Niterói

Um dem Gedränge zu entgehen, fahren Manuela und ich mit der ersten Kabine am Morgen auf den Zuckerhut. Schöne Sicht, keine Leute und – nachdem wir einige Meter einem unscheinbaren Weg gefolgt sind: schöne Natur, Ruhe von der Grossstadt.

Nach dieser Atempause vom pausenlos dröhenden Verkehr stürzen wir uns aber auch wieder in die ständige Adrenalinschübe provozierende Stadt. Mit dem Bus fahren wir zum Praça XV, dann mit der Fähre nach Niterói und mit einem weiteren Bus zum MAC, dem von Oscar Niemeyer in den 1991 erbauten Museu de Arte Contemporânea de Niterói. Die Fahrt lohnt sich einerseits wegen Gebäude und Blick auf Rio de Janeiro, aber auch die Ausstellungen sind gut kuratiert. Die Hauptausstellung über Beuys zeigt auch sein politisches Engagement für die direkte Demokratie.

Die Rückfahrt mit dem Bus durch Niterói zieht sich in die Länge, der «Ciruclar» fährt im Zickzack durch die Stadt, die sich auch touristisch gerne als Schwesterstadt Rios sehen würde. Bevor wir wieder die Fähre nehmen, sehen wir uns noch den Caminho Niemeyer an. Gebäude, die Niemeyer in seiner letzten Schaffensperiode zeichnete, die aber alle bereits Renovierungen nötig haben.Auf der Rückfahrt gut sichtbar sind die Ölplattformen. Das vor Rio geförderte Öl trägt wesentlich zum relativen Reichtum dieses Bundesstaates bei. Seit Jahren schwelt ein Konflikt, ob dieses Ölgeld auch dem Staat Brasilien oder lediglich dem Gliedstaat Rio de Janeiro zu Gute kommen soll.

Spätabends kommt Barbara an – alle Zimmer in der WG sind jetzt belegt…

Sightseeing in Rio

Manuela und Andi sind das erste Mal hier. Wir machen Sightseeing und fahren nach dem Frühstück auf der Terrasse auf den Corcovado. Er ist schon in den Morgenstunden ziemlich überlaufen ist. Die Sicht auf Rio ist trotzdem berauschend und Cristo Redentor erträgt die vielen Fotos stoisch.

Zu Mittag essen wir in Santa Teresa und sehen uns anschliessend das Museum Chácara do Céu an (Bild: Emiliano di Cavalcanti: Casa de mulheres)

Die Escada Selarón finden wir erst nach mehreren Anläufen, wir kommen vom Weg ab und befinden uns plötzlich in einem ärmlicheren, wie uns scheint auch gewaltbereiteren Umfeld, noch lange keine Favela, aber doch ein Hinweis, dass Arm und Reich hier sehr nahe nebeneinander leben und der Wechsel sehr plötzlich kommt.Die Magie, die wir noch vor einem Jahr auf dieser Treppe spürten, ist aber weg. Sicher auch, weil wir wissen, dass Jorge Selarón in der Zwischenzeit hier erschossen wurde.

Die Arcos da Lapa und die Catedral (nicht von Niemeyer, der war Atheist sondern von Oliveira da Fonseca) sind nicht weit. Der Rückweg mit Bus und Metro wird dann sehr mühsam, Rio de Janeiro ist nicht weit von einem Verkehrskollaps entfernt. Trotzdem nehmen kehren wir am Abend mit einem Taxi zu den Arcos zurück. Samba im Carioca da Gema.

Petropolis

Die fünf Tage in Minas Gerais gehen schon dem Ende zu. Recht früh fahren wir los, das letze Mal einem Wegstück der Estrada Real folgend, der Strasse die dem Güterverkehr zwischen den Goldgräberstädten und den Häfen von Paraty und Rio de Janeiro diente.

Um die Mittagszeit kommen wir in Petropolis an, der Stadt, in der Dom Pedro II 1843 seine kaiserliche Sommerresidenz bauen liess und in der 100 Jahre später Stefan Zweig sein Brasilien – Ein Land der Zukunft schrieb und sich wenig später das Leben nahm (→ Die Zeit). Heute dient die Gegend um Petropolis immer noch vielen finanziell gut gestellten Cariocas dazu, der sommerlichen Hitze in Rio zu entfliehen.

