Um vier Uhr hält der Zug wieder, diesmal am kasachischen Grenzbahnhof. Die hübsche Grenzbeamtin hat einen stechenden Blick. Auch ein Hündchen schnüffelt herum und sucht wohl nach Sprengstoff. Als der Zug dann wieder fährt und ich eingeschlafen bin, kommt um sechs nochmals ein Uniformierter, will den Pass sehen und bedeutet mir, das iPod nicht einfach so auf dem Tisch liegen zu lassen.
Die Landschaft draussen ist jetzt flach und weiss in weiss. Die verschneite Steppe geht nahtlos in den weissen Himmel über, durchbrochen nur durch Strom- und Telefonleitungen und Zäunen gegen die Schneeverwehungen.
Kasachstan hätte landschaftlich natürlich noch mehr zu bieten, vgl. z.B. hier.
Gegen acht steigen in Aqtöbe viele neue Passagiere zu. Kasakhi: Frauen mit Kopftüchern, Männer mit Fellmützen, Kinder mit Handys… Es wird auch auf den Korridoren lebendig, SIM-Karten werden verkauft, Nescafé, Esswaren, Schmuck, Souvenirs, vakuumierte Fische, schöne Wollsachen. транс азиа steht auf den Güterwagen – Trans Asia. Ich bin in Asien.
Die Kasakhi im Abteil kommen schnell miteinander ins Gespräch, bedauern, dass sie nicht auch mit mir reden können. Die Fotos auf dem iPad vermögen sie aber zu überzeugen, dass ich nicht ganz allein auf der Welt bin…
Die Menschen in den am Zug vorbeiziehenden Dörfern ziehen ihre Lasten auf Schlitten, man sieht kaum Autos ab und zu einen alten Lada.
Am Abend kommt ein Mann, wohl etwas jünger als ich, mit Bart, wie man sich einen kasachstanischen Muslim vorstellt mit zwei Frauen in mein Abteil. Wir palavern etwas rum, wer jetzt wo schlafe – und natürlich gebe ich meine Liege unten auf damit die beiden Frauen unten schlafen können. „Wo die Gebetsstunde dich erreicht, sollst du das Gebet verrichten und das ist ein Masdschid“, sagt gemäss meinem Reiseführer der Koran. Und so verwandelt mein Mitreisender unser Abteil in einen Masdschid, vergewissert sich kurz, ob die Richtung gegen Mekka etwa stimmt und verrichtet dann mit einer Art Sprechgesang und dem sich vor Gott Niederwerfen sein Gebet. Die beiden Frauen und ich sitzen auf der Liege gegenüber und schauen zu.
Es sieht so aus, wie wenn er seine von Vorvätern und Vätern weitergegebene Religion pflegte. Von den 70 Jahren, während denen der Islam während der Sowjetzeit weitgehend unterdrückt wurde, merkt man nichts.
Nachts um zwei steigen die drei wieder aus.