Kunstmuseen, Ballett, Hochschulen

Der Novosibirsker Morgen ist grau in grau. Lisa macht Blinis, erzählt von der Ukraine, aus der sie kommt und wo Bruder und Eltern noch leben. Ausser Galizien, das früher zu Österreich-Ungarn gehörte, habe das Land praktisch die gleiche Kultur und Sprache wie Russland. Da gebe es keine Unterschiede. Was sich abspiele, sei ein Machtkampf der Eliten. Als Julia Timoschenko inhaftiert wurde, habe ihr das damals Leid getan, aber falls Julia die Wahlen gewonnen hätte, hätte sie einfach die Gegenseite unter Arrest gesetzt. Mit den Einwohnern des Landes habe dieser Konflikt herzlich wenig zu tun. Die hätten wirtschaftliche Probleme, weil diejenigen, die gerade am Ruder seien, ohnehin nur für sich schauten.
Dann balanciere ich zwischen Eisfeldern, Matsch und riesigen Dreckpfützen ins Zentrum. Wer etwas gebrechlich ist, kann sich hier im öffentlichen Raum nicht bewegen, auch wegen der vielen Treppen, hart schliessenden Türen zu den Metrostationen, wegen ihrer Höhe nicht überwindbaren Einstiege in die Eisenbahnwagen.
Die Museen öffnen erst um elf, vorher lese ich in einem der vielen – und teuren – Kaffees mit WiFi über das Bildungssystem – so ganz den Durchblick habe ich noch nicht.
Das Kunstmuseum ist gut bestückt mit russischen Gemälden, von Ikonen bis in die heutige Zeit. Es gibt viele Parallelen zu den westeuropäisch-amerikanischen Epochen und auch Zeitabschnitte mit kulturraumspezifischen Stilen. Gemeinsamkeiten und Unterschiede sind auch historisch interessant. 20140329-140724.jpg20140329-140947.jpg
Roerich ist wieder gut vertreten, er sei ein rechter Gauner gewesen, meint Lisa und erst noch Vegetarier.
Die verschiedenen Kulturabteilungen der Botschaften unterstützen ebenfalls Ausstellungen. Im Moment finanziert Israel eine Ausstellung mit Grafiken des Holocaust-Überlebenden und durch den Film „Schindlers Liste“ bekannt gewordenen Joseph Baum (Nachruf im Guardian). Österreich bringt eine Ausstellung über die Malerin Hermine Kracher, die den Seewinkel im Grenzgebiet zwischen Oesterreich und Ungarn malt, eigentlich die erste zentralasiatische Steppe.
20140329-141145.jpgAm späteren Nachmittag hellt es etwas auf, das Lenindenkmal vor dem Wahrzeichen der Stadt, dem staatlichen Theater für Oper und Ballett sieht freundlicher aus. Ich besuche den Zentralmarkt, unzählige Händler verkaufen hier an fest installierten Ständen und in kleinen Butiken alles. Die sehr vielen Fruchtstände und Stände mit getrockneten Früchten geben dem Markt eine sehr farbige Note.
In der Nähe liegt auch die Dreifaltigkeitskirche.20140329-141557.jpg
Am frühen Abend gehe ich ins staatliche Theater für Oper und Ballett, um dieses grösste Theater Russlands, auf das alle stolz sind, auch von innen zu sehen. Das Theater wurde knapp vor dem zweiten Weltkrieg gebaut, es diente zunächst der Aufbewahrung all der aus Moskau evakuierten Kulturgüter und wurde als Theater deshalb erst 1945 eröffnet: Junona und Avos, eine Art Rockballett aus den frühen 1980-er Jahren: ein russischer Hochseekapitän, der in Kalifornien 35 Jahre lang eine Geliebte sitzen lässt, bis sie schliesslich Nonne wird. Eine eindrucksvolle Choreographie mit viel Kerzen und Farben, soweit ich das beurteilen kann auch gut getanzt. Die Zuschauer, auch die vielen Schülerinnen und Schüler haben sich alle schön angezogen und freuen sich, im Theater zu sein.
Bevor das Taxi mich abholt, sitze ich nochmals mit Lisa und Ivan zusammen. Ivan hat meinen Blogeintrag über das Bildungssystem gelesen, wo ich auch eine Bemerkung über die Gefahr von korruptionsnahen Praktiken bei Wiederholungsprüfungen gemacht habe. Ich habe mich dabei an einen Beitrag in den von der Uni Bremen publizierten Russlandanalysen (PDF) erinnert, den ich heute Morgen im Kaffee runtergeladen habe. Ivan betont, dass er während seiner ganzen Zeit als Student nie so etwas erlebt und auch nie davon gehört habe. An den Unis, die er kenne, komme das nicht vor. Es sei ein Problem, dass durch solche Berichte russische Studienabschlüsse im Westen abgewertet würden. In Unternehmerforen im Internet würde z.B. vor Doppelabschlüssen gewarnt, obwohl ein Doppelabschluss für Studierende eine enorme Anforderung bedeute. Lisa meint, sie möchte nicht zurück ins sowjetische System, aber damals sei es eindeutig gewesen, dass nur die leistungsmässig sehr guten Schülerinnen und Schüler einen Studienplatz bekommen hätten. Unterdessen sei der Studienzugang ja auch mit weniger guten Leistungen und dem Bezahlen von Studiengebühren möglich. Einige solche Studierenden hätten dann z.B. null Interesse, eine Fremdsprache zu lernen, wie es das Curriculum für die ersten beiden Studienjahre vorsehe. Ihr habe auch darum – und wegen der ganzen Bürokratie (kommt mir irgendwie bekannt vor…) – das Unterrichten an der Uni keinen Spass mehr gemacht. Ein Problem ist sicher die sehr hohe Studienquote (die beiden schätzen etwa 80% eines Jahrgangs). Ein duales Berufsbildungssystem kennt man wenig. Ausnahmen sind längere Praktika während der Masterphase oder die „Mittelhochschulen“, die auch mit praktischer Arbeit gekoppelt sind.
Aber Ivan hat sicher Recht. Ich nehme mir vor, vorsichtiger zu sein mit solchen Aussagen. Pauschalisierungen, die man (d.h. auch ich) halt gerne vornimmt, um sich in einem unbekannten System zurecht zu finden, führen auf Abwege und können diskreditierende Wirkungen haben.
Kurz nach 22 Uhr klingelt der Fahrer und bringt mich zum Bahnhof. Zug 12, Wagen 7, Liege 13. Zwei Nächte wird die Fahrt nach Irkutsk dauern. Ich tausche Lisas Stube nicht so gern gegen meinen Nachtzug. 20140329-142548.jpg

