Fukushima

Ich habe in Fukushima heute viele schöne und interessante Begegnungen und lerne eine tolle Schule kennen. Weil das Wort aber Assoziationen auslöst, zuerst dieser Beitrag:

Das Erdbeben und der anschliessende Tsunami vom 11. März 2011 kosteten laut meinem Lonely Planet-Reiseführer etwa 20’000 Menschen des Leben und verwüsteten das ganze Küstengebiet praktisch vollständig. Während in Japan meist vom „Great Eastern Earthquake“ zu lesen ist, steht in Europa „Fukushima“ als Chiffre für den darauf folgenden katastrophalen Unfall mit Kernschmelze im Kraftwerk Fukushima-Daiichi, den grössten AKW-Unfall seit Tschernobyl. Eine Zone von 20 km um das AKW ist bis heute unbewohnbar und wird es sicher noch lange bleiben. Zum Krisenmanagement Japans und seiner Art, Verantwortung gegenüber der Welt, die ja als Ganzes betroffen ist, zu übernehmen, gibt es viele Fragezeichen. So wird z.B. jetzt Grundwasser aus Fukushima, das unter „Grenzwerten“ liegt in den Pazifik geleitet (vgl. FAZ).

Auch in Japan ist „Fukushima“ noch fast täglich in den Nachrichten. Es geht um die Entsorgung des zur Kühlung verwendeten Wassers, um die Weigerung der Regierung, Aussagen, die der inzwischen verstorbene damalige Tepco-Präsident gegenüber der Untersuchungskommission machte, zu veröffentlichen (die Familie wolle das nicht…) und um den beschlossenen Wiedereinstieg Japans in die Atomkraft. Dieser wurde letzte Woche, als ein AKW wieder ans Netz wollte, durch einen Gerichtsbeschluss verzögert.

In der Präfekturhauptstadt Fukushima, 52 km von der Ruine des Kernkraftwerks entfernt, ist ausser Baulücken von den Erdbebenschäden nichts mehr zu sehen, präsent ist aber der Atomunfall.
20140526-172224-62544331.jpg
In der Primarschule der Universität, die ich besuche, wird die Strahlenbelastung ständig gemessen, sie liegt heute so um den in Deutschland als unbedenklich eingestuften Grenzwert (vgl. Wikipedia). In Japan wurden die Grenzwerte aber wesentlich höher definiert, d.h. die heutigen Werte sind tief, die Schulleiterin beginnt sich erst Sorgen zu machen, wenn sie etwa das doppelte betragen.
20140526-172403-62643669.jpg
Gemessen werden muss auch die Belastung des Essens. Je eine Probe aller angelieferten Esswaren wird puriert und dann wird die Belastung in einem Messgerät überprüft. Erst wenn die Probe als unbedenklich eingestuft wird, werden die Lebensmittel weiterverarbeitet.
20140526-172518-62718235.jpg
Vor dem Reaktorunfall war die Schule stolz darauf, ausschliesslich Lebensmittel aus der Präfektur zu verwenden. Heute ist das nicht mehr möglich. Der Kartenausschnitt zeigt, aus welchen Landesteilen welche Lebensmittel eingekauft werden.
20140526-172659-62819882.jpg
Indirekt hatte der Unfall auch Auswirkungen auf den Sportunterricht. Weil sich die Kinder wegen der Strahlenbelastung lange Zeit nicht mehr im Freien aufhalten durften, also kaum mehr Bewegung hatten, wurden viele fettleibig. Die Präfektur hat deshalb ein Bewegungsprogramm ausgearbeitet, dass von allen Schulen durchgeführt werden muss.
Und wie es mit der psychischen Belastung der Kinder sei, frage ich. Immerhin wurden über 100 Schülerinnen und Schüler aus der Evakuationszone hier eingeschult. Es gehe, meinen die Mitglieder der Schulleitung. Man höre, dass einige evakuierte Erwachsene unter Depressionen litten, die Kinder seien aber meist lebendig und fröhlich und erhielten von den Lehrpersonen und den Mitschülerinnen und -schülern immer eine Aufmunterung, wenn es ihnen mal nicht so gut gehe.

1700 km und ein paar Learnings

20140525-220919-79759771.jpg
1700 km Bahnfahrt von Saga nach Fukushima. Trotz drei Mal umsteigen dauert das nur achteinhalb Stunden. Honshu ist im Flachland sehr dicht bebaut, über weite Strecken zubetoniert. Die Aussicht ist denn auch nicht sehr berauschend – Mt. Fuji taucht heute nicht auf – und mir bleibt etwas Zeit, mir im Hinblick auf die Schul- und Universitätsbesuche in Fukushima und Korea zu überlegen, was denn bis jetzt meine „Learnings“ bezüglich Schule sind.
20140525-221339-80019984.jpg
Wenn ich mich an das Angebots-Nutzungsmodell von Helmke und anderen (hier kopiert von der Uni Koblenz-Landau) anlehne und so nach Differenzen suche, so gibt es natürlich Unterschiede im Angebot. Viele Lehrpersonen unterscheiden sich von ihrer Philosophie und ihrem Engagement meines Erachtens aber nicht stark von Schweizer Lehrpersonen. Auch ihre Auffassung von gutem Unterricht ist nicht so verschieden. Die Art, wie sie Unterricht durchführen ist (bei gegen 40 Schülerinnen und Schüler) sicher etwas frontaler, es kann weniger individuell auf die einzelnen eingegangen werden, aber der Ablauf des Unterrichts folgt häufig Unterrichtschoreographien, die wir auch kennen. Es ist also meines Erachtens nicht das Angebot, das den grossen Unterschied ausmacht – obwohl wir natürlich fast reflexartig immer zuerst dort suchen. Unterschiede sind stärker in anderen Bereichen auszumachen.

