Ich habe in Fukushima heute viele schöne und interessante Begegnungen und lerne eine tolle Schule kennen. Weil das Wort aber Assoziationen auslöst, zuerst dieser Beitrag:
Das Erdbeben und der anschliessende Tsunami vom 11. März 2011 kosteten laut meinem Lonely Planet-Reiseführer etwa 20’000 Menschen des Leben und verwüsteten das ganze Küstengebiet praktisch vollständig. Während in Japan meist vom „Great Eastern Earthquake“ zu lesen ist, steht in Europa „Fukushima“ als Chiffre für den darauf folgenden katastrophalen Unfall mit Kernschmelze im Kraftwerk Fukushima-Daiichi, den grössten AKW-Unfall seit Tschernobyl. Eine Zone von 20 km um das AKW ist bis heute unbewohnbar und wird es sicher noch lange bleiben. Zum Krisenmanagement Japans und seiner Art, Verantwortung gegenüber der Welt, die ja als Ganzes betroffen ist, zu übernehmen, gibt es viele Fragezeichen. So wird z.B. jetzt Grundwasser aus Fukushima, das unter „Grenzwerten“ liegt in den Pazifik geleitet (vgl. FAZ).
Auch in Japan ist „Fukushima“ noch fast täglich in den Nachrichten. Es geht um die Entsorgung des zur Kühlung verwendeten Wassers, um die Weigerung der Regierung, Aussagen, die der inzwischen verstorbene damalige Tepco-Präsident gegenüber der Untersuchungskommission machte, zu veröffentlichen (die Familie wolle das nicht…) und um den beschlossenen Wiedereinstieg Japans in die Atomkraft. Dieser wurde letzte Woche, als ein AKW wieder ans Netz wollte, durch einen Gerichtsbeschluss verzögert.
In der Präfekturhauptstadt Fukushima, 52 km von der Ruine des Kernkraftwerks entfernt, ist ausser Baulücken von den Erdbebenschäden nichts mehr zu sehen, präsent ist aber der Atomunfall.
In der Primarschule der Universität, die ich besuche, wird die Strahlenbelastung ständig gemessen, sie liegt heute so um den in Deutschland als unbedenklich eingestuften Grenzwert (vgl. Wikipedia). In Japan wurden die Grenzwerte aber wesentlich höher definiert, d.h. die heutigen Werte sind tief, die Schulleiterin beginnt sich erst Sorgen zu machen, wenn sie etwa das doppelte betragen.
Gemessen werden muss auch die Belastung des Essens. Je eine Probe aller angelieferten Esswaren wird puriert und dann wird die Belastung in einem Messgerät überprüft. Erst wenn die Probe als unbedenklich eingestuft wird, werden die Lebensmittel weiterverarbeitet.
Vor dem Reaktorunfall war die Schule stolz darauf, ausschliesslich Lebensmittel aus der Präfektur zu verwenden. Heute ist das nicht mehr möglich. Der Kartenausschnitt zeigt, aus welchen Landesteilen welche Lebensmittel eingekauft werden.
Indirekt hatte der Unfall auch Auswirkungen auf den Sportunterricht. Weil sich die Kinder wegen der Strahlenbelastung lange Zeit nicht mehr im Freien aufhalten durften, also kaum mehr Bewegung hatten, wurden viele fettleibig. Die Präfektur hat deshalb ein Bewegungsprogramm ausgearbeitet, dass von allen Schulen durchgeführt werden muss.
Und wie es mit der psychischen Belastung der Kinder sei, frage ich. Immerhin wurden über 100 Schülerinnen und Schüler aus der Evakuationszone hier eingeschult. Es gehe, meinen die Mitglieder der Schulleitung. Man höre, dass einige evakuierte Erwachsene unter Depressionen litten, die Kinder seien aber meist lebendig und fröhlich und erhielten von den Lehrpersonen und den Mitschülerinnen und -schülern immer eine Aufmunterung, wenn es ihnen mal nicht so gut gehe.
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