Chinesische Immigration im 19. Jh. in die USA

Der Besuch im Chinatown-Museum in San Francisco hat mich an einen Besuch in einem Museum in Washington erinnert und er hat mich darauf gebracht, der chinesischen Immigration in die USA und dem Widerstand dagegen im 19. Jahrhundert etwas nachzugehen, d.h. einige Fussnoten dazu zu setzen.

Wenig beachtet sind die – wesentlich auch vom Westen verursachten – „Push-Faktoren“, die zur Immigration geführt haben:

Opiumkriege, Mission und Zusammenbruch der alten Ordnung in China

An der südchinesischen Küste hatte sich seit etwa 1820 ein Konflikt um Opium zusammengebraut. Das Rauschgift wurde in Britisch-Indien produziert und zunehmend statt des früher dafür verwendeten Silbers zur Bezahlung chinesischer Tee-Exporte benutzt. Dem nach Tee durstigen Grossbritannien war es wichtig, seine „Aussenhandelsbilanz“ mit China auszugleichen, das konnte durch die Lieferung von Opium erreicht werden. Die Weigerung der chinesischen Regierung, diese Praxis weiter zu dulden und so seine Bevölkerung der Opiumsucht auszuliefern, wurde unter britischen Diplomaten und Handelsfirmen als willkommener Anlass gesehen, das bis dahin selbstbewusst verschlossene China zur Öffnung seiner Häfen für Ausländer zu zwingen. Dies geschah im britisch-chinesischen Opiumkrieg von 1840-42, dem 1856-60 ein zweiter Krieg folgte.1

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Kriegsszene aus der Taiping-Rebellion. PD Wikimedia

Mit dem Opiumkrieg zusammen hing die Taiping-Rebellion (1850-1864), die eine chinesisch-christliche Sekte im Süden auslöste. Missionare waren seit Jahrhunderten in China tätig, doch sie waren strengen Beschränkungen unterworfen gewesen. Nach dem Opiumkrieg strömten sie in grossen Scharen ins Land. Die Taiping-Rebellen wurden von einem charismatischen chinesischen Mystiker geführt, der behauptete, der jüngere Bruder Jesu zu sein, und einem Gefährten dieses Mannes, der angeblich über telepathische Kräfte verfügte. Sie wollten die Qing stürzen und ein neues «Himmlisches Königreich des Grossen Friedens» errichten. In diesem Reich sollte alles gemäss der bizarren Interpretation importierter missionarischer Schriften durch ihre Führer geregelt werden. Truppen der Taiping-Rebellen gelang es, den Qing-Herrschern die Kontrolle über Nanjing und einen großen Teil von Süd- und Zentralchina zu entreissen und dort eine neue Herrscher-Dynastie zu begründen. Millionen und Abermillionen Menschen fielen ihm zum Opfer. Man schätzt, dass bei der Taiping-Rebellion (und den zusätzlichen Katastrophen des Aufstands der Muslime und der Nian-Erhebung) die Bevölkerungszahl Chinas von 410 Millionen Menschen im Jahr 1850 auf ungefähr 350 Millionen im Jahr 1873 sank.2 Das Elend war gross, Krieg und Hungersnöte zwangen (trotz eines Verbotes durch die chinesische Regierung) viele dazu, in anderen Ländern Arbeit zu suchen.

Goldrausch und Eisenbahnbau

Nachdem viele Chinesen im Goldrausch hart gearbeitet hatten, aber kaum zu Wohlstand gekommen waren, bot sich im Eisenbahnbau für viele ein neues Betätigungfeld. An der Stanford-University läuft ein Projekt, um diese Geschichte nachzuzeichnen. Viele chinesische Arbeiter verloren beim Bau der Transatlantik-Eisenbahn unter härtesten Bedingungen ihr Leben. Eine Ausstellung dazu lief bis April 2016 im Chinatown-Museum in San Francisco.

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Bild Pinterest
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Bild PD, Wikimedia

In der Wirtschaftskrise der 1870-er Jahre wuchs der (wesentlich auch gewerkschaftliche) Widerstand gegen die Konkurrenz der chinesischen Arbeiter erheblich, er führte zu Mob-Einfällen in ihre Siedlungen, dem Niederbrennen ihrer Gewerbe und zu Morden. 1882 wurde dann jede weitere Einwanderung aus China per Bundesgesetz unterbunden.