(1) Der Kontext unterscheidet sich wesentlich. Die kulturellen Rahmenbedingungen sind in einer Kollektivgesellschaft ganz anders als in einer Individualgesellschaft. Allzu viel Individualismus ist nicht erwünscht, man lernt schon früh in der Familie und in der Gesellschaft, wie man sich zu benehmen hat, welches Verhalten erwünscht ist und welches Verhalten bestraft wird. Die Gesellschaft ist weniger permissiv, man kann es sich kaum leisten, unangenehm aufzufallen, sonst fällt man als Kind, als Jugendliche/r und als Erwachsene/r durch die Maschen. Dieser kontextuelle Faktor hat einen wesentlichen Einfluss auf das Lernen der Schülerinnen und Schüler.
(2) Grundsätzlich wird davon ausgegangen, dass alle Schülerinnen und Schüler ein hohes Lernpotenzial haben, wenn sie sich nur entsprechend anstrengen. Faktoren wie Begabung, familiärer Hintergrund usw. werden viel weniger gewichtet. Anstrengung ist der Schlüssel zum Erfolg. Z.T. konfuzianisch, z.T. nachkriegs-demokratisch geprägt, ist das System sehr meritokratisch. Nur wer bei all den Aufnahmeprüfungen Erfolg hat, kommt weiter, d.h. wird in eine gute Junior High, eine gute High School, eine gute Universität aufgenommen und erhält schliesslich eine gute Stelle. Eine zweite Chance gibt es allenfalls nach einem Jahr, wenn man sich mehr angestrengt und strenger gelernt hat, nachher aber nicht mehr.
(3) Die Familie hat einen grossen Einfluss auf den Schulerfolg, in dem sie die Schulen finanziert und vor allem auch die ausserschulische Nachhilfe ermöglicht, d.h. z.B. einen guten Prüfungsvorbereitungskurs finanziert, eine gute Nachhilfe für ein weiteres Vorbereitungsjahr auf die Aufnahmeprüfung bezahlt usw. Dafür werden immense Summen ausgegeben, so viel, dass viele Eltern angeben, sich nicht mehr als ein Kind leisten zu können. Die meritokratische Ausrichtung wird dadurch natürlich ausgehebelt.
(4) Ich meine, dass die Familie dadurch einen sehr direkten Einfluss auf die Lernaktivitäten und vor allem auf das „ausser“schulische Lernen hat. Den Kindern und Jugendlichen ist bewusst, dass sich ihre Eltern finanziell und emotional stark für sie verausgaben (Das Beten von Eltern in den verschiedenen Tempeln und Schreinen vor den Prüfungen ist z.B. sehr verbreitet). Entsprechend stark unter Druck stehen die Schülerinnen, Schüler und Studierenden und entsprechend nutzen sie, falls sie dem Druck standhalten, vor allem vor Prüfungen auch sämtliche zur Verfügung stehenden Lernangebote.
(5) Das Lernen soll natürlich den Aufbau von fachlichen Kompetenzen und einer harmonischen Gesellschaft bewirken. Gemessen wird es aber fast ausschliesslich an Prüfungserfolg. Alles Lernen ist – mit allen Vor- und Nachteilen – stark auf dieses Ziel ausgerichtet. Die asiatischen Länder sind sich dabei sehr wohl bewusst, dass wirtschaftlicher Erfolg nicht allein durch Auswendiglernen erreicht wird (dass aber Ehrgeiz, Selbstdisziplin, Verausgabungsbereitschaft und das Zurückstellen von persönlichen Bedürfnissen durchaus helfen). Entsprechend sind die Prüfungen so aufgebaut, dass z.B. Problemlösekompetenz nötig ist, um sie gut zu bestehen.

Dass das alles nicht für alle aufgeht, hat vor einem halben Jahr Abigail Haworth in einem süffigen Artikel im Guardian beschrieben: „Why have young people in Japan stopped having sex?“

Immer wieder interessante Einblicke in die Gesellschaft Japans gibt auch der in Kyoto lehrende amerikanische Soziologe Robert Moorehead in seinem Blog, in dem auch Studierende zu Wort kommen (vgl. auch gestrigen Eintrag).

In Tokio habe ich 8 Minuten, um umzusteigen. Der Zug kommt auch auf die Sekunde pünktlich an und für den Wechsel von einem Perron zum anderen braucht man 6 Minuten… Klappt also bestens. Nach Tokio wird es grüner, die Landschaft wirkt in der Präfektur Fukushima freundlicher. Aber mit dem Namen sind natürlich die Assoziationen an das grosse Erdbeben, den Tsunami, die Atomkatastrophe verbunden.
20140525-222024-80424977.jpg

Schattenseiten

Nach der Sitzung mit Ikuta treffe ich mich mit Maiko Tateishi, die hier als lecturer und Forscherin arbeitet und daneben ehrenamtlich in einer NPO Kinder und Jugendliche mit Problemen betreut. Ich habe Maiko bei einem früheren Besuch in Nara kennengelernt. Meist sprüht sie nur so vor Energie, heute scheint sie auch etwas müde zu sein von der vielen Arbeit. Die Arbeit, die liegen bleibt, weil sie sich Zeit für mich nimmt, wird sie sicher über das Wochenende erledigen müssen Ich habe bis jetzt niemanden kennen gelernt in Japan, der oder die nicht m.E. ungesund viel arbeitet.
Wir sprechen denn zuerst auch über Probleme von Kindern und Jugendlichen in Japan. Konkret nennt sie Bullying in den Schulen, das ein grosses Problem sei und auch zu Absentismus, oft über sehr lange Zeit führe. In der Lehrpersonenbildung legt sie darum Wert darauf, die Studierenden auf Konflikte unter Kindern vorzubereiten. Japanerinnen und Japaner (und also auch die Lehrpersonen) sind so sozialisiert, dass Konflikte nicht sein dürfen. Lehrerinnen und Lehrer haben also weggeschaut, wenn unter Schülerinnen und Schülern Konflikte, Quälereien usw. aufkamen, weil nicht sein kann, was nicht sein darf. Opfer wie Täter werden so allein gelassen, so dass sich das Bullying ständig weiter steigern kann. Dies kann zum vollständigen sozialen Rückzug (Hikkimori) führen, die Kinder und Jugendlichen getrauen sich nicht mehr in die Schule, oft nicht einmal aus ihrem Zimmer.
Es sei keine einfache Arbeit, das Mindset der Lehrpersonen hier zu ändern, damit sie präventiv tätig sein können, meint Maiko.
In Zusammenhang mit dem ökonomischen Knick seit den 90-er Jahren, den Japan noch nicht überwunden hat, sind auch die NEET ein grosses Thema. Jugendliche und jungen Erwachsene, die wenig Selbstwertgefühl haben, gar nicht mehr versuchen, eine Stelle zu finden, sich nur noch in einer virtuellen Welt bewegen. Hier ein paar Links zur Thematik:

Career Education
Das Erziehungsministerium will die Problematik mit „career education“ in den Griff bekommen.
The term „career development“ means the entire „process of achieving one’s own life to live by playing one’s unique role in society.“
Die Ziele wurden national folgendermassen definiert
20140517-210449.jpg
Quelle MEXT (PDF)

Es wurden zwölf zu erreichende Kompetenzen definiert (z.B. „Verstehen anderer Standpunkte“, „realistische Selbsteinschätzung“, „zusammenarbeiten können“, „Konflikte lösen können“, „höflich sein“) und ein Lehrplan und Unterrichtsmaterialien von der Kindergartenstufe bis zur Sekundarstufe II geschaffen.

Das „Teacher Education Center for the Future Generation“ hat diese 12 Kompetenzen geschickt aufgenommen und bei der Einführung eines Praktikums, bei dem Studierende Lehrpersonen als Assistent/innen unterstützen, erhoben, welche dieser 12 Kompetenzen dank des Praktikums gefördert werden. Es sind lediglich zwei Kompetenzbereiche, in denen die Schülerinnen und Schüler dank dieser Unterstützung signifikante Fortschritte machen (Im Bereich „Verstehen anderer Standpunkte“ und im Bereich „Höflichkeit“). Schlussfolgerung: es braucht weitere Praktika mit anderen Schwerpunkten, um die Schülerinnen und Schüler auch in den anderen Kompetenzbereichen wirksam zu fördern.

Freiwillige in den Schulen
Das oben erwähnte Praktikum ist geschaffen worden, weil die Studierenden sehr wenig berufspraktische Ausbildung haben (obwohl die Uni sehr gute „affiliated schools“ hat, d.h. Schulen auf jeder Stufe, die auch organisatorisch zur Uni gehören). Ausgangspunkt war der Auftrag, Freiwillige (d.h. Rentner, middle-age-Mütter, die keiner Erwerbsarbeit nachgehen) auszubilden, damit diese als Assistent/innen in den aus finanziellen Gründen sehr grossen Klassen (meist gegen 40 Schülerinnen und Schüler) eingesetzt werden können. Ein solches Ausbildungskonzept mit zwei Stufen („child partner“ und „child supporter“) wurde mit anderen Hochschulen zusammen ausgearbeitet und implementiert.
20140517-211522.jpg
Beratungszentrum für die Freiwilligen
Man kam nun auf die Idee, auch Studierende als „Freiwillige“ einzusetzen, um ihnen die Möglichkeit zu geben, etwas mehr Erfahrung in der Schule zu sammeln. Maiko organisiert diese Kurzausbildung auch für die Studierenden und erhebt die Daten, welche Kompetenzen damit gefördert werden.
20140517-211405.jpg
Kurzausbildungskonzept für die Freiwilligenarbeit in der Schule

Publikationen
Während die Nara University of Education in vielem – durchaus positiv – der früheren seminaristischen Ausbildung gleicht (Klassenbetrieb, Tierhaltung auf dem Gelände, gemeinsame Projekte und Studienschwerpunkte usw.), ist sie in diesem Bereich wirklich universitär. Es ist klar, dass „publish or perish“ gilt, die Hochschule und die Institute haben eigene Journals, die Dozierenden publizieren regelmässig, meist über eng mit ihrer Arbeit zusammenhängende Forschungsresultate. Das Motto könnte in etwa sein: „Without data, you are just another person with an opinion“ (wie Amanda Ripley Schleicher zitiert). The smartest kids in the world, New York: Simon and Schuster 2013, 18). Als ich erzähle, dass ich noch eine Woche an die University of Education in Fukushima fahren werde, zückt Maiko sofort das Journal der dortigen Universität und zeigt, woran sie dort gerade arbeiten.
20140517-211658.jpg
Publizieren ist wichtig
Freitagabend, ich muss mich von den Leuten hier und von Nara verabschieden. Die Assistentin von Ikuta schenkt mir noch einen Fächer und ein Pack Bonbons für die Reise und lässt mich sichtlich ungern ziehen. Ich fahre auch nicht gerne weg, hier in Nara haben sie eine ähnliche Wellenlänge, ähnliche Vorstellungen davon, was gute Lehrpersonenbildung ist. Dazu gehören auch – und das habe ich hier die ganze Woche immer wieder gespürt – Herz und Humor.

