Namdaemun, Gyeongbokgung und so

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Gleich neben meinem Hotel liegt das frühere Südtor der Stadt. Auf der Karte heisst es Namdaemun, angeschrieben ist es als Sungyenum. Das Tor wurde 1398 erbaut und jeweils um 22 Uhr geschlossen und um vier Uhr wieder geöffnet. Das heute verloren im Verkehr stehende Tor verlor seine Funktion 1907, als die Japaner Korea zu ihrem Protektorat machten und die Stadtmauern einrissen. Während des Koreakriegs wurde es erneut stark beschädigt.
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Neben dem Stadthaus erstreckt sich die Anlage des ursprünglich im 15. Jahrhundert erbauten Deoksugung-Palastes, in dem die letzten Könige Koreas auch westliche Gebäude errichten liessen, um die Öffnung Koreas herauszustreichen.

Auf dem Boulevard, der zum Gyeongbokgung-Palast führt, stehen die Denkmäler von zwei Nationalhelden: König Sejong (1397 – 1450) und Admiral Yi Sun Shin (1545 – 1598). Unter den Denkmälern befindet sich eine grosse unterirdische Halle mit Ausstellungen zu den beiden Personen.
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Unter der Herrschaft König Sejongs wurden verschiedenste Verbesserungen für die Bevölkerung eingeführt. So gab er den Auftrag, das einfach zu erlernende koreanische Al­phabets Hangeul zu schaffen und förderte damit die Literalität stark. Er wird als ein starker Verfechter der Solidarität auch zu den nicht aristokratischen Schichten dargestellt – unter anderem führte er als erster eine Jahre dauernde Vernehmlassung durch, wie ein gerechteres Steuersystem eingeführt werden könne. Unter ihm wurden auch die Wissenschaften stark gefördert, Astronomie und Mathematik erlebten eine Blütezeit.
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Admiral Yi Sun Shin ist der Held des Imjin-Krieges, des Krieges, den Japan ab 1592 gegen Korea führte, um anschliessend gegen China vordringen zu können. Mit den von ihm entworfenen wendigen „Schildkrötenbooten“ und sehr geschickter Taktik konnte er trotz mehrfacher Übermacht der japanischen Marine diese mehrfach vernichtend schlagen. In einer der letzten Schlachten, bevor Japan sich zurückzog, wurde Yi tödlich verletzt. Er wird als grossartiger Stratege, gerechter, für alle seine Untergebenen sich einsetzender aber wenn nötig auch unerbittlich strafender Admiral dargestellt, der seine Position durch harte Arbeit und Ausdauer erreicht hatte, sich durch keine Rückschläge entmutigen liess und immer getreu den konfuzianischen Tugenden lebte.

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Gyeongbokgung, die weitläufigste und wohl schönste Palastanlage wurde 1395 durch den Gründer der letzten Dynastie, der Joseon-Dynastie fertiggestellt. Der am Fuss des Bukak-Berges erbaute „Palast der strahlenden Glückseligkeit“ wurde während der Invasionen durch Japan im 16. und 20. Jahrhundert zwei Mal fast vollständig zerstört. Etwa 300 der 500 Gebäude wurden wieder aufgebaut. Sehr schön, hier zu spazieren und zu sitzen – es hat auch genügend Platz.
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Unter Dichtestress gerate ich dagegen im an sich auch sehr interessanten Museum of Korean Folk Art, in dem der frühere Jahresablauf in der Bauerngesellschaft und der Lebenslauf der Menschen dargestellt wird. Aber die vielen Tourgruppen mit ihren Fähnchen und Lautsprechern gehen mir auf die Nerven. Es fällt mir jetzt auch auf, was die Differenz zwischen der japanischen einerseits und der koreanischen und auch chinesischen Dichte andererseits ist: hier ist es meistens laut. Man ruft ganz selbstverständlich laut durch die Räume, überall Gepiepse und Gebrumse aus irgendwelchen Geräten, laute Schulklassen. Für mich erhöht diese akustische Reizüberflutung den Stress ganz erheblich. Aber das Museum ist trotzdem sehr gut.

20140604-223147-81107814.jpgVorgestern habe ich geschrieben, Seoul liege in Asien. Die Quartiere, die ich gegen Abend durchstreife, könnten ebenso gut in San Francisco, Amsterdam, Sydney oder Rio liegen. Boutiquen und Galerien, Jugend und Schöngebliebene auf Einkaufstour, Latte Macchiato in umgebauten Lagerhallen mit Backsteinromantik. Die Stimmung ist gut, heute am Wahltag haben alle frei und flanieren durch die Gassen.