Von Konkurrenzorientierung zu „Individual Happiness“

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Das lange Wochenende geht dem Ende entgegen und alle müssen zurück nach Seoul. Alle KTX-Expresszüge sind ausgebucht, das habe ich schon vorgestern am Bahnhof erfahren. Platz habe ich nur noch in einem Kinowagen bekommen. Also: einsteigen, absitzen und dann werden sämtliche Fenster völlig verdunkelt, in der Mitte des Wagens wird eine Leinwand runtergelassen und der Film, dessen Länge ziemlich genau der Fahrzeit entspricht, beginnt.
Anstatt der schönen koreanischen Berglandschaft sehe ich also „The Trials of Cate McCall“.

Im Hotel in Seoul bereite ich mich auf die kommende Woche vor und vertiefe mich etwas ins koreanische Bildungssystem.
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Das Bildungsministerium legt eine informative Broschüre (ZIP) vor (Screenshots aus dieser Broschüre), in der auch die Beziehung zwischen ökonomischem Erfolg Südkoreas und Bildung dargestellt wird. Nur wegen des „Bildungsfiebers“, das es in Korea schon mehr als 700 Jahre gebe, sei es möglich gewesen, Südkorea so schnell aus den Ruinen des Koreakriegs aufzubauen.
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S. 2
Die Verschiebung vom ersten und zweiten zum dritten Sektor hat sich etwa gleich vollzogen wie in der Schweiz. Interessant, dass in Südkorea aber andere Schlüsse bezüglich Schulsystem gezogen wurden. Der Mittelschulbesuch wurde auf über 90% forciert. Der Besuch von Colleges und Universitäten lag 1980 noch bei 27.2%, 2012 bei 72%.
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S. 12
Die „Education for Creativity, High Tech and Quality“, für die wissensbasierte Gesellschaft wird also nicht mit einem dualen System angestrebt, sondern es wird zu einem sehr hohen Prozentsatz auf tertiäre Bildung in Higher Education Institutions (HEI) gesetzt. 80% dieser HEI sind privat.
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S.12
Entsprechend gross ist der Konkurrenzkampf, um an eine möglichst gute Universität, wenn möglich eine National University aufgenommen zu werden. Das Nadelöhr dabei ist der CSAT (College Scholastic Abilities Test), den praktisch alle Schülerinnen und Schüler der High Schools am Ende ihrer Schulzeit absolvieren. Ein Test, der das weitere Leben bestimmt (vgl. South China Morning Post). Er wird zentral durch das Korea Institute of Curriculum and Evaluation, KICE bereitgestellt.
Ein solcher Prüfungstag sieht dann folgendermassen aus:
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Aus der Broschüre „Education in Korea“ des KICE (PDF), S. 96
Das ganze Bildungssystem war bis jetzt wesentlich auf diesen Test ausgerichtet, der private Nachhilfesektor boomte, Schülerinnen und Schüler in der High School hatten praktisch keine Freizeit mehr.
Trotz der guten Resultate in internationalen Vergleichstests wie PISA und TIMSS, ist man auch in Korea der Auffassung, die unerwünschten Nebeneffekte des Tests wie Abwertung des „normalen“ Unterrichts zugunsten der Testvorbereitungen in der privaten Nachhilfe, Depressionen und Suizide, hohe Verschuldung der Eltern für Nachhilfe usw. seien zu gross. Ab diesem Jahr soll ein neuer CSAT eingeführt werden, der sich am neuen Curriculum orientiert und auf den man sich während der Schulzeit und mit Selbststudium mit Hilfe von z.B. Schulfernsehen vorbereiten können soll.
So hofft man, die Ziele des neuen Curriculums besser erreichen zu können. Ein wichtiges ist „individual happiness“.

Die Selbstkritik in einer Broschüre eines Ministeriums finde ich nicht selbstverständlich:
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S. 20f.