Bildung in Kasachstan

Vor meiner Abreise nach Russland versuche ich, mir einen Überblick über das kasachische Bildungssystem zu verschaffen. Einen Überblick geben das Osteuropa-Asienportal oder die kasachische Botschaft in Berlin.
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Ein Artikel in der Zeit entspricht allerdings eher den Eindrücken, die ich heute habe. Es ist zwar tatsächlich ein Anliegen des Regimes, Bildung zu fördern. Aufwind haben aber weniger die öffentlichen Einrichtungen als elitäre und teure Privatschulen, Nachhilfestudios usw.
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Die Privatschule Kekil, bei der ich vorbeigehe, gibt (per Google auf Deutsch übersetzt) einen guten Einblick in ihre Programme.

20140324-151911.jpgMit einer Abschlussklasse eines Gymnasiums fahre ich mit einer abenteuerlichen Seilbahn auf den Kok-Tobe, den Hausberg Almatys. Alle wollen nach Abschluss der obligatorischen 12 Schuljahre studieren, an möglichst prestigeträchtigen Universitäten, aber niemand will Lehrer werden. Mein Ansehen sinkt, als sie erfahren, dass ich Lehrpersonen ausbilde. „Ah, only education“, meint sogar ihr Lehrer. Neben dem geringen Ansehen des Lehrberufs liegt das Problem auch bei der Geringschätzung der beruflichen Ausbildung, wie z.B. die deutsche Fachstelle für internationale Jugendarbeit schreibt:
„Was jedoch fehlt ist eine entsprechende Wertschätzung und Anerkennung der beruflichen Ausbildung. Sie wird nicht als gleichwertig angesehen, sondern ist aktuell ein wenig attraktives „Nebengleis“ der Bildungsbemühungen.“
Man versucht zwar Gegensteuer zu geben (vgl. Deutsches Bundesinstitut für Berufsbildung BIBB, PDF), meine Gespräche mit den Mittelschülern und ihrem Lehrer stimmen mich aber skeptisch.

