unsicher bin.
Zwischen den grünen Hügeln wird vor allem Reis angebaut, z.T. pflügen die Bauern mit Ochsen, z.T. mit Traktoren. Ab und zu kommt eine Ortschaft, wo es Mineralwasser zu kaufen gibt. Ganz allein bin ich nie, überall ist jemand am Wegrand am Arbeiten, ein Elektroroller oder ein Motorrad überholt mich, ein Bauer geht mit Vieh vorbei. Das alles scheint weit weg von der Stadt. Erst gegen Mittag komme ich dann wieder in Gebiete mit Touristenattraktionen: besonders schöne Hügelformationen, vor denen man sich fotografieren lassen kann, Grotten oder ein Park mit einem sehr alten Baum. Hier wimmelt es sofort wieder von Touristenbussen und auch die Fahrradvermietungen laufen gut, Tandems sind besonders beliebt. Ich bin froh, wenigstens einen halben Tag etwas abseits des Trubels geradelt zu sein, Ruhe und Bewegung haben mir gut getan.
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Auf dem Li nach Yangshuo

In meinem Hotel in Guilin sprechen sie an der Reception nur Chinesisch. Es gelingt mir aber, eine Fahrt auf dem Li-Fluss zu buchen. Ein paar Minuten später sitze ich schon in einem Minibus, der Touristen in Hotels einsammelt und zu einem grösseren Tourbus fährt. Mit diesem fahren wir zur Ablegestelle der Boote, die den Li hinunter bis Yangshuo schippern. Es sind Dutzende von grossen Ausflugsschiffen, die diese Strecke jeden Tag zurücklegen und am Abend dann ohne Passagiere gegen den Strom wieder nach Guilin zurückkehren.
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Ich habe immer wieder Fotos und Tuschzeichnungen dieser Karstlandschaft am Fluss mit ihren unzähligen (d.h. etwa 70’000) Spitzen gesehen und wollte diese Gegend schon lange einmal sehen.
Die Flussfahrt ist wirklich beeindruckend, ich verbringe fast die ganzen vier Stunden auf dem Oberdeck. Nur zwischenhinein werden wir zum Mittagsbuffet gerufen. Die sechs Langnasen sind dabei gegen die etwa 100 chinesischen Touristinnen und Touristen völlig chancenlos und finden sich am Schluss der anstehenden Schlange wieder. Roth schreibt in seinem „Leitfaden China“, dass sich Chinesinnen und Chinesen gegenüber Fremdgruppen durch ein stark darwinistisches Verhalten auszeichneten…
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Die Pension Riverside Retreat in Yangshuo liegt auf der anderen Seite des Flusses im Grünen. D.h. etwa 5 km von Yangshao entfernt, einer lauten, lärmigen, quirligen und mit Touristen und Angeboten für sie vollgepferchten Stadt. Ich bin froh, ausserhalb zu sein, finde aber meinen Radius doch etwas klein. Der nette Angestellte empfiehlt, jeweils ein Taxi kommen zu lassen und ich frage, ob es denn keine Fahrräder zu mieten gäbe. Oh doch, natürlich, aber er habe sich nicht getraut, das einem so alten Mann vorzuschlagen. Er organisiert mir ein Mountainbike und ich fahre ein, zwei Stunden eine sehr schöne Strecke dem Fluss entlang. Und danach durch den Stossverkehr in die Pension zurück, mich völlig darwinistisch durch das Gewimmel schlängelnd.
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Stadtentwicklung konkret