Die Stimmung dieser Zeit zeigte sich in einer Ausstellung, die anlässlich der 200-Jahr-Feier der USA 1976 von der Smithsonian-Institution organisiert wurde, sehr gut (alle Bilder Ausstellungskatalog). 3

Die antichinesische Stimmung (Chinesen essen Ratten) wurde z.B. in der Werbung für Rattengift aufgenommen, ihr Gewerbe (Wäschereien) musste herhalten um mit dem populären Slogan „The Chinese must go“ für Dampfwaschmaschinen Reklame zu machen:

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Es gab auch Karrikaturen, die die Doppelmoral der Zeit aufnahmen, etwa wenn „Einheimische“, die natürlich alle auch zugewandert sind, einen Chinesen mit dem Argument aufknüpfen, er sei nicht einheimisch…
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… wenn ein wirklich Einheimischer Native American dem Chinesen erklärt, die Weissen hätten wohl Angst, es passiere ihnen das gleiche wie ihm…

chinhatred02oder wenn aus Vorurteilen eine „anti-chinesische Mauer“ gebaut wird.

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Die Stimmung gegen die Zuwanderer (seien diese arme Iren oder Chinesen) überwiegt aber, wobei die „gelbe Gefahr“ als noch gefährlicher eingestuft wird. Am Schluss frisst der Chinese auch den Iren.chinhatred06

40 Jahre liegen zwischen diesen Museumsbesuchen in den USA. Auch wenn sich das Land mit seiner Geschichte befasst: eine ähnliche Stimmung ist heute vielerorts gegen Migrantinnen und Migranten aus Mexiko und Südamerika auszumachen und ähnliche Emotionen gegen Einwanderer werden ja auch in Europa geschürt.

1Osterhammel, Jürgen. 2012. Das 19. Jahrhundert. Informationen zur politischen Bildung. Bonn: Bundeszentrale für politische Bildung, 24.
2Kissinger, Henry. 2011. China. München: Bertelsmann, 78.
3Marzio Peter C. 1976. A Nation of Nations. The People Who Came to America as Seen Through Objects, Prints and Photographs at the Smithsonian Institution. Washington DC: Smithsonian.

Rassismus an der Weltausstellung 1915

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Bild: Chinatown-Museum, San Francisco

1915 fand in San Francisco die Weltausstellung «World’s Fair», die «Panama Pacific International Exposition statt». Mit ihr sollte einerseits die Eröffnung des Panama-Kanals gefeiert, andererseits der Welt gezeigt werden, wie San Francisco nach dem grossen Feuer von 1906 wieder aufgebaut worden war. Die Library of Congress hat einen schönen Werbefilm  «Mabel and Fatty viewing the World’s Fair at San Francisco, Cal.» archiviert, in dem (bei 15:08) auch eine „eiserne Jungfrau“ vorkommt. In der Schweiz ist ein solches Folterinstrument ja auf der Kyburg ausgestellt und sehr bekannt.

Eine Ausstellung im Chinatown-Museum in San Francisco zeigt den alltäglichen Rassismus jener Zeit. Der Fortschrittsglaube und Optimismus des 19. Jahrhundert hatte auch zur Überzeugung geführt, dass die «weisse Rasse» überlegen sei.

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Bilder Chinatown-Museum, San Francisco

SF-Fair_kIm Vergnügungsviertel wurde z.B. «Underground Chinatown» mitsamt einer Opiumhölle mit von chinesischen Drogenhändlern versklavten weissen Frauen gezeigt, Wachsfiguren und Schauspieler sollten bei den Besuchern eine Mischung aus Schauer und erotischer Neugier hervorrufen. Die 1912 ausgerufene Republik China beteiligte sich an der Weltausstellung und hoffte, so Sympathien für den neuen Staat zu gewinnen. Der von ihrer Kommission eingelegte Protest half allerdings nicht, man wollte die beliebte Attraktion nicht verlieren:

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Chinatown-Museum San Francisco

 

Ota Benga und die Negerdörfli

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Ota Benga im Zoo der Bronx (Bild PD, nbo-press )

Dieser Tage hat sich offenbar der Todestag von Ota Benga zum 100. Mal gejährt. Der Kongolese Ota Benga wurde in den USA an einer Messe in St. Louis und im Bronx-Zoo wie ein Tier ausgestellt (siehe Scoop.it). Er musste nach der Darwinschen Theorie als als „Missing Link“ zwischen Tier und Mensch herhalten. Wenig später nahm er sich das Leben. Ann Hornaday, eine Verwandte des damaligen Zoodirektors erzählte seine Geschichte 2009 in der Washington Post.

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Blechpostkarte, die heute noch bei ex libris unter der Rubrik „Originelles“ verkauft wird.

Aussergewöhnlich waren solche Zurschaustellungen von „Negern“ nicht. Rea Brändle hat in ihrem Buch „Wildfremd.hautnah“ Zürcher Völkerschauen und ihre Schauplätze 1835-1964 aufgearbeitet und berichtet darin z.B. auch vom Negerdörfli 1925 auf dem Letzigrund. Tages-Anzeiger und NZZ haben sich beim Erscheinen des Buches der Thematik angenommen .