Mir wird auch wieder bewusst, wie wichtig internationale Anerkennung ist. Wenn Miss Universum den Kok-Tobe besucht, man die Winteruniversidade 2017 ausrichten kann, wird das überall stolz vermerkt.
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Ich nehme an, dass bis spätestens zur Universidade die Menschen in den ärmlichen Behausungen unter der Seilbahn weiter an den Stadtrand verdrängt werden.
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Und jetzt also wieder nach Russland. Ich verlasse Kasachstan mit einem eher optimistischen Gefühl, es scheint mir möglich, dass die Transition nach Naserbajew gelingt, die Gesellschaft ist verhältnismässig offen und inklusiv, Geld ist dank der Rohstoffe vorhanden, die junge Generation hat grossen Arbeitseifer und den Willen, das Land weiterzubringen.
In Usbekistan sehe ich das weniger optimistisch, dort ist bei einem Machtwechsel die Möglichkeit von weiteren und erheblichen Unruhen und/oder noch grösserer Unterdrückung und/oder religiös motivierten Zusammenstössen m.E. durchaus vorhanden. Es täte mir sehr Leid, ich wünsche diesen netten, fröhlichen, fleissigen Menschen eine schöne Zukunft mit Partizipation und Menschenrechten.
Aber solche Einschätzungen nach so kurzer Zeit und so punktuellen Eindrücken abzugeben, ist natürlich vermessen.
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Forschungskolloquium

Beim hervorragenden Mittagessen bei Rogério und Cristiane erfahren wir einiges über das ENADE, das Exame Nacional de Desempenho de Estudantes, dem sich die Schülerinnen und Schüler der höheren Klassen unterziehen müssen, das aber vor allem für die Schulen finanzielle Auswirkungen hat. Weil es für die Schülerinnen und Schüler relativ egal ist, wie sie abschneiden, braucht es viel Überzeugungsarbeit, um sie für dieses Examen zu motivieren.

Heute sind wir früh genug und kommen gut über die Brücke, um über den Kooperationsvertrag zu diskutieren. Der Vertrag ist leider nicht unterschriftsreif, das Uni-Rektorat und wir sind uns nicht einig über den Gerichtsstand. Schade, ich hätte ihn noch gerne selbst unterschrieben.

Das Forschungskolloquium anschliessend ist eine Herausforderung, da die von Professor/innen und z.T. Studierenden vorgestellten Projekte von hoher Qualität sind und bei der Übersetzung auf Englisch natürlich die Feinheiten des Fachvokabulars auf der Strecke bleiben. Auch sind Foucault und Derrida ja auch auf Deutsch nicht leicht verständlich, geschweige denn in aus dem Portugiesischen übersetzten Englisch. Leichter verständlich ist das das Video zum 40-Jahr-Jubiläum, der FFP, das extra für uns auf Englisch übersetzt wurde (→ Youtube).

Verschiedene Forschungsprojekte finden sich hier (→ Website), auch die Facebook-Seite über das Masterprogramm kann vielleicht einen Einblick zur Vielfalt der Programme geben. Wir erhalten u.a. einen Einblick in die Forschungstätigkeiten der Grupo Vozes (Geschichte der Schulen in São Gonçalo), der Forschungsgruppen Wissensgesellschaft und Kultur, Verbindung Schule – Lehrpersonenbildung, Citizenship und Alphabetisierung, und eines studentischen Projektes zur Mathematikdidaktik und zum den Zusammenhängen von Shakespeare und dem teatro do oprimido von Augusto Boal. Die meisten Projekte haben eine emanzipatorische Zielsetzung: Freire, E.P. Thompson und und Bakhtin werden zitiert.

Was uns beeindruckt ist die Zusammenarbeit zwischen Studierenden, Professorinnen und Schulen. Jede Professorin arbeitet für ihr Projekt mit Schulen zusammen, an denen auch die mitarbeitenden Studierenden ihre Studien machen und ihre Arbeiten schreiben. Die Arbeit von Professorinnen und Studierenden ist dabei in den Schulen sehr präsent, es werden Posters aufgehängt, man ist mit dem Kollegium im Gespräch über die Projekte.