Den „Masterplan“ für die Stadtentwicklung habe ich vor drei Tagen als riesiges Modell gesehen. Seine Umsetzung erlebe ich heute in einem Quartier westlich des Zentrums.
In den „alten“, Strassen mit den engen zweigeschossigen Häusern spielt sich viel Leben auf der Strasse ab. Die Wäsche ist entlang dem Trottoirrand und im Hof zum Trocknen aufgehängt. Neben der Wäsche hängen Käfige mit zwitschernden Wellensittichen. Der Wasserverkäufer mit seinen Plasticcontainern und der Altmetallsammler fahren mit ihren Trishaws durch die Strassen und klingeln. Die Läden und Handwerksbuden im Parterre verkaufen alles auf sehr kleinem Raum. Eisenwaren, Mercerieartikel, Baubedarf, Möbel, Fahrräder und Elektroroller, Lebensmittel mit frischem Obst und Gemüse, Haushaltbedarf, Schildkröten. Dazwischen spielen alte Männer Brettspiele. Viele stehen vor den Essbuden an, in denen das Essen frisch zubereitet wird. Gegessen wird an Tischen auf dem Gehsteig oder der Koch packt das Gericht in eine Box und man nimmt es mit nach Hause. Kaum Autos, aber viele Velos und Roller. Alte Leute werden in Rollstühlen geschoben oder am Arm durch die Strassen geführt. Die Kinder sind in der Schule.
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Zwei Strassenzüge weiter hat der Masterplan seine Wirkung bereits entfaltet, ein ganzes Quartier ist plattgewalzt.
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Und nochmals zwei Strassenzüge weiter sieht man, was hier bald auch entstehen wird.
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Der Verlust an Quartierleben, Gemeinschaft und Kultur ist bei solchen Abbruchaktionen immens. Aber schwarz-weiss zu denken, ist auch falsch. Die Bausubstanz in den alten Quartieren ist meist so schlecht, dass an eine Sanierung nicht gedacht werden kann, die hygienischen Verhältnisse sind prekär, alles ist sehr eng – Jungverheiratete müssen häufig bei den Eltern des Mannes wohnen, Privatheit gibt es kaum. Da ist eine Zweizimmerwohnung mit Bad und WC in einem gesichtslosen Hochhaus in der Agglomeration häufig wirklich eine Steigerung der Lebensqualität.

in anderen Quartieren sind gut erhaltene Steinhäuser aus den 1920-er Jahren restauriert und der Zara-Prada-Häagen Dazs-Sushi-Welt übergeben worden, oder es sind sehr hochpreisige „Mansions“ entstanden. In diesem Quartier wohnte früher auch der spätere Premier und wichtige Weggefährte Maos, Tschou En Lai, hier war das Hauptquartier der Kommunistischen Partei und hier fanden nach dem Sieg gegen Japan Verhandlungen zwischen der kommunistischen Partei und der Kuomintang statt. Mit Hilfe der USA, so die Darstellung in der kleinen Ausstellung in diesem Haus, habe die Kuomintang aber die Vorbereitungen zum Bürgerkrieg während der ganzen Verhandlungszeit vorangetrieben. Einen Bürgerkrieg, den sie ja dann verloren und sich nach Taiwan zurückziehen mussten.
Kissinger, der später die Pingpong-Diplomatie China gegenüber eingeleitet hat, äusserte sich sehr bewundernd über Tschou En Lai: „one of the two or three most impressive men I have ever met“ (vgl. zu Tschou En Lai allgemein und zum Zitat PBS). Ich glaube, in seinem „On China“ schreibt Kissinger, Tschou En Lai habe jeweils eine Stimmung wie Sonnenaufgang verbreiten können.
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Der Flughafen Pudong ist mehr als 60 km ausserhalb Shanghais. Ich mache mich also früh auf den Weg. Das wäre nicht nötig gewesen, ich habe nicht damit gerechnet, dass man von der Metro in eine Magnetschwebebahn umsteigen kann, die dann mit Tempo 430 zum Flughafen Pudong hinausrast. Etwas benommen von diesem Tempo checke ich nach Guilin ein. Morgen möchte ich dann weiter nach Yangshuo.
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Suzhou

