Pacific Worlds (7) – Samurai, Priester und andere Machthaber

Da es wirtschaftlich auf den pazifischen Inseln nichts zu holen gab, wandte sich die VOC Richtung Japan. Die 100 Jahre von 1540 bis 1640 können als die hundert Schlüsseljahre für die Meere rund um Japan bezeichnet werden. Portugiesische Händler aus Macao, Jesuitenprieser aus Goa, holländische Händler aus Batavia, chinesische und vietnamesische Seefahrer, Tribute aus dem Königreich der Ryukyus, Konflikte um Korea und die spanischen Überfälle auf die Philippinen: all diese Geschichten drehten sich um Austausch zwischen Kulturen, um Aneignung und Abwehr, Vermischung und Verschmelzung. (S. 89)

Vietnam war geteilt zwischen dem Machbereich der Trinh im Norden und der Nguyen im Süden, Nagasaki auf Kyushu wurde zur Eintrittspforte für frühe portugiesische Händler, japanische Piraten griffen immer wieder die Ming-Häfen an, so dass diese schliesslich für japanische Schiffe geschlossen wurden, was wiederum Zwischenhändlern aus anderen Ländern Chancen gab. Die Portugiesen hatten sich im Perlfluss-Delta in China festgesetzt und wurden dort in Macao von den Chinesen offiziell akzeptiert. Bald gelang es ihnen, das Monopol für den Handel zwischen Macao und Nagasaki zu erlangen, sie waren die ersten, die Feuerwaffen in das im Bürgerkrieg liegende Japan brachten.

Kanō school: Southern Barbarians, six-panel folding screen, colours on paper, 16th–17th centuries (Paris, Musée des Arts Asiatiques-Guimet) . Pinterest

Für manche Japaner, die sich von den privilegierten buddhistischen Klöstern unterdrückt sahen, war der Katholizismus durchaus willkommen, 1563 konvertierte der Daimyo Sumitada und konnte so mit portugiesischer Hilfe seine Widersacher fast zwei Jahrzehnte in Schach halten.  Als er sich weiter bedroht fühlte, schenkte er Nagasaki den portugiesischen Jesuiten.

Das Chaos der kämpfenden Reiche in Japan wurde bis 1640 durch die drei aufeinander folgenden Reichseiniger Oda Nobunaga, Toyotomi Hideyoshi und Tokugawa Ieyasu behoben. Toyotomi Hideyoshi verbot die Praktizierung des Katholizismus – einerseits fürchtet er die Jesuiten wegen ihrern Kriegsschiffen, vor allem sah er eine innenpolitische Gefahr, falls Hunderttausende Japaner einem fremden Glauben folgen sollten.

Nach der Einigung wandte sich Hideyoshi Korea zu, wo die seit 1392 die Choson-Dynastie an der Macht war und sich durch die konfuzianische Erziehung und eine funktionierende Bürokratie und Landwirtschaft auszeichnete. Unter König Sejong wurde das Alphabet Hangul geschaffen, das aber von den privilegierten Klassen abgelehnt wurde. Hideyoshi startete den von 1592 – 1598 dauernden Imjin-Krieg und wollte den Einfluss der Ming ersetzen und die Beute an seine Samurai-Armeen verteilen (S. 95). Admiral Yi Sun-shin mit seinen «Schildkrötenbooten» besiegte die japanischen Eindringlinge aber mehrmals, so dass sie schliesslich zum Rückzug gezwungen wurden.  (Vgl. Reiseblogeinträge zu Seoul und die Blogeinträge zur Geschichte Koreas und zu Nagasaki)

Bis heute verehrt: Statuen von König Sejong und Admiral Yi Sun-shin in Seoul.

Auch wenn es Japan nicht gelang, so die Kontrolle über Ostasien zu erlangen, verschleppte es doch ein grosse Anzahl von Töpfern und anderen Kunsthandwerkern nach Japan, wo ein neuer Keramikstil entstand. (Vgl. z.B. Wikipedia en zur Karatsu Keramik). Aus dem kaolinreiche Ton wurde Porzellan gebrannt, das mit kobaltblauen Glasuren versehen zu einem wichtigen und verbreiteten Exportgut wurde.