Auch Barbaras Vortrag über die Verbindung der praktischen und theoretischen Anteile an der PH Zürich gelingt gut, Studierenden und Dozierenden sind die verschiedenen Wissensformen, über die wir sprechen vertraut, sie stellen interessante Fragen zur Lehrpersonenbildung in der Schweiz und wären sehr interessiert an einem Austausch.

CAp UERJ – die Übungsschule der Uni

Heute haben wir einen Schulbesuch, Vertragsverhandlungen und das Forschungskolloquium mit dem zweiten Vortrag Barbaras vor uns. Wir sind etwas entspannter, nachdem es Barbara gestern so gut gelaufen ist. Wir nehmen ein Taxi zum CAp UERJ. CaP heisst Colégio de Aplicaçao, es handelt sich also um die Übungsschule der staatlichen Universität von Rio die Janeiro. Etwa die Hälfte der Schülerinnen und Schüler sind Kinder von Angestellten der UERJ, die andere Hälfte dieser öffentlichen Volksschule steht allen offen, die sich hier anmelden. Rogério erzählt von stunden- bis tagelangem Schlange stehen von UERJ-externen Eltern, die für ihre Kinder hier einen Platz bekommen möchten.

Die Schule umfasst die 9 Schuljahre Ensino Fundamental und 3 JahreEnsino Médio, die Schülerinnen und Schüler können hier also 12 Schuljahre verbringen. Gleichzeitig hat das Instituto de Aplicaçao einen Ausbildungsauftrag, Studierende hospitieren und assistieren hier, viele von ihnen arbeiten auch an Projekten mit.

Die Schule ist erfolgreich, viele Schülerinnen und Schüler schaffen die Aufnahme in eine staatliche Universität (mit dem Vestibular) oder eine andere Hochschule (mit dem ENEM oder Vestibular).Wir sehen engagierte Lehrerinnen und Lehrer und einen engagierten Schulleiter (der versucht, am Geburtstagskuchenanschnitt mindestens der jüngeren seiner 1500 Schülerinnen und Schüler dabei zu sein). Die Studierenden sind während 30 Stunden pro Semester und Fach am CaP, v.a für Beobachtung und Reflexion, sie geben kaum selber Schule. In der Regel belegen sie drei Fächer, sind also etwa einen Tag am CaP. Viele bekommen zusätzlich ein kleines Stipendium, sie sind dann „Bolsistas“ und können sich an einem Projekt beteiligen, das von  einer Person, die z.B. assozierte Professorin an der UERJ ist, begleitet wird (→ Beispiel dialogische Bildung, z.T. Google plus nötig, → Beispiel Design und Bildsprache, → Beispiel Inklusion ). Diese Projekte sind auf Posters im Schulhaus sehr präsent, sie werden auch an Samstagen der offenen Türe der Öffentlichkeit vorgestellt.

Freire wird häufig zitiert, die Schule ist inklusiv, das Klima gut, es wird stark mit Projektunterricht gearbeitet. Wir haben einige Fragezeichen bezüglich musischer Erziehung und Time on Task, sehen aber zu wenig Unterricht, um uns wirklich ein Urteil bilden zu können. Auf unsere Frage, wie es mit der Disziplin sei, meint ein Lehrer, schwierige Jugendliche würden häufig für Forschungsprojekte eingespannt, Verantwortung zu übernehmen funktioniere fast immer. Und ausserdem brauche es mal ein Gespräch, vor allem aber Lächeln, Humor, liebevollen Kontakt. Als der Schulleiter eine Schülerin im Gang antrifft, die eigentlich im Unterricht sein sollte, umarmt er sie liebevoll und meint „jetzt geh doch wieder hinein“. Ständiger Körperkontakt ist hier die Regel, man umarmt sich, Lehrpersonen halten sich die Hand, wenn sie miteinander sprechen oder streicheln sich die Wange.

Infrastrukturmässig geht es der Schule relativ gut, das habe aber vor allem damit zu tun, dass Lehrpersonen und Uni-Professor/innen gemeinsam Projekte akquierierten „day and night and weekends also“.

