Samarkand

20140317-223552.jpgKarte National Geographic App
Heute Morgen am Bahnhof viele Kontrollen, aber die Menschen, die die Metalldetektoren bedienen sind zuvorkommend und fröhlich. Ich habe wohl unterdessen einen „Seniorenbonus“. Dann eine kurze (d.h. vierstündige) angenehme Bahnfahrt nach Samarkand.
Schon im 8.-7. Jh. v.Chr. wurde hier ein Kanalsystem zur Bewässerung gegraben. Samarkand blühte, war u.a. berühmt für seine Papierherstellung, die grossen, grünen Gärten und als Handelsplatz an der „Seidenstrasse“. Die Stadt wurde dann im Mongolensturm unter Dschingis Khan 1219 vollständig zerstört – wie praktisch alle zentralasiatischen Städte.
Die folgenden Mongolenherrscher „turkisierten“ sich allmählich und traten zum Islam über. Unter Timur (1336 – 1405), der zwischen Mittelmeer und Delhi ebenso wütete, wie das Dschingis Khan 150 Jahre vorher getan hatte, gelangte Samarkand zu neuer Grösse. Er liess von überallher die besten Wissenschafter und Architekten in seine Hauptstadt kommen. Viele der Bauten, für die Samarkand heute berühmt ist, stammen aus seiner Zeit, sie waren für die islamische Architektur stilbildend.
Mein Hotel ist praktisch neben dem Mausoleum Timurs, also besuche ich dieses zuerst.
20140317-224009.jpg

20140317-224044.jpg
Danach wandere ich etwas durch die Altstadt, eine völlig andere Welt mit nichtasphaltierten Strassen, offenen Abflussrinnen und fussballspielenden Kinder. Schliesslich finde ich zum Rigestan, dem Hauptplatz, an dem drei – heute nur noch touristisch genutzte – Medresen stehen. Hochschulen, in denen nicht nur die islamischen Wissenschaften, sondern z.B. auch Mathematik und Astronomie gelehrt wurde. Ein Bild dieses Platzes habe ich vor Jahren in der NZZ gesehen und mir damals vorgenommen, nach Usbekistan zu fahren. Momentan wird der Rigestan neu gepflastert, Proportionen und die Bauten aus verschiedenen Epochen mit ihren wunderbaren Mosaiken sind aber trotzdem sehr eindrücklich.
20140317-224207.jpg

20140317-224258.jpg

20140317-224340.jpg
Auf dem Rückweg am Abend sieht man gut, wie nahe Samarkand an den Gebirgszügen Tadschikistans liegt, im Pamir werden die Berge bis 7500 Meter hoch. Obwohl viele Bewohner Samarkands tadschikischen Ursprungs, also persophon sind, verliert die Sprache politisch gewollt an Bedeutung. Die 1991 entstandenen Staaten bevorzugen praktisch überall die Ethnie, nach der sie benannt sind – die von Stalin gewollt willkürlich vorgenommenen Grenzziehungen zwischen den Sowjetrepubliken verursachen jetzt, da sie wirklich Staatengrenzen geworden sind, viel Trennung, Leid und auch Hass, der sich immer wieder auch in kriegerischen Auseinandersetzungen entlädt.

Ein Gedanke zu “Samarkand

  1. Lieber Hans-Jürg
    Du verstehst es meisterhaft, persönliche Begegnungen, Geschichte und aktuelle Entwicklungen ineinander zu verweben. Deine Reiseberichte lesen sich spannendender noch als ein Krimi. Danke, dass du uns virtuell mitreisen lässt!
    Samarkand – wenn ich den Wortklang nur schön höre, stelle ich mir tausend Geschichten dazu vor. Im Fernsehen wurde letzten Sonntag eine historische Dok-Sendung ausgestrahlt zur Sternwarte von Samarkand. Schon erstaunlich, dass im Jahr 1424–1428, 200 Jahre vor dem Aufstreben der Astrologie im Abendland, auf einem Hügel in der Nähe von Samarkand eine Sternwarte von unglaublichem Ausmass (grösser noch als die Bibi-Khanum-Moschee!) errichtet wurde. Das Observatorium diente dem Timuren Fürsten Ulug Beg für Beobachtungen und Vermessungen. Von dort aus hat er mit seinen Wissenschaftlern 992 Sterne vermessen, als im Westen die Wissenschaft noch in den Kinderfüssen steckte…
    Die volksnahe Geistlichkeit (Sufis und Derwische) war nicht begeistert von Mathematik und Astronomie. Ulugh Beg stellte ihrer Ansicht nach die Wissenschaft über den Glauben. Die geistliche Autorität schickte Ulugh Beg auf eine Pilgerreise nach Mekka. Er sollte nie mehr zurückkehren. Unterwegs wurde er (nach Aussagen im Fernsehen) im Auftrag seines Bruders ermordet. Danach wurde das Observatorium zerstört, doch konnte der Astronom Ali al-Qushji (†1474) mit einer Kopie der Sterntafeln nach Täbris entkommen. Von dort gelangten sie später über Istanbul in den Westen.
    Ulugh Beg wird folgender Satz zugeschrieben: «Die Religionen zerstreuen sich wie Nebel, die Zarenreiche zerstören sich von selbst, aber die Arbeiten des Gelehrten bleiben für alle Zeiten. Das Streben nach Wissen ist die Pflicht eines jeden.»
    Herzliche Grüsse in die weite Welt!
    Regina

Die Kommentarfunktion ist geschlossen.