In die Zeit der Imjin-Kriege file auch die Havarie einer Spanischen Galeone vor der japanischen Küste. Ein Mitglied der Besatzung prahlte damit, die Spanier würden Japan bald einnehmen, was zur Kreuzigung von 26 Christen in Nagasaki führte – sie werden heute noch als Martyrer angesehen.

1609 fiel das Inselkönigreich der Ryukyus unter japanische Dominanz, 1879 würde es als Okinawa ganz Japan einverleibt werden. Vorerst wurde es durch den Satsuma-Clan kontrolliert, entrichtete wegen der guten Handelsmöglichkeiten aber weiterhin auch an China Tribut.

VOC-Porzellan

Weil die VOC im Gegensatz zu Portugal nicht missionieren, wollte, entschied sich das Shogunat, auf Hirado eine holländische Faktorei zuzulassen, die schnell zur Konkurrenz für Portugiesen und Spanier wurde. 1633 und 1639 wurden dann die Sakoku-Edikte erlassen, Japan schloss sich – immer unter Wahrung eines Fensters in die übrige Welt – weitgehend ab, Japaner durften nicht mehr ausreisen und auch nicht mehr nach Japan zurückkehren. Der Handel und ein gewisser Informationsfluss wurde von den nun auf die künstliche Insel Deshima vor Nagasaki eingeschränkten Holländer und die Chinesen, die ebenfalls in Nagasaki ein Stadtviertel zugewiesen bekamen, sichergestellt. Das Christentum wurde blutig ausgemerzt, die Portugiesen zogen sich nach Macao, die Spanier nach Manila zurück.

Pacific Worlds (6) – Gewürze und Monopole

In Europa hatte ein Elite Zugang zu Gewürzen und anderen Luxusgütern wie Seide. Damit liessen sich enorme Gewinne erwirtschaften und der Handel war entsprechend heftig umkämpft. Portugal strebte das Monopol an, wurde aber in diesem Bestreben von den Sultanen bekämpft, immer wieder zurückgeworfen und verlor zunehmend an Einfluss.

1596 segelten die ersten niederländischen Schiffe nach Java, man begann mit Holz, Kaffee und Indigo zu handeln und plante, bald auch Einfluss auf die Gewürzinseln zu nehmen. 1602 wurde die VOC, die vereinigte niederländischen Ostindienkompanie gegründet, die von der holländischen Regierung mit dem Handelsmonopol und weitestgehenden politischen und militärischen Rechten ausgestattet wurde.

Mit Batavia, dem heutigen Jakarta entstand das südostasiatische Zentrum der VOC, das auch Drehscheibe für indische und chinesischen Händler wurde. Die VOC verteidigte ihre Interessen, in dem sie wenn nötig mit Söldnern sowohl die Sultane wie rivalisierende Europäer angriff. Grossbritannien, ebenfalls ein neuer Akteur in dieser Region tauschte in einem Vertrag das Monopol auf den Gewürzinseln gegen Neu-Amsterdam, das heutige Manhattan ein.

Das nun in den Händen der VOC liegende Monopol war begleitet von einem Massaker an 15000 Einwohnern Bandas und von tödlichem ökologischem Imperialismus: Die Inselbewohner wurden gezwungen, die für ihre Ernährung lebenswichtigen Sago-Palmen zu fällen, damit Gewürzbäume gepflanzt werden konnten – viel starben an Hunger. (S. 78) Die VOC konnte ihr Monopol bis 1800 halten und wachte darüber, dass z.B. nur Muskatnüsse ausgeführt wurden, die so präpariert waren, dass keine Samen in andere Gebiete gelangen konnten. Auch gegen Kapitäne aus anderen Nationen, die es wagten, das Monopol in Frage zu stellen, ging man rigoros vor.

In Batavia entstand eine Mischkultur, ein Kreuzungspunkt von Kulturen. Nach dem Massaker an den Chinesen wurden diese allerdings gezwungen, ausserhalb der Stadtmauern zu leben.

Batavia 1682 :Kreuzungspunkt der Kulturen (Spinnhaus für alleinstehende Frauen) (Universität Heidelberg)

 

Trotz der klaren Dominanz der VOC gab es immer wieder von den Sultanaten ausgehende Aufstände gegen die Holländer.