Lehrer/innenbildung – Debriefing in Nara

20140517-202017.jpg
Praktisch alle Studierenden kommen mit dem Velo von den Dorms zu den Lehrveranstaltungen
Gemeinsamkeiten – Unterschiede
Die Woche hier an der Nara University of Education geht dem Ende entgegen. Ikuta Shuji kommt für ein Abschlussbriefing vorbei.
Ein grosser Unterschied zwischen unseren beiden Institutionen ist, dass in Nara die Zahl der Aufgenommenen der Zahl der verfügbaren Studienplätze entspricht. Dies macht die Planung um vieles einfacher.
Obwohl in Japan in der Primarschule das Klassenlehrerprinzip vorherrscht (Ausnahmen Musik, Künste, Hauswirtschaft), wählen die Studierenden ein Hauptfach, für das sie einen Grossteil ihrer Studienzeit benötigen. Drei Nebenfächer kommen hinzu. Für die Sekundarstufen I und II studiert man lediglich ein Fach.
20140517-202709.jpg
Quelle: Nara University of Education (PDF)
Es gelingt der Uni recht gut, Ihre Abgängerinnen und Abgänger in der Schule zu platzieren, allerdings sind unter „Teacher“ subsummiert auch viele temporäre und v.a. viele Teilzeitstellen. Wer keine Stelle in einer Volksschule findet, weicht häufig in den florierenden Juku-, d.h. Nachhilfebereich aus.
20140517-202147.jpg
Quelle: Nara University of Education (PDF)
Auch die Masterstudiengänge sind eine Möglichkeit, sich nicht sofort um eine Stelle kümmern zu müssen. Die Graduate School ist allerdings eher ein Sorgenkind für Ikuta. Neben den Masterstudiengängen wurden für die amtierende Lehrerschaft eigens „Professional Degree“-Studiengänge eingeführt, die teilzeitlich und berufsbegleitend besucht werden können. Diese Möglichkeit wird aber den Lehrpersonen von der Präfektur nur sehr zögerlich gewährt (gerade drei Studierende sind amtierende Lehrpersonen). Ikuta muss nach dem Debriefing an eine weitere Sitzung mit der Präfektur zu diesem Thema eilen.
20140517-203150.jpg
Zusammenarbeit mit anderen Hochschulen
Neueren Datums ist auch die Zusammenarbeit mit anderen Lehrer/innenbildungshochschulen. An den mittlerweile über 50 Online-Angeboten beteiligen sich sehr viele Hochschulen. Im Angebot hat es nicht nur e-Learning-Einheiten, sondern auch klassische Seminare und Vorlesungen, die von einer Hochschule angeboten und live an die anderen Hochschulen übertragen werden. Ein Vorlesungsraum wurde in Nara eigens mit der entsprechenden Technik ausgerüstet, so dass auch Fragen direkt Fragen gestellt werden können und man einander sieht.
Die Zusammenarbeit funktioniert aber auch im Forschungsbereich. Mit Kyoto und Osaka gemeinsam wurde ein „Teacher Education Center for the Future Generation“ gegründet.
Die Arbeitsteilung unter den Unis wurde so festgelegt, dass man sich in Nara schwergewichtig mit undergraduate studies, in Osaka mit graduate studies (Master und PhD) und in Kyoto mit Weiterbildung beschäftigt.
20140517-203243.jpg
Die Science-Dozierenden haben beschlossen, Ziegen zu halten. Diese werden sowohl von Studierenden wie von Primarschülerinnen und -schüler gehätschelt. Neckischerweise haben sie sie nach Primarlehrerpersonen getauft. So kann man problemlos sagen, Okubo sei heute wieder bockig…
Wir verabschieden uns nach dieser interessanten Diskussion. Ich hoffe, Ikuta wieder zu sehen, sei es in Nara, Hongkong oder Zürich. Wir sind aber beide nicht sicher, wann es das nächste Mal sein wird, seine Funktion erlaubt ihm kaum mehr, ins Ausland zu reisen und auch ich werde wohl in nächster Zeit nicht gerade wieder nach Nara reisen kommen. Schade.
20140517-203629.jpg
Schülerinnen auf dem Heimweg von der „affiliated school“ auf dem Campus

Schule, Gesellschaft, Lehrpersonen

20140515-183245.jpg
Ergebnis der Schule: Unkreative Auswendiglernende oder kooperative Leistungsorientierte?
„Japanese education appears to be both first-class and uncreative. (…) At one end of the debate some observers point out, that Japanese education is geared producing students, who are good answering multiple-choice questions but who lack creativity and originality of thinking. (…)
At the other end, ethnographic researchers tend to point out its high standards, egalitarianism and meritocratic orientation (…) Some take a positive view of what they regard as the harmonious, group-cohesive and collectivist emphasis.“ meint Sugimoto in seiner Introduction to Japanese Society (2011, 151).
In Schulen gesehen habe ich eher das zweite, positive. Allerdings sind die Kooperationsschulen der Nara University of Education ja sicher gute Beispiele von Schulen. In Gesprächen ausserhalb der Uni bin ich auch viel mit der unkreativen, disziplinierenden und drillorientierten Seite der Schule konfrontiert worden.

Lehrpersonen als ausführende Beamte?
Im „Global Teacher Status Index“ der Varkey Gems Foundation (PDF), den mir ein koreanischer Kollege gemailt hat, wurde eine Stichprobe aus der Bevölkerung verschiedener Länder u.a. auch gefragt, welcher Beruf mit dem Lehrberuf am vergleichbarsten sei: Sozialarbeiter, Bibliothekar, Arzt, Krankenschwester, Lokaler Beamter. Während in der Schweiz und verschiedenen anderen Ländern der Lehrberuf am häufigsten in die Nähe der Sozialarbeit gesehen wurde, wurde er ausschliesslich in Japan in die Nähe von lokalen Beamten und ausschliesslich in China in die Nähe von Ärzten gesehen. Das zeigt sicher auch, dass bei der starken zentralen Steuerung Lehrpersonen in Japan häufig einfach als Ausführende angesehen werden. (PDF)

Gesellschaftliche Segmente und ihre Vorstellungen von Schule
Sugimoto (152) unterteilt vier „competing educational orientations“. Ich lehne mich im Folgenden an ihn an. (Kursiv sind Erfolge des jeweiligen Segmentes aufgezeigt):
20140515-183706.jpg
A: Marktorientierung, Neoliberalismus
Die Schulen sollen sich stärker am Markt orientieren und z.B. auch Elitebildung ermöglichen. Gefordert sind einerseits eine starke Leistungsorientierung, andererseits auch mehr Schülerzentriertheit, Problemlösungsorientiertheit, Kreativität, Individualität. Nur so kann man im globalen Wettbewerb, in der Wissensgesellschaft bestehen.
Das interdisziplinäre Fach „Integrierte Studien“ wurde auch auf Betreiben dieses Segments geschaffen. Schulleitende werden neu auch aus der Privatwirtschaft, nicht mehr zwingend aus dem Lehrberuf angestellt. Innerhalb von gewissen Grenzen wurde in den Städten das Wohnsitzprinzip für die Einteilung in die Schulen aufgehoben, Eltern haben z.T. auch bei den öffentlichen Schulen eine Wahl. Englisch beginnt häufig schon in den Primarschulen.

