Die japanischen Kolleginnen und Kollegen meinen, ich solle auch die Natur der Präfektur Fukushima kennenlernen und sie empfehlen mir, nach Aizu-Wakamatsu zu fahren.
Die Fahrt auf einer JR-Nebenlinie ist tatsächlich sehr schön, die Lokalbahn fährt neunzig Minuten durch eine frühlingsgrüne, bewaldete Hügellandschaft, dazwischen Reisfelder.
Aizu-Wakamatsu ist vor allem wegen seiner Burg bekannt. Sie hat im Bürgerkrieg zwischen dem Tokugawa-Shogunat und den Meji-Reformern um den Kaiser eine wichtige Rolle gespielt, war sie doch der letzte Rückzugsort der Shogun-Treuen. Die Burg fiel 1868.
Der Fall von Aizu-Wakamatusu führte zu einer Vielzahl von rituellen Selbsttötungen („Seppuku“), am bekanntesten derjenige der Byokkotai, sehr junger Samurai, die sich alle das Leben nahmen, als sie das Schloss in Flammen wähnten. In der Stadt finden sich aber auch andere Gedenksteine, z.B. für Frauen, die ihre Kinder und sich selbst umbrachten, weil sie die Niederlage nicht erleben wollten. Entsprechend haben die damaligen faschistischen und Nazi-Regimes Italiens und Deutschlands Denkmäler gestiftet, um dieser Loyalität bis in den Tod die Ehre zu erweisen. Unheimlich.
Dass es auch anders ging, zeigt im Schloss eine Präsentation über Niijima Yae (Wikipedia engl.), eine der ersten relativ emanzipierten Frauen Japans. Sie hat als Tochter eines Samurai bei der Verteidigung der Burg mitgekämpft, später in Kyoto einen Japan-Amerikaner geheiratet, ist zum Christentum übergetreten und muss ein sehr autonomes Leben gegen viele Konventionen geführt haben.
In der Stadt hat es zwölf Sake-Brauereien. Reis- und Wasserqualität und das Klima sind ideal. Der heisse Sommer ermöglicht eine gute Reisernte, während des Brauprozesses im Winter ist es aber kalt und die für das Brauen benötigten Bakterien können sich nicht zu schnell vermehren. Ich komme an der Miyaizumi-Brauerei vorbei.
Die freundlichen Angestellten treiben mir einen Herrn vom Tourismusbüro auf, der mich dann durch die Brauerei führt und mir die verschiedenen Installationen für den Brauprozess zeigt (vgl. z.B. factsanddetails). Momentan ist praktisch nichts los, der Reis beginnt in den Reisfeldern erst zu wachsen. Die Sakebrauer, meistens Reisbauern haben auf den Feldern viel zu tun, sie wenden sich dann nach der Ernte der Sakeherstellung zu.
Es ist sehr interessant, Sake zu degustieren. Ich habe die letzten paar Abende ganz verschiedene Sake kennengelernt, der Geschmack ist vom Fermentierungs-, Brau- und Filterungsprozess abhängig und davon, wie stark die Reiskörner poliert, d.h. verkleinert wurden, bevor der Reis weiterverarbeitet wird.
Mit Bahn und Bus (eine Herausforderung weil alles nur japanisch angeschrieben ist) fahre ich dann aufs Bandai-Plateau im Bandai-Asahi-Nationalpark. Rund um Gohsiki-Numa hat es Sümpfe und fünf Seen, deren Wasser je verschieden aussieht, eine schöne, rund zweistündige Wanderung. Etwas Bewegung tut gut. Es steht ja wieder ein gutes Nachtessen mit viel rohem Fisch, zum dem mich Reiko einlädt, bevor.