Auch holländische Schiffe umrundeten Südamerika und überquerten den Pazifik, wo sie z.B. Kontakt mit dem Königtum von Tonga hatten, aber keine Handelsinteressen ausmachten. Man war auf Gewürze und Seide fixiert.

Die Suche nach dem «grossen südlichen Kontinent» war immer noch nicht abgeschlossen. Man nahm an, er müsse existieren, um die Erde im Gleichgewicht zu halten. Zwischen 1642 und 1644 wurde er z.B. von Abel Janszoon Tasman gesucht, der nicht nur zum später nach ihm benannte Tasmanien segelte, sondern auch Kontakt mit Aotearoa (Neuseeland) und den Salamon-Inseln hatte. Die Maori, die aus Ost-Polynesien in Aotearoa eingewandert waren, hatten ein hoch stratifizierte Gesellschaft mit starken politischen und religiösen Führern. Götter, Helden und Vorfahren spielten eine wichtige Rolle im Alltag. Handelsmöglichkeiten ergaben sich aber kaum und der grosse südliche Kontinent war immer noch nicht gefunden.

G.F. Angas 1847: The New Zealanders, Implements and Domestic Economy. (The University of Auckland. )

Pacific Worlds (5) – Begegnungen im spanischen See

Die Besatzung der Eintracht von Willem Schouten und Jacob le Maire missversteht 1616 das Interesse der Inselbewohner bei Tafahia. (Wikipedia fr)

Die zyklischen Winde, nach dem Christuskind El Niño genannt, ermöglichten von Asien nach Amerika zu segeln, sie brachten je nach Stärke aber auch immer verheerende Klimaveränderungen mit Hunger auf den pazifischen Inseln, wenn Fischpopulationen sich verlagerten mit sich (S. 64). Der Galeonen-Handel wurde durch das spanische Imperium ermöglicht, das Silberminen in Peru und Mexico umfasste. Peru und Mexiko waren die Stützpunkte für die spanische Expansion in den Pazifik, dabei fanden Begegnungen auf den – nach König Salamon benannten – Salomoninseln und den – nach dem Vizekönig in Peru benannten – Marquesas statt. Beide Seiten versuchten bei solchen Begegnungen, die andere irgendwie einzuordnen, als verlorenes biblisches Volk, primitive Überlebende eines versunkenen Kontinents oder als Feinde von anderen Inseln oder zurückkehrende Vorfahren. Vorerst überlappten die beiden Welten nicht. Die heiligen Mächte der Inselbewohner und die katholische Mission der Spanier prallten aber bald aufeinander.

Beide Seiten sollten bald auch an Krankheiten sterben, gegen die sie keinerlei Abwehrstoffe entwickelt hatten: Malaria, Gelbfieber, Grippe, Masern, Pocken usw.

Auf anderen Inseln im heutigen Vanuatu wurde den Spaniern die Landung verweigert – später sollten sie für die Missionsbemühungen von verschiedenen christlichen Religionszweigen sehr empfänglich sein.

Hawai’i wurde interessanterweise von den Europäern noch nicht berührt. Die Machtverhältnisse in Europa änderten sich 1580 mit der Union von Spanien und Portugal und 1588 mit dem Desaster, das ihre Armada gegen England und Holland erlitt. Diese Seeschlacht war auch der Wendepunkt bezüglich Einfluss im Pazifik und Südostasien und der Beginn des Niederganges des spanischen Einflusses im Pazifik, der damals noch ein «spanischer See» war.

Begegnung auf den Marquesas. The great navigotors of the 18th century. (Projekt Gutenberg)

Pacific Worlds (4) – Iberische Ambitionen

Die Ming-Kaiser schauten wieder Richtung Festland, wo die Grenzen ihres Reiches in Gefahr waren. Auch die pazifische Welt wurde wieder kleinräumiger. Die Inselgruppen wurden autarker, die kulturellen und sprachlichen Unterschiede grösser. Die Zeit der transozeanischen Doppelhüllen-Kanus der Tonganer und Fidschianer war vorbei. (S. 50)

Im mittelalterlichen Europa konnte mit Gewürze wie Nelken, Pfeffer, Muskat enormer Gewinn gemacht werden, der Handel vollzog sich entlang der alten Seidenstrasse und wurde durch chinesische, indische, arabische Händler dominiert. Grund für die iberischen Mächte, alternative Wege für «Christus und Gewürze» zu finden. Im Vertrag von Tordesillas hatte der Papst die nicht-christliche Welt in einen spanischen und einen portugiesischen Teil aufgeteilt, der Weg der Portugiesen nach Osten stand aus ihrer Sicht offen.