Der Hochgeschwindigkeitszug braucht 30 – 40 Minuten von Shanghai bis Suzhou. Um ein Billett zu kaufen, brauche ich etwa dreimal so lang. Ausländer können am Billettautomaten kein Bahnbillett kaufen, weil die Maschine ihre ID nicht lesen kann und so nicht weiss, ob sie reiseberechtigt sind. Nach einigem Suchen finde ich dann die Billettschalter, die sich nicht im Bahnhof, sondern etwas abseits in einer benachbarten Strasse befinden. Hier ist alles nur noch chinesisch angeschrieben. Die Langnasen, wie wir offenbar – im Gegensatz zu Schlitzaugen – genannt werden, sind aber in solchen Situationen solidarisch. Neben sehr vielen Chinesinnen und Chinesen hat es im Schalterraum noch zwei Russinnen. Wir tun uns zusammen und stehen an drei verschiedenen Schaltern an, in der Hoffnung, jemand werde den richtigen erwischen. Das ist zwar nicht der Fall, aber ein Schalterbeamter kann schliesslich englisch, hat Mitleid und verkauft uns die Billette.

Suzhou ist einiges älter als Shanghai, es liegt am „Kaiserkanal“, einer 1800 km langen Wasserstrasse vom Norden des Landes zum Yangtsekiang, ungefähr von Beijing nach Hangzhou. Im kaiserlichen China war der Kanal ein wichtiger Handelsweg und von grosser strategischer Bedeutung.
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Suzhou wird Gartenstadt oder auch – nicht sehr originell – „Venedig des Ostens“ genannt. Viele Mandarine hatten hier wunderschöne Gartenanlagen erbaut, die heute zum Weltkulturerbe der UNESCO gehören. Die Stadt ist von vielen Kanälen durchzogen. Einige Kanäle sind in Touristenzonen umgewandelt, an ihnen entlang kann man flanieren, einkaufen, Dumplings essen und Tee trinken. An anderen wird gewohnt wie eh und je. Man wäscht am Kanal die Wäsche und trocknet sie dort, die Toiletten der Quartiere befinden sich am Kanal und z.T. werden die Waren noch auf dem Kanal transportiert.
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Die Schönheit der Stadt hat sich herumgesprochen, die bekanntesten Gärten sind übervoll mit Blumen und sich selbst knipsenden Touristen. Es gibt aber auch kleinere, weniger bekannte Gärten, in denen man durchatmen, am Wasser sitzen und grünen Tee trinken kann. Die chinesische Gartenbaukunst besteht darin, alles so wachsen zu lassen, dass man kaum merkt, wie die Natur sanft in Bahnen gelenkt wird. Ein guter Gartenbauer erreicht Harmonie zwischen Pflanzen, Steinen, Wasser, Bauten und Mobiliar. In solchen Gärten stimmt alles, es ist einem sofort wohl.
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Zurück im Shanghai gehe ich am Abend in einer Nebenstrasse etwas essen. Dreistöckiges, einfaches aber offenbar beliebtes Restaurant mit „Hot Pots“ als Spezialität, wir würden sie Mongolentöpfe nennen. Ich erhalte einen Platz im obersten Stock. Um mich herum hat es drei weitere Tische, die mit Familien oder jungen Paaren besetzt sind. Sie gönnen sich zu viert oder sechst einen Mongolentopf. Friedliche Stimmung, alle rühren mit Stäbchen in ihren Töpfen herum, schwatzen, lachen. Als die erste Familie fertig ist und den Tisch verlässt, kommt eine Gruppe etwa 30- bis 40-jähriger Männer in unseren Stock. Leicht aufgeschwemmte Gesichter, wie man es bei Männern, denen es etwas zu gut geht, häufig sieht. Sie wollen offenbar den ganzen Stock für sich. Und sie beginnen uns rücksichtslos „auszuräuchern“. Alle stecken sich eine Zigarette an, sie sitzen auf die Tischkanten, gehen herum und qualmen drauf los, bis wir alle ruhig werden und unsere Tische räumen. Im ganzen Restaurant wird sonst nicht geraucht. Das Personal unternimmt nichts, ausser, dass es noch hektischer herumschreit als sonst und versucht, es dieser Gruppe so recht wie möglich zu machen. Ich mag falsch liegen, aber für mich sieht die Gruppe stark nach Schutzgelderpressern aus.
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