Wir sehen uns das Museu Imperial im Kaiserpalast an, es überzeugt uns aber nicht sonderlich. Anstatt z.B. nur die goldene Feder zu sehen, mit der die Infantin Isabel die Lei Áurea zur Abschaffung der Sklaverei unterschrieb, hätten wir gerne mehr über die Hintergründe und Folgen erfahren. Deutlich wird, dass sich der brasilianische Kaiser ganz nach Vorbild der europäischen Kaiser präsentierte, über seine Vorliebe für die Wissenschaft ist nicht allzu viel zu sehen. Aber vielleicht ist unsere Aufnahmefähigkeit nach vier Tagen Barock auch zu beschränkt.

Nach dem Mittagessen fährt uns Andi durch dichtesten Verkehr an den internationalen Flughafen von Rio de Janeiro, wo wir den Mietwagen zurückgeben und ins Appartment, das wir gemietet haben, gefahren werden. Die Wohnung ist zwar gross, aber auch etwas klebrig und fettig, so dass wir zuerst ein Putzaktion starten müssen. Trotzdem beschwingt, in Rio zu sein, beschliessen wir den Tag mit einem Nachtessen in der Bar Garota de Ipanema.

Tiradentes und São João del Rei

Tiradentes ist das Geburtsstädtchen des Anführers der Inconfidência Mineira, Tiradentes. Sein Rufname kommt von seinem Beruf als Zahnzieher. Der Ort wurde zu seinen Ehren nach ihm unbenannt. Hier hat er auch ein Denkmal, das ihn schon mit dem Kopf in der Schlinge zeigt.Der Kolonialstädtchen ist sehr herausgeputzt, wirkt etwas museal. Bekannt aus Telenovelas wird es auch von vielen brasilianischen Touristen besucht. Antiquitätengeschäfte finden sich an jeder Ecke.  Möbel und Einrichtungsgegenstände werden stilvoll restauriert, wir interessieren uns dermassen dafür, dass wir jetzt wissen, wie viel die Spedition eines Containers nach Europa kostet. Die Kirche Matriz de Santo Antônio ist die bisher schönste, der barocke Innenraum scheint geradewegs ins Himmelreich zu führen… Auch durch die Gassen lässt es sich gut schlendern.

Wir sind aber gar nicht so unglücklich, dass die Nachbarstadt São João del Rei gar nicht museal ist. Das Museu Regional bietet einen guten Überblick über Kultur und Geschichte der Stadt. Das Tancredo Neves gewidmete Zentrum ist geschlossen, Tancredo sitzt aber davor auf einer Bank. Der gewählte Präsident, der 1985 starb, bevor er das Amt übernehmen konnte, ist in der ganzen Stadt noch sehr präsent. Beim Schlendern durch die Strassen führt uns ein Junge in die Bibliothek, wo wir vom Chefbibliothekar, der etwas englisch spricht, empfangen werden. Er führt uns durch seine Bibliothek und zeigt 130-jährige Zeitungen, die am Zerfallen sind und die dringend restauriert oder digitalisiert werden müssten.

Ouro Preto und Congonhas

Den Morgen verbringen wir noch in Ouro Preto. Die Kirche São Francisco de Assis haben wir gestern Abend noch angesehen. Auch in Nosso Senhora do Carmo, die wir heute besuchen, finden sich viele eindrückliche Skulpturen von Aleijadinho. Das Museum ist leider geschlossen, ebenso wie das Museu da Inconfidência. Wir erfahren also nichts über die Inconfidência Mineira, die erste brasilianische Unabhängigkeitsbewegung, die hier in Ouro Preto begann. Geöffnet hat dagegen das Museu do Oratório, in dem Reisealtäre aus verschiedensten Epochen ausgestellt sind.