Verträge von Tordessillas und Saragossa (Gayle Olson-Raymer)

Vasco da Gama kehrte von seiner ersten Reise mit Beweisen des Reichtums Indiens nach Lissabon zurück und wurde 1502 auf eine zweite geschickt, der weitere portugiesische Seefahrten bis Malakka folgten, während denen gemordet und gebrandschatzt und schliesslich 1511 durch Albuquerque das durch interne Machtkämpfe geschwächte Malakka erobert wurde. Es sollte 150 Jahre unter portugiesischer Kontrolle bleiben.

Gedächtnismünze, Portugal 1995. (Numista)

Auf den durch muslimische Händler dominierten Gewürzhandel (der schon in römischen Zeiten existierte) hatte der Stadtstaat Venedig in Europa weitgehend das Monopol. Portugal wollte dieses Monopol durch die Route um Afrika herum nun umschiffen. 1512 gelang es Serrão bis auf die Molukken vorzustossen.

Einige Jahre später überquerte der westwärts segelnde Magellan im Auftrag der spanischen Krone als erster Europäer den Pazifik – Jahrhunderte von Handel, Sklaverei, kulturellem Austausch und politischem Konflikt begannen. Nach der Durchquerung der heute seinen Namen tragenden Strasse, erreichten seine verbleibenden Schiffe ein grosses, ruhiges Meer, das er deshalb «Pazifik» nannte.

Ortelius-Karte von 1589 mit dem Flaggschiff Maggelans (die erste gedruckte Karte, die den Pazifik zeigt) (PD Wikimedia)

 

Magellan erreichte die heutigen Philippinen und wurde dort bei einem Konflikt zwischen einheimischen Stämmen getötet.

50 Jahre später kehrten die Spanier unter Miguel Lopez de Legazpi, von Mexiko aus auf der selben Route auf die Philippinen zurück (S. 59).

Mit Manila entstand eine Hafen- und Handelsstadt, in der bald eine Verflechtung von malaiischer, muslimischer und chinesischer Kultur vorherrschte. Chinesen aus Fujian und Kanton heirateten einheimische oder malaiische Frauen, die asiatischen und Mestizen-Gemeinschaften hatten Einfluss auf Wirtschaft und Kultur.

Kultur und Reichtum Manilas wurde ab 1565 wurde durch den Galeonen-Handel ermöglicht. Dank der El Niño-Winde konnten spanische Galeonen die «Volta» nach Mexiko segeln, wo in Acapulco Silber für den Handel mit China verladen wurde.

Mit den spanischen und portugiesischen Eroberungen ging immer eine katholische Mission einher, gegen sie wurde auf vielen philippinischen Inseln durch muslimische Kämpfer starker Widerstand geleistet.

Pacific Worlds (3) – Meerengen, Sultane und Schatzflotten

3) Meerengen, Sultane und Schatzflotten

Malakka an der gleichnamigen Strasse von Malakka entwickelte sich zu einer reichen und mächtigen Stadt; durch die Strasse von Malakka musste praktisch der ganze Handelsverkehr passieren: Schiffe mit Gewürzen von den Molukken, Gold aus Sumatra, Sandalholz aus Timor, Porzellan und Seide aus China, Webstoffe aus Gujarat und Koromandel in Indien. Die Stadt war um 1400 vom Srivijaya-Hindu-Prinz Paramesara gegründet worden, der auf der Flucht vor dem Majapahit-Imperium war.

Der bald entstehende Reichtum und die gute Lage zogen indische und chinesische Händler, Hindu-Gelehrte, javanische Künstler an. Hier kreuzten sich Buddhismus, Hinduismus Konfuziansmus und der Islam, der seit. 1526 unter den Moguln Südasien dominierte (S. 38).