B: Geregelter Pluralismus
Eine gewisse Liberalisierung, die den Schulen mehr Freiheiten gibt, soll ermöglicht werden – bei gleichbleibend starker staatlicher Steuerung. Stärkere Betonung einer „ganzheitlichen Erziehung“, die auch soziale Erziehung und kritisches Denken mit einschliesst anstatt Überbetonung des mechanischen Auswendiglernens und sehr hohe zeitliche Belastung der Schülerinnen und Schüler
Ab 2002 erfolgte eine Senkung der Anzahl Lektionen um bis zu 30% und eine Verringerung der Hausaufgaben. Man wollte ein Schule mit weniger Druck und mehr Entwicklungsmöglichkeiten ausserhalb der Schule ermöglichen und führte deshalb auch die Fünftagewoche ein.
Leistungen sollten nicht mehr nur nach der Sozialnorm beurteilt werden, sondern anhand der Lernziele und der Lernfortschritte der Kinder und Jugendlichen.
Schulen konnten jetzt in gewissen Gebieten selbst Schwerpunkte setzen (Englisch u.a.). NPO konnten Privatschulen mit eigenen Schwerpunkten eröffnen.

C: Demokratische, egalitäre Ausrichtung, Ablehnung der Regierungspolitik
Hier sind meist auch die Lehrergewerkschaften positioniert. Gleichheit der Schulen ist eine Voraussetzung für Chancengerechtigkeit. Die Fixiertheit auf Prüfungen (Aufnahmeprüfungen usw.) soll überwunden werden, weil dadurch die Chancen sehr ungleich verteilt werden (Wer sich die Unterstützung der „Nachhilfeindustrie“ kaufen kann, hat bessere Chancen bei den Aufnahmeprüfungen).
Kreativität, Individualität, Problemlösefähigkeiten sollen für alle gefördert werden.
Man ist gegen teure Privatschulen, mit deren Hilfe man sich – bei entsprechenden finanziellen Mitteln – den Eintritt in eine gute Universität sichern kann.
Auch diese Fraktion kann teilweise Erfolge verbuchen, z.B. in dem Universitäten bei der Aufnahme nicht nur auf Prüfungsresultate und den zentralen Test (PDF) achten, sondern auch weitere Kriterien anwenden. Auch curricular und methodisch hat die Lehrerschaft immer wieder Erfolge und kann Neues einführen (Transferorientierung, Projekte u.a.)

D: Bewahrender Konservatismus
Die staatlich gesteuerte, gleiche Schulung für alle soll bewahrt werden, damit Staat und Gesellschaft möglichst homogen bleiben. Gleichheit wird durch das (nicht durch neoliberale und pluralistische Tendenzen gestörte) meritokratische System, durch Verpflichtung, Respekt, Arbeitsdisziplin ermöglicht. Dieses System hat – bevor es verwässert wurde – Japan etwa zwischen 1960 und 1980 grossen wirtschaftlichem Erfolg gebracht.
Die zu grossen Freiheiten, die Schülerinnen und Schüler heute haben, sind mit ein Grund, warum die Schulleistungen zurückgehen und Japan weniger Erfolg hat als früher.
Es braucht wieder mehr Kontrolle, Disziplin und Heimatliebe.
Erreicht werden konnte z.B., dass in den Schulen der Fahnenaufzug und bei festlichen Anlässen das Absingen der Nationalhymne wieder eingeführt wurde. Diese Fraktion hatte auch Erfolge bei der Zulassung von Geschichtslehrmitteln, in denen Japans Rolle im zweiten Weltkrieg krass beschönigt wird.
Die letzte curriculare Reform nahm vieles, das ab 2002 eingeführt worden war, wieder zurück und stärkte damit dieses gesellschaftliche Segment. Das Erziehungsministerium geht in seiner Zusammenfassung der neusten Reformen explizit darauf ein, dass einige frühere Projekte gescheitert sind (MEXT, PDF)

Mein Kollege muss das Nachtessen absagen, er wurde mit so vielen dringlichen Geschäften eingedeckt, dass ihm nichts anderes übrig bleibt als bis in alle Nacht zu arbeiten… Die Arbeitslast, die sehr viele – von Schülerinnen und Schülern bis zu Angestellten auf jeder Hierarchieebene – auf sich nehmen müssen, ist sehr gross. Entsprechend müde sehen die Leute im öffentlichen Verkehr und in den Bibliotheken der Unis aus.
20140515-183410.jpg

Jä nu, ich habe etwas ein schlechtes Gewissen, dass ich einen solchen Urlaub machen kann, während in Japan der soziale Druck so stark ist, dass kaum jemand mehr als eine Woche Ferien am Stück bezieht. Das National Museum, in dem ich noch nie war, besuche ich dann aber trotzdem über Mittag. Es zeigt eine Ausstellung über buddhistische Ikonen während der Kamakura-Zeit. Leider darf man nicht fotografieren, aber es ist umwerfend, wie den Künstlern des 13. Jahrhunderts Charakterisierungen von z.B. Zen-Meistern gelungen sind. Und es ist sehr interessant, zu sehen, welche Veränderungen der Buddhismus bei seinem Weg von Indien über China nach Japan erfuhr.
20140515-183454.jpg

Lehrer/innenbildung

Bild (c) Nara University of Education
Ich bin langsam sehr müde. Mehr als 10 Wochen neue Eindrücke und Informationen aufnehmen, mich ständig auf immer andere Situationen und Personen einstellen, mit Ungewissheiten umgehen, staunen, warten, Pläne ändern, mich durchsetzen. Gelassen und für Unerwartetes offen bleiben. So bereichernd es ist, es ist auch zehrend. Ich freue mich darauf, in fünf Wochen wieder zu Hause zu sein.