 

Grumari und Dia dos Professores

Heute haben die Schule geschlossen: Dia dos Professores. Rogério holt Elisabeth, Barbara und mich für eine Fahrt der Küste entlang ab. Andi wird heute abend nach Hause fliegen. Wir halten im vornehmen Leblon, mit Blick auf Ipanema für einige Fotos an, essen an einem Kiosk in  Barra da Tijuca ein Açai-Pulp. Ich kannte diese Palmfrucht, die wie ein Shake serviert wird, bisher nicht, sie schmeckt aber sehr gut. In Ipanema und Leblon wohnen Reiche, deren Familien schon länger Geld haben, an den Stränden der Barra da Tijuca haben jetzt die in letzter Zeit zu viel Geld gekommenen teure Appartments gekauft. Hier werden auch die olympischen Spiele 2016 stattfinden, eine U-Bahn ist im Bau.

Wir sehen uns Barra da Tijuca von oben, beim Startpunkt der Hangglider in der Nähe von Pedro Bonita (Bildquelle) an, Rogério hat uns mit dem Auto die schwierige Strasse hinauf gefahren. Mittagessen gibt es dann im Grumari, in einem schönen Strandrestaurant in dieser unberührten Gegend.

Am Nachmittag wollen Rogério und ich an der Lehrerdemonstration zum Dia dos Professores teilnehmen. Die Lehrpersonen aller Stufen sind höchst unzufrieden, sie wünschen sich den Gouverneur Sergio Cabral und Bürgermeister Eduardo Paes ins Pfefferland.Die Unzufriedenheit sitzt tief, sie hat mit schlecht ausgestatteten Schulen, einem sehr kleinen Lohn, öffentlichen Geldern, die für WM und Olympiade anstatt für die Bildung ausgegeben werden usw. zu tun. Lehrpersonen sind meist gezwungen, zwei bis drei Stellen zu haben, um genügend zu verdienen.

Das möchte die Regierung nun – für uns begreiflicherweise – unterbinden, Lehrpersonen sollen dafür an einer Schule eine 100%-Anstellung haben. Weil damit eine erheblich Lohnreduktion (im Vergleich zu den zwei bis drei Stellen) verbunden ist, wehrt sich die Lehrerschaft dagegen. Viele Schulen befinden sich deswegen schon bald zwei Monate im Streik. Die Lehrpersonen und die Schülerinnen und Schüler werden das Verpasste in den Schulferien nach Weihnachten nachholen müssen, 200 Schultage pro Jahr sind Pflicht und werden nicht in Frage gestellt.Die Stimmung an der Demonstration ist gut, ganze Schulhausteams fotografieren sich gegenseitig, auch der Direktor der Lehrerbildungsfakultät und sein Vize demonstrieren, Musikgruppen sind hier, Helikopter von Polizei und Fernsehen kreisen über dem Zentrum. Der schwarze Block wird erst nach der Schlussmanifestation aufmarschieren, Sachschaden und Schaden an Goodwill verursachen.

Tag der Schuljugend

Nochmals ein Tag in Cusco. Auf der Plaza de Armas findet ein Aufmarsch der Schuljugend aus verschiedenen Orten der Provinz statt. Irgendwelche Preise werden verliehen. Ehrungen, Fahnen, Stechschritt. Befremdend, die Knaben und Mädchen in militärischen Formationen marschieren zu sehen.

Die Militarisierung der Gesellschaft ist auch Jahre nach dem Ende des „schmutzigen Krieges“ gegen den Leuchtenden Pfad mit Zehntausenden Opfern an Campesinos noch präsent. Momentan scheint sich die Aggression eher gegen Chile zu richten, dem Nachbarn, der Peru und Bolivien vor 150 Jahren Land abnahm und dem es wirtschaftlich besser geht. „I hate them“ hat uns am am Vorabend ein Jugendlicher gesagt.

Das Museum für präkolumbianische Kulturen, eine Filiale des Museo Lorca in Lima, beieindruckt durch sehr gute Ausstellunggestaltung, die Exponate aus den verschiedenen Kulturen erhalten den nötigen Raum und kommen sehr gut zur Geltung.