Die Reisen des Abû Zayd (hier auf dem Euphrat), ein auch bei Matsuda aufgeführtes Beispiel für die Mobilität des Islam (© BnF, département des Manuscrits, arabe 6094, f. 68)

Die Nordküste Sumatras wurde von Muslimen aus Gujarat besiedelt, Ende des 15. Jahrhunderts übernahm der Herrscher Malakkas, der seinen Namen zu Iskandar Shah änderte, den islamischen Glauben. Von hier aus entstanden weitere Hafenstädte, die Küstensultanate. Ausser dem Inselstaat Bali, der hinduistisch blieb, war bald der ganze indonesische Archipel muslimisch geprägt. Teil seiner Anziehungskraft machte der Status der Muslime aus, Glauben, urbanes Leben und Wohlstand wurden eng mit dem Islam gekoppelt.

Auch der chinesische Admiral Zheng He, der mit einer gigantischen «Schatzflotte» Tribut im ganzen indischen Ozean bis an die Küste Afrikas einforderte, war Muslim. Durch Mitglieder seiner Flotte wurden koloniale Siedlungen gegründet, sie legten den Grundstein der chinesischen Bevölkerung Südostasiens und heirateten oft einheimische Frauen.

Zheng Hes Schiffe (im Vergleich die „Pinta“ von Kolumbus, Bild: Ships on Stamps)

Auch nachdem die Ming-Kaiser und ihre konfuzianischen Beamten eine Flotte nicht mehr für lohnenswert ansahen und sich vermehrt um die Grenzen im Landesinnern kümmern mussten, prägten diese Siedlungen die Geschichte Südostasiens weiter. (S. 47)

Pacific Worlds (2) Handelsringe und Imperien in den Fluten

2) Handelsringe und Imperien in den Fluten

Auf der Suche nach Nahrung und Unterschlupf reisten die Clans regelmässig von Insel zu Insel, sie sammelten Vogel- und Schildkröteneier, schnitten Pandanus-Blätter, fingen in Korallenriffen Fische und sammelten Kokosnüsse.  Es entstanden Handelsringe, in denen man Kokosnüsse und Gewobenes tauschte und sich gegenseitig dabei unterstützte, Stürme und Dürren zu überleben.

Nan Madol (Bild Wikipedia)

Handelsringe dienten aber auch politischen und spirituellen Zwecken, Häuptlingen wurde Tribut bezahlt. Auf Yap entstand ein zeremonielles Zentrum der Mächtigen, mit Steinterassen, Plattformen mit Wohnungen, Obstgärten und Feldern für Taro-Anbau. Entlang der Küste von Pohnpei breitete sich das spirituelle und megalithische Zentrum Nan Madol aus. Von hier aus herrschten laut Legende 1000 Adlige der Saudeleur-Dynastie. (S. 24)

Auch Tongatapu, das oft mit Stonehenge verglichen wird, zeugt von alten Zivilisationen.

Die Tonga-Inseln waren ebenfalls Zentrum eines «Imperiums» oder zumindest eines starken Handels- und Tributnetzwerks. Staatsoberhaupt war der Tu’i Tonga, der einem grossen königlichen Hof vorstand. Die Gesellschaft war stark stratifiziert, es gab zeremonielle Begleiter, Kriegsgefangene, Familienangehörige von niedrigem Rang und spezialisierte Handwerker wie Fischer, Schnitzer und Seefahrer. (S. 26) Der Handel, v.a. mit Fidji und Samoa war intensiv. Wie andere ozeanische Netzwerke war der Handel mit politischen Allianzen und Verwandtschaftsbeziehungen verknüpft. Mitglieder der Herrscherfamilien heirateten untereinander, was zu Abhängigkeiten und z.B. auch zum Aufstieg legendärer Herrscherinnen führt. Die bekannteste ist wohl Salamasina, die im späten 15. Jahrhundert alle samoanischen Inseln unter ihrer Herrschaft vereinte und wegen des 40 Jahre währenden Friedens verehrt wird (s. 28).