Aber vorerst befasse ich mich ausführlicher mit der nicht ganz einfach zu durchschauenden japanischen Lehrpersonenbildung. Interessant ist, dass ich nicht einfach jemanden fragen kann – Studierende wie Dozierende beginnen häufig zu rätseln, wenn ich sie nach dem japanischen System – das ja an sich zentral gesteuert ist – frage. Es scheint hier auch sehr viele lokale Spezifitäten und häufige Änderungen zu
Aus Murata/ Yamaguchi 233 ff. und Gesprächen entnehme ich:

  • Es gibt einen oder mehrere Lehrer/innenbildungsstudiengänge an jeder nationalen Universität
  • Lehrpersonenbildung ist an Colleges (d.h. zweijährigen Hochschulen, häufig ohne Forschung) und Universitäten möglich und natürlich an den häufig aus Zusammenschlüssen von früheren Colleges hervorgegangenen Universities of Education. Das Curriculum für die Lehrpersonenbildung muss zwingend vom Erziehungsministerium genehmigt werden.
  • Unter der DP, die 2009 – 2012 an der Macht war sollte das Lehrer/innenbildungssystem auf 6 Jahre umgestellt werden, nach dem Bachelorabschluss nach vier Jahren sollten also noch zweijährige „graduate schools“ für angehende Lehrpersonen eingeführt werden. Dies ist heute teilweise umgesetzt. Die Nara University of Education verfügt über eine solche Graduate School, die man mit einem Master abschliesst. Als Majors werden School Education und Subject Education angeboten. Ein Masterabschluss ist aber für die meisten Lehrberufe nicht zwingend. Je nachdem, ob man einen Bachelor- oder Masterabschluss hat, bekommt man einfach ein anderes Diplom mit anderen Verdienstmöglichkeiten.

20140514-220025.jpg
Quelle: Consortium for Policy Research in Education (PDF)

  • Nach der Diplomierung folgt eine zweijährige berufsbegleitende Phase
  • Primarschule: Ausbildung zur Klassenlehrperson, die alle Fächer erteilt (Ausnahmen gibt es: Musik, Kunst, Hauswirtschaft für die Fachlehrer/innenausbildungen angeboten werden). Eine Ausbildung zur Klassenlehrperson heisst nicht, dass alle Fächer gleich gewichtet werden. In der Regel bildet man sich in etwa drei Fächern eingehend aus.
  • Ab Sekundarstufe I erfolgt die Ausbildung zur Fachlehrperson, die lediglich ein Fach unterrichtet

20140514-214914.jpg
Bild (c) Nara University of Education

  • Wie schon erwähnt führen die Städte oder Präfekturen einen harten Selektionsprozess durch, mit Persönlichkeitstests, Assessments, Individual- und Gruppeninterviews, Probelektionen usw.
  • Die Uni bietet ein Supportsystem an, um die Studierenden auf die Selektion vorzubereiten, ebenso die Stadt Nara (für diejenigen, die in der Stadt unterrichten wollen, ist es praktisch unumgänglich, an Samstagen diese Support-Kurse auch zu besuchen, sonst haben sie kaum Chancen, eine Stelle zu bekommen)
  • Der Selektionsprozess erklärt sich mit der ständigen Abnahme der Schülerinnen- und Schülerzahlen

20140514-220123.jpg
Quelle: MEXT

  • Wer eine Anstellung bekommt, absolviert zuerst eine einjährige Probezeit.

20140514-215833.jpg
Bild (c) Nara University of Education

  • Die Berufseinführungsphase dauert 2 Jahre und ist intensiv: 10 Stunden pro Woche werden für schulinterne Weiterbildung eingeplant, d.h. Beratung durch Schulleitende und erfahrene Lehrpersonen. 25 Tage für externe Weiterbildung, die häufig durch private Anbieter durchgeführt wird.
  • Die Weiterbildung wird in vier Typen unterschieden
    • individuelle Weiterbildung, Weiterbildung in der Schule (z.B. Peer-Coaching, Unterrichtsbesuche bei erfahrenen Lehrpersonen), Weiterbildung durch verschiedene Anbieter (z.B. Angebote durch Forschungsinstitutionen, Umweltorganisationen usw.)
    • Weiterbildung durch die Anstellungsbehörde (spezielle Weiterbildungen für Lehrpersonen mit 5, 10 und 20 Jahren Erfahrungen, wobei diejenige nach 10 Jahren gesetzlich vorgeschrieben ist Weiterbildungen, die mit einem Funktionswechsel (z.B. zum „leading support teacher“, „vice principal“, „principal“ usw. verbunden sind
    • Weiterbildung durch die Universität (zielt v.a. auf einen höheren akademischen Grad oder ein weiteres Diplom)
    • Weiterbildung durch die Universität, um alle 10 Jahre das Diplom zu erneuern (ein „Verfalldatum“ der Diplome wurde 2007 eingeführt).

    20140514-215255.jpg
    Bild (c) Nara University of Education
    Das tägliche Leben an der Universität hier in Nara wird auch mit einem Blog und einer Facebookseite dargestellt
    Blog (durch Google recht und schlecht übersetzt)
    Facebook

    Am Nachmittag fahre ich mit einer deutschen Austauschstudentin und einer japanischen Studentin, die ein Gastsemester in Heidelberg plant an die Uni Osaka zum Deutschen Seminar, so der Dokumentarfilmer Einblick in seine Arbeit gibt. Die Uni verfügt über drei grosse Campi und viele „Schools“. Hier ist deutlich alles zwei, drei Schuhnummern grösser als an einer University of Education wie in Nara. Der Relationen sind ähnlich wie z.B. zwischen der Uni Zürich und der PH Zürich.

Schule, Gesellschaft, Lehrpersonenbildung (2)

20140513-221317.jpg
Meine Notizen sind wenig aufbereitet, die Zusammenfassungen und Schlüsse provisorisch und unvollständig. Sie dienen mir hier einfach als Gedächtnisstütze, um später weiter daran zu arbeiten.

Zentrale Steuerung, Schulbücher
Das Bildungssystem Japans ist – mit allen Vor- und Nachteilen – sehr zentral gesteuert vom Erziehungsministerium, das die Politik der jeweiligen Regierung, meist also der LDP umsetzt. Lehrpläne und Stundentafeln werden für ganz Japan erlassen. Auch die Lehrer/innenbildung ist über die Lizenzierung zentral gesteuert, wenn auch die einzelnen Universitäten einige Freiräume haben. Mit dem Fach bzw. dem Zeitraum für „integrierte Studien“ haben die Schulen Möglichkeiten bekommen, wenigstens während drei Lektionen pro Woche eigene Schwerpunkte zu setzen.
Besonders kontrovers diskutiert wird die zentrale Steuerung bei den Schulbüchern. Schulbücher müssen ein kompliziertes Verfahren durchlaufen, bevor sie zugelassen werden. Die Zulassung kann mit Auflagen zur Überarbeitung verknüpft werden. Anfangs des 21. Jahrhundert und wieder seit 2012 sind Geschichtsbücher ein grosses Thema. Japan wird vorgeworfen, Schulbücher zuzulassen, die die Aggressoren-Rolle Japans im zweiten Weltkrieg massiv herunterspielen.
Die Northeast Asian History Foundation in Korea zeigt das Problem auf, ebenso ein 2001 an der Stanford-University verfasstes Paper. Über die aktuellen Entwicklungen unter der Regierung Abe hat die taz letzthin berichtet.
20140513-220924.jpg
Nach der High School: Prüfungshölle und Hochschule oder Übertritt ins Arbeitssystem
Das Erziehungsministerium gibt einen Überblick über das Hochschulsystem in Japan (PDF).
Über die „Prüfungshölle“, durch die japanische Schülerinnen und Schüler gehen, liest man auch in europäischen Zeitungen immer wieder. Yoshio Sugimoto (An Introduction to Japanese Society, Cambridge: Cambridge University Press, 2011; 3. Aufl.) relativiert, nur ca. 50% eines Jahrgangs wechselten nach der Mittelschule an eine Universität: „One should bear in mind that about one half of Japan’s youth do not advance to four year universities and most make no preparation for university entrance examination, the well publicized „examination hell“ belongs to less than half of Japanese youth“ (128f.) Na ja, immer noch sehr viel.
Die Mittelschülerinnen und -schüler versuchen, an eine Universität, die in den Rankings möglichst hoch angesiedelt ist, aufgenommen zu werden – unabhängig davon, ob sie dort mit ihren Fähigkeiten und Interessen gut aufgehoben sind. Sie werden auch von ihren Eltern entsprechend angetrieben, da allgemein die Meinung vorherrscht, mit dem Besuch einer möglichst angesehenen Universität sei auch die Karriere gesichert, d.h. eine Stelle in einer grossen Unternehmung oder in der öffentlichen Verwaltung so gut wie sicher. (130f.)
Von den 50% eines Jahrganges, die – manchmal nach ein, zwei Jahren, in denen sie sich erneut auf eine Aufnahmeprüfung, bei der sie gescheitert sind vorbereiten – studieren, gelingt nur etwa 20% die Aufnahme an eine nationale oder regionale Universität. 80% besuchen eine private Universität, was für die Eltern mit z.T. sehr hohen Kosten verbunden ist. (Die jährlichen Kosten für ein Hochschulstudium belaufen sich etwa auf die Hälfte eines jährlichen Durchschnittseinkommens) (131, Sugimoto bezieht sich auf Zahlen des Erziehungsministeriums). Entsprechend wurden in letzter Zeit Anstrengungen unternommen, das – früher weitgehend inexistente – Stipendiensystem etwas auszubauen.

Wer nicht an die Hochschule wechselt, nimmt entweder eine kürzere Berufsausbildung in Angriff oder eine feste Stelle an. Diejenigen, denen das nicht gelingt, schlagen sich oft mit Teilzeitjobs oder temporären Beschäftigungen durch und hoffen auf eine spätere fixe Anstellung oder sie fallen durch die Maschen und werden zu NEET (Not in Education, Employment oder Training). Von ihnen ist in Japan momentan viel die Rede, vgl. WoZ. Interessant, dass der Übergang ins Beschäftigungssystem meist nicht durch Bewerbungen bei einem Arbeitgeber geschieht, sondern dass die Firmen mit den „placement counselors“ der Schulen Kontakt aufnehmen und ihnen die Bewerbungsunterlagen zukommen lassen. Die Beratungslehrperson setzt dann alles daran, die Schülerinnen und Schüler so zu platzieren, dass die Firmen zufrieden sind und die Bewerbungsunterlagen auch in Zukunft ihrer Schule (und nicht einer anderen) zukommen lassen. Entsprechend wichtig ist es also, die richtige High School zu besuchen und dort einen guten Eindruck zu hinterlassen, damit man auch einer guten Firma empfohlen wird (vgl. eine ältere Darstellung hier)
Die Zahl der jungen Erwachsenen, die direkt nach der High School ins Erwerbsleben übertreten, ist in den letzten Jahrzehnten allerdings massiv gesunken. Rund 44% der High School-Abgängerinnen und -Abgänger treten nicht an eine Universität oder ein 2-jähriges Junior College über, aber nur rund 16% nehmen direkt eine Arbeit auf.
20140514-092230.jpg
Quelle: MEXT
20140513-223400.jpg
Studierende stehen in der Mensa an, um nach dem Essen ihr Geschirr abzuspülen: auch eine Form von „Citizenship Education“.
Schattensystem (Nachhilfe)
Das alles führt zu einem eigentlichen Schatten-Bildungssystem: zwei Drittel der männlichen Studierenden besuchen nach Sugimoto Juku schools, d.h. Nachhilfeschulen, Coaching usw. in irgendeiner Form, um bei Prüfungen bestmöglich abzuschneiden. Zusammen mit dem Besuch der extracurricularen Aktivitäten ihrer Schulen (häufig wird die Teilnahme erwartet) führt dies zu einer drastischen Einschränkung der Freizeit.

Ranking
High Schools werden nach einem System, das „Hensachi“ genannt wird bewertet. Hensachi stellt die Aufnahmequote an Hochschulen dar. Schulen in der Mitte der Normalverteilung, haben ein Hensachi Rating von 50, solche mit einer Standardabweichung über dem Mittelwert eine von 60, mit einer Standardabweichung unter dem Mittelwert eine von 40. (Vgl. zur Methode und allgemein)

Bezüge zur Schweiz
Man lernt ja auch die Vorzüge des eigenen Bildungssystems wieder kennen, wenn man sich mit anderen befasst. Ein sehr grosser Asset des schweizerischen Systems ist sicher seine Durchlässigkeit. In Japan besteht nach einem Misserfolg in einer Aufnahmeprüfung die einzige Chance, doch noch einen erhofften Beruf aufnehmen bzw. in eine erhoffte möglichst gute Hochschule aufgenommen zu werden in einem Wartejahr mit erneuter Prüfungsvorbereitung. „Herrenlose Samurai“ nennt man die Schulabgängerinnen und -abgänger, die sich erneut auf die Prüfung vorbereiten. In der Schweiz gibt es immer wieder Möglichkeiten, Ausbildungen und Abschlüsse nachzuholen, neue Weichenstellungen vorzunehmen.
Auch die Berufsbildung, wie wir sie in der Schweiz kennen, wäre hier für viele sinnvoller als eine allgemeinbildende High School oder eine private Universität, für die es schwierig ist, die nötige Motivation aufzubringen.
Schliesslich ist das System der öffentlichen und bezahlbaren Hochschulbildung einem System mit privaten, teuren und zu einem rechten Teil wohl qualitativ nicht allzu hochstehenden „Universitäten“ vorzuziehen.
Es gibt hier in Japan auch ganze Schulholdings, gute private Hochschulen haben eigene High Schools als „Zubringer“, um so die Qualität ihrer Erstsemestrigen sicherzustellen. Solche Entwicklungen habe ich auch schon in anderen Ländern gesehen; wenn man die Rhetorik der ETH verfolgt, scheint sie manchmal auch solche Gedankenspiele zu machen.
Das japanische Bildungssystem sollte nach dem zweiten Weltkrieg weitgehend „meritokratisch“ neu aufgebaut werden. Weil es aber sehr vom Bildungsstand der Eltern und – wohl stärker als in der Schweiz – von den Finanzen der Eltern abhängt, welchen Bildungsabschluss Jugendliche und junge Erwachsene erreichen, sprechen manche von einer „Parentokratie“ (Sugimoto 2011, 152). Dass der Bildungsabschluss der Eltern der zuverlässigste Prädiktor für den Bildungserfolg der Kinder ist, gilt auch in der Schweiz, die Gefahr, dass auch der finanzielle Hintergrund ein noch wesentlicherer Prädiktor wird, besteht durchaus.
20140513-223240.jpg
Dorm for International Students

Schule, Gesellschaft, Lehrpersonenbildung (1)

20140512-213833.jpg
Mein Kollege Ikuta Shuji, Trustee und Vizepräsident der University of Education in Nara holt mich heute Morgen mit seiner Assistentin Kanako Hasuike im Hotel ab. Sie organisieren mir einen Zugriff auf das IT-Netz der Universität und einen Badge für die Bibliothek. Ikuta Shuji überlässt mir sein Professoren-Büro, er braucht es leider nur noch selten, da er meist in seinem Vizepräsidentenbüro arbeitet.
20140512-213957.jpg

20140512-214016.jpg
Mein Problem ist oft, dass mich zu viel interessiert, d.h. fast alles, was mit Schule, Gesellschaft und Lehrpersonenbildung zu tun hat. Ich versuche, etwas auf meine neuen Themen zu fokussieren, d.h. Innovationen in Schule und Lehrer/innenbildung. Wichtig scheint mir die Frage, wie in Japan Themen wie Erziehung zu Kreativität, zu Problemlösefähigkeit, zu Innovationsvermögen angegangen werden. Auch „Citizenship Education“, wie wir sie in Singapore gesehen haben (dort wird sie unterdessen „Charaktererziehung“ genannt, hier in Japan „moralische Erziehung“), scheinen mir wichtig.

Ikuta Shuji schenkt mir eine gute – und neu überarbeitete – Einführung in das japanische Erziehungssystem. Yokua Murata und Mitsuru Yamaguchi: Education in Comtemporary Japan – System and Content. (Tokyo: Toshindo, 2010)

Überblicke geben auch die folgenden Webseiten:
– das Ministry of Education, Culture, Sports, Science and Technology MEXT
– das National Institute for Education Policy Research NIER

Ich lese mich ein und stosse u.a. auf die folgenden Themen:

Von der „Information Recipient Nation“ zur „Information Providing Nation“
(Murata/ Yamaguchi 2010, 13). Japan ist es wichtig – das habe ich auch in Tokio gesehen – das Image des Informationen aufnehmenden, kopierenden Landes endlich loszuwerden und als Informationen produzierendes und exportierendes