Gegen 11 Uhr fahren wir los Richtung Congonhas. Die Fahrt geht länger als geplant, weil die Bremsbeläge komplett abgefahren sind und wir sie ersetzen lassen müssen. Wir treffen deshalb ein paar Stunden später in Congonhas ein, wo Alejadinho für das Santuário do Senhor Bom Jesus de Matosinhos 12 Propheten fast in Lebensgrösse geschaffen hat. Die ganze Anlage ist sehr eindrücklich und die Propheten sind wirklich grosse Bildhauerkunst (→ Bilder in Wikipedia port.)

Nach einem – vom Wirt spendierten – Kaffee haben wir noch einige Stunden zu fahren, den letzten Abschnitt über Kopfsteinpflaster, bevor wir unser nächstes Etappenziel Tiradentes erreichen.

Minen, Kloster, Mariana

Wir haben in Ouro Preto übernachtet, der Stadt des schwarzen Goldes. Sie wurde so benannt wurde, nachdem anfangs des 18. Jahrhunderts von Bandeirantes Gold gefunden wurde. Gold, das wegen des Eisenoxyds im Boden schwarz war. Ouro Preto kam im folgenden Goldrausch rasch zu Reichtum, es entwickelte sich zur schönen Barockstadt, die heute UNESCO-Weltkulturerbe ist. Nachdem wir am vorherigen Abend die schönen Gassen erkundet haben, wollen wir jetzt eine Goldmine sehen und fahren zu den stillgelegten Minas Passagem. Mit einem für die Minenarbeiter erbauten Standseilbähnchen, dessen Sicherheitsstandard nicht über alle Zweifel erhaben ist, fahren wir in die Grube ein. Man kann sich vorstellen, wie hier bis in die 70-er  Jahre des 20. Jahrhunderts mit TNT Gestein gesprengt wurde, um Gold zu gewinnen.

Anschliessend fahren wir durch die eisenerzhaltigen Hügel Richtung Norden. Wir sind mitten im Eisenerzabbaugebiet (→ Überblick brasilianischer Bergbau). Die Fahrt führt an vielen Baustellen der Vale entlang, dem riesigen Bergbauunternehmen, dem auch Menschenrechtsverletzungen und Umweltverschmutzung vorgeworfen werden. Gemeinsam mit dem Tochterunternehmen Samarco sind hier Arbeiten in Zusammenhang mit der vierten Eisenerz-Pelletierungsanlage «P4P» (→ Eisenerzpellets) im Gang. Es werden Pelletierungsanlagen und Pipelines für das Eisenerz gebaut.

Die Fahrt führt uns zum Nationalpark Serra do Caraça, wo wir das in einem grossen Vulkankrater gelegene Kloster besichtigen

und eine kurze Wanderung Park zu Wasserfällen machen. Sonntagsstimmung sowohl im Kloster, wo Wallfahrtsgruppen zusammenpacken wie auf den Wanderwegen und bei den Wasserfällen, wo sich ganze Gruppen am Wasser erholen.Auf der Rückfahrt halten wir beim Eindunkeln – auch um Schoggi zu kaufen – noch in Mariana an, ebenfalls einer durch das Gold reich gewordenen Stadt. Neben den Barockkirchen der Pfeiler, an dem die Sklaven gezüchtigt wurden.

Inhotim

Am City-Flughafen übernehmen wir unseren Fiat Doblo. Andi fährt, Elisabeth liest mit Hilfe von Werner, unserem TomTom-Navigationsgerät Karten (wobei Werner nicht immer so will wie wir und sich dann mit „falls möglich drehen sie sofort um“ rächt). Ziel ist das INHOTIM in Brumadinho, Freilichtmuseum zeitgenössischer Kunst und botanischer Garten in einem. Inhotim ist keine Abkürzung, das Museum wurde von seinem Gründer und Mäzen Bernardo Paz (→ Wall Street Journal) so genannt, weil das Anwesen ursprünglich einen Sinhor Tim, abgkürzt Inho Tim gehörte. Paz ist durch Bergbau zu viel Geld gekommen und hat dieses aussergewöhnliche und riesige Museum erbauen lassen. «I’m building Inhotim for people, who have never had access to art and culture. You have to open their minds. That’s the future.»
Viele Künstler haben einen eigenen Pavillon, andere sind mit Skulpturen im Park vertreten. Der Freund und Berater von Paz, Tunga (→ True Rouge)  ist mit zwei Pavillons sehr prominent vertreten. Im Sonic Pavillon von Doug Aitken kann man ins Innere der Erde lauschen, Miguel Rio Branco zeigt beeindruckende, z.T. schwierig zu ertragende Bilder aus Salvador da Bahia, bevor das Viertel rund um den Pelourinho renoviert wurde. Matthew Barneys Caterpillar (De Lama Lâmina) thematisiert auch die Abholzung des Regenwaldes. Hélio Oiticicas Invenção da cor leuchtet durch den Park, die Galeria Adriana Varejão besticht mehr durch die Architektur als die Azujelos.
Der Besuch ist lohnend und tagfüllend, wir hätten uns wohl etwas vorbereiten müssen, um gezielter auszuwählen, was wir noch ansehen möchten. Aber auch das Sicht-Treiben-Lassen hat sich sehr gelohnt. Bei Sonnenuntergang nehmen wir die sehr schöne Fahrt nach Ouro Preto unter die Räder.