In Südostasien unterwarf China Korea und Vietnam, die Seidenstrasse florierte. Hinduismus und Buddhismus reisten mit Händlern und Mönchen, die arabische Halbinsel, Indien und Südostasien waren aber auch über das Wasser verbunden.

Der Handel aus den Gewürzinsel war weitgehend von indischen Händlern kontrolliert und auch die malaiischen Königtümer waren weit stärker von Indien als von China beeinflusst.

Mit dem Srivijaya-Imperium, deren dynamisches buddhistisches Zentrum bei Palembang auf Sumatra lag, flossen Buddhismus und Politik zusammen. Die Strasse von Malakka, zentral für die Handelsrouten wurde von hier aus kontrolliert, mit dem Handel ging auch ein Wissenstransfer einher.

Borobudur (Bild Gunawan Kartapranata, CC BY-SA 3.0)

Der Borobudur auf Java ist bis heute eindückliches Monument die Srivijaya-Kultur.

Den Mongolen unter Kublai Khan gelang die Invasion Javas nicht (wie sie auch nicht in Japan Fuss fassen konnten), auf Java wurde die Majapahit-Dynastie gegründet. Indonesien führt seinen Staat und seine territorialen Ansprüche bis heute auf das Majapahit-Imperium zurück.

Als Kultur einer Elite verbreitete sich der Islam entlang der Handelsrouten.

 

Pacific Worlds (1)

Bilder: Matsuda referiert unter den Bildern von Epeli Hau‘Ofa (1939 – 2009) und Teresia Teaiwa (1968-2017), Monographie Matsudas,  Alliance of Small Island States (ebenfalls von Matsuda gezeigt)

Die Applied History Lecture an der Uni Zürich «The Pacific and the Modern World” wurde im Dezember 2017 von Matt Matsuda (Rutgers University) eröffnet. Er gab einen reich bebilderten, beeindruckenden Überblick über die Geschichte des anderen Drittels der Welt, die Geschichte des Pazifiks. Und er gab mir Anlass, mich an meine Geschichte mit dem Pazifik zu erinnern.

Meine Geschichte und der Pazifik

Wenn ich an den Pazifik denke, so denke ich an den 6.6.66. Das Datum ist mir in Erinnerung, weil unsere Familie damals Erdbeerenkonfitüre einmachte, und ich als 11jähriger die Etiketten beschriftete. Konfitüre machen war eine schöne gemeinsame Arbeit und es war eine Herausforderung, die Konfitüre zu probieren, ohne sich die Zunge zu verbrennen. Am Vorabend hatte ich damit begonnen, Thor Heyerdahls «Kon Tiki» zu lesen. Das Buch fesselte mich sofort – und während ein Pfanne voller Konfitüre kochte und es weiter nichts zu tun gab, legte ich mich jeweils rasch aufs Bett und las weiter. Die Beschreibung von Heyerdahls Forschungsreise, mit der er zeigen wollte, dass die pazifischen Inseln von Südamerika her besiedelt worden waren, die Abenteuer auf dem selbstgebauten Floss, die Schwarzweissfotos faszinierten mich so, dass ich mich auch mehr als 50 Jahre später noch daran erinnere.

1974 sah ich «den Pazifik» dann von San Francisco aus das erste Mal. Robben, Brandung, Weite.

Beim Stichwort Pazifik denke ich auch an 1980, als ich mit einem Jumbo Jet voller japanischer Hochzeitspaare von Osaka nach Guam flog und dann als Passagier der stolzen Air Nauru weiter über Nauru nach Tarawa in Kiribati. Später besuchte ich die Fidji-Inseln und Apia und Pago Pago auf Samoa. Ich erinnere mich an das – heute versinkende – Tarawa-Atoll, die Bootsfahrten und Wanderungen, die Gespräche über Banaba. Ich denke an ein Holzpferdchen aus Japan, das ich einer alten Einwohnerin schenkte, weil ich nichts anderes dabei hatte – ich ärgerte mich lange über meine mangelnde Sensibilität; der von Japan begonnene pazifische Krieg hatte ja enormes Leid über ihre Generation gebracht. Sie hat das Pferdchen aber ohne weitere Regung entgegengenommen.