Für das Museum für Volkskultur im Untergeschoss eines Regierungsgebäudes gilt das leider nicht. Die eindrücklichen Terracotta- und Papiermaché-Figuren mit Szenen aus dem Alltagsleben (Spelunken, Kaiserschnitt, Markt) und der Religion (Abendmahl, an dem Meersäuli verspiesen werden, Corups-Christi-Umzug) hätten besseres verdient.

Als Kontrast zum Tag der Schuljugend besuchen wir am Mittag die unterdessen sehr gut ausgerüstete uniformlose, inklusive Schule Pukllasunchis, wo Andrea und Meret als Freiwillige arbeiten.

Gegen Abend dann noch Einkaufen auf dem Markt und in einem „Chrälleli-Laden“.

Gedanken zu „open“

Ich hinke dem aktuellen Wochenthema mehr als eine Woche hinterher… Trotzdem hier noch einige Gedanken zu «open».

Freier Zugang zur Bildung

Fahne der ersten zürcherischen Lehrerbildungsstätte, nach 1832. Wir verwenden heute andere Begrifflichkeiten – der Zugang zu Bildung für alle ist aber genauso wichtig geblieben

Freier Zugang zur Bildung ist ein Postulat der Aufklärung, das durch die ganze Diskussion um Open Access, Open Educational Ressources usw. wieder neuen Schwung bekommen hat.

Die dritte MOOC-Woche hat mir geholfen, meine Meinung zu Open Educational Ressources (OER) und CC-Lizenzen zu festigen. Mindestens was mit öffentlichen Geldern geschaffen wurde, sollte auch öffentlich zugänglich und verwendbar sein. Die verschiedenen Abstufungen der CC-Lizenzen helfen dabei, dass der Grad der Weiterverwendbarkeit kontrolliert werden kann. Dass jemand, der selbständig erwerbstätig ist, nicht all das Erarbeitete einfach frei zugänglich ins Netz stellen kann, leuchtet dabei ebenso ein.

Auch ausserhalb des kommerziellen Sektors wird es, immer wenn es um Persönlichkeitsschutz geht, nach wie vor Educational Ressources geben, die nicht frei zugänglich sind. Wir arbeiten in der Lehrpersonenbildung z.B. viel mit Clips von Schülerinnen und Schüler, deren Eltern lediglich das Einverständnis für eine eingeschränkte Nutzung im Rahmen der Ausbildung in einem LMS gegeben haben.

Bildung und Berechtigungen

Bildung ist häufig mit Berechtigungen verknüpft. Berechtigungen, einen gewissen Beruf ausüben, sich für eine bestimmte Stelle bewerben zu können zum Beispiel. Damit nicht nur der Zugang zu Bildung frei ist, sondern auch Bestätigungen, dass man über diese Bildung verfügt und entsprechende Berechtigungen erworben werden können, müssen die Gebühren für Prüfungen, Zertifizierungen usw. in einem finanziell vertretbaren Rahmen gehalten werden. Es nützt mir nichts, wenn ich mir viel Wissen und Können im Selbststudium und mit der Unterstützung von Communities erworben habe, aber dann die finanziellen Mittel nicht habe, um ein entsprechendes Examen abzulegen, mit dem meine Fähigkeiten zertifiziert werden. Vor allem in Ländern mit grossen Einkommens- und Bildungsunterschieden dürfte für viele das Geld, das für eine Zertifizierung, ein Examen usw. aufgebracht werden muss, ein grosses Problem sein. «Open» muss auch der Zugang zu Prüfungen sein.

Sich Lernziele setzen kann man nicht einfach

MOOCs können diesen freien Zugang erschweren, wenn sie sie das „jeder setzt sich seine Lernziele selbst“ zu sehr in den Vordergrund stellen. Sich in einer ungewohnten Lernumgebung wie einem MOOC zurechtzufinden, sich selbst realistische Lernziele zu setzen, verlangt ausgeprägte Lernstrategien. Diese müssen – je nach Lernstand von Teilnehmenden – zuerst aktualisiert werden. Eine Einführung in diese besondere MOOC-Form des selbstgesteuerten Lernens (z.B. durch eine «cognitive apprenticeship», einen vorgängigen Mini-MOOC usw.) könnte deshalb zum „open“ beitragen.