Nach Belo Horizonte

Manuela und ich geniessen am frühen Morgen nochmals das Schwimmen, es ist ziemlich anstrengend, gegen die Flut anzuschwimmen, macht aber Appetit für das letzte Frühstück auf Boipeba. Danach folgt ein Reisetag. Mit Boot, Taxi und nochmals Boot zurück nach Salvador. Nach dem Mittagessen in der Pousada fliegen wir dann nach Belo Horizonte im Bundesstaat Minas Gerais.

Ein ziemlich harter Schnitt nach der Insel mit den drei Chalets plötzlich in einer Millionenstadt zu sein. Wir essen in einem vom Tripadvisor empfohlenen Restaurant. Im Einkaufszentrum, in dem das Restaurant liegt, hallt es, viele Jugendliche und junge Erwachsene beginnen hier das Wochenende. Im gleichen Haus befindet sich auch das – natürlich schon geschlossene – Museu Clube da Esquina, das Museum rund um den immer noch bewunderten Zusammenschluss von Musikern rund um  Milton Nascimento und Lô Borges.  Der Charme Belo Horizontes erschliesst sich uns nicht ohne weiteres und wir gehen früh zurück ins Othon Hotel.

Boipeba

Wir haben für den ganzen Tag ein Boot mit Fahrer gemietet und fahren um die Insel Boipeba. Zuerst schnorcheln wir und freuen uns an den gelb-schwarz gestreiften Fischen, der Unterwasserwelt und den Bikinis. Dann führt uns der Bootsfahrer zu einer Bar, die mitten im Meer auf einer Sandbank steht.Nach dem Mittagessen legen wir in São Francisco an, wo wir zusehen, wie Palmfasern verarbeitet werden. Der Rohstoff wird in Bahia einerseits für Taschen usw., andererseits für Dachbedeckungen verwendet.

Am Abend essen schlendern wir nochmals durch Velha Boipeba, essen Moqueca und bedauern ein wenig, dass wir hier nicht länger Zeit haben.

Nach Boipeba

Unsere Gastgeberin Fernanda hat uns einen Dreitagesausflug auf die Insel Boipeba organisiert. Wir fahren mit der Fähre nach Itaparica, wo alle an der Anlegestelle schon wissen, dass unser Taxifahrer Tide wegen eines Plattfusses verspätet ist, aber sicher gleich kommen werde. Er kommt tatsächlich nach etwa einer halben Stunde. Auf der langen Fahrt über die Insel Itaparica und durch das Recôncavo halten wir in in Maragogipinho an, schlendern dem Fluss entlang besuchen eine Töpferei.

Nachdem unterwegs auch noch ein Hund zugestiegen ist, steigen wir nach einigen Stunden auf ein Schnellboot um, das uns nach Boipeba bringen wird. Auf der rasanten Fahrt machen wir halt, um frische Austern zu schlürfen, Nach einer weiteren halben Stunde kommen wir in der wunderschön gelegenen Pousada Casinha Amarela an. Die beiden Besitzerinnen, ursprünglich aus Italien ausgewandert, Daria und Cristina (die auch eine sehr gute Fotografin ist) erwarten uns bereits.

Ja,  es ist wirklich paradiesisch hier.