Te Whare Rūnanga (Meeting House), Bay of Islands. Bild: Waitingi Treaty Grounds

Viele Jahre später, 2004 besuchten wir mit unserer Familie die Bay of Island in Aotearoa Neuseeland, wo der Vertrag von Waitingi abgeschlossen wurde und die wir 2004 mit unserer Familie besuchten. Der Pazifik war mir sofort wieder nahe.

Ich habe das Wasser des Pazifiks nicht im Blut, aber bei der Lektüre von Matt Matsudas Buch hörte ich seine Wellen wieder rauschen.

We sweat and cry salt water, so we know that the Ocean is really in our blood – Teresia Teaiwa

«Pacific Worlds – A History of Seas, People and Cultures»

Ich orientiere mich im Folgenden an Matt Matsudas Ausführungen während der Vorlesung und vor allem an seiner eindrucksvollen Monographie  «Pacific Worlds – A History of Seas, People and Cultures» (Cambridge University Press, 2012), Positionsangaben aus dem Kindle-e-Book.

Der Pazifik lässt sich nicht als enorme Weite beschreiben, eher als «Assemblage» von Elementen: Siedlungen, Unterbrechungen, Verbindungen, Navigation, Migration. Epeli Hau’ofa hat den Ausdruck  «Sea of Islands» geprägt.

Die drei Regionen, Melanesien, Mikronesien und Polynesien und das maritime Südostasien wurden als Kulturräume von Europäern definiert, was zu Stereotypisierungen führt und das Translokale, Verflochtene, Verbindende zu wenig zur Geltung bringt.

Maritimes Südostasien, Mikronesien, Melanesien, Polynesien (S. 4)
1) Zivilisation ohne Zentrum

Während des glazialen Maximums im Pleistozän, als das Polareis viel mehr Fläche einnahm, war die Meereshöhe entsprechend niedriger, der Planet verfügte über mehr Landfläche. Wo heute Inseln sind, gab es Landbrücken, die die damaligen Migrationsbewegungen in die pazifische Region begünstigten.

Immer wieder werden Reste von Siedlungen entdeckt, die heute weit unter dem Meeresspiegel liegen.

Der – heute von Menschen verursachte – klimatische Wandel drängt die Menschen weiter zu Migration.

2006 mussten die Einwohner der Tegua-Inseln auf Vanuatu umgesiedelt werden, heute wird das Tarawa-Atoll nur noch durch ständige Sandaufschüttungen vor dem Untergang bewahrt.

Innerhalb der Lebenszeit der heute lebenden Generationen könnte die Heimat der Bewohner von Vanuatu, der Marshall-Inseln, Tuvalu, Kiribati und der Küstengebiete Papua Neuguineas im Meer versinken. (S. 13)

Sandsäcke zwischen Bairiki und Betio, Tarawa-Atoll. Bild aus einer eindrücklichen Fotoserie Vpm „Die Zeit“: Kiribati: Ein Südsee-Paradies versinkt (© 2013)

Grosse Migrationsbewegungen fanden um 4000 v.Chr. statt, als die Vorfahren der Chinesen entlang dem Gelben Fluss expandierten und einzelne Gruppen auf der koreanischen Halbinsel und auf der japanischen Hauptinsel Honshu zu siedeln begannen. Um 3000 v. Chr. migrierten Sammler, Fallensteller und Bauern mit Flossen aus dem heutigen China und Taiwan Richtung südostasiatische Inseln und bis auf die Korallenatolle Ozeaniens. Bewohnerinnen und Bewohner von den Osterinseln bis nach Madagaskar haben auf Grund solcher Migrationen gemeinsame «austronesische» Vorfahren. In dieser durch Wasser verbundenen Welt ist das Boot zentral, bis heute sind in vielen Sprachen die Begriffe für «Boot», «Sarg» und «kleinste politische Einheit» identisch.

Kultureller Lapita-Komplex, (S.19)

In der heutigen Region der melanesischen Inseln bildete sich durch wechselseitige Heiraten  ein  «kultureller Komplex» aus, der nach dem Keramikstil «Lapita» genannt wurde- Auf Grund von Funden von Lapita-Keramik kann man davon ausgehen, dass ein reger Austausch zwischen den Inseln herrschte.

Lapita-Töpferei (Te Ara – The Encyclopedia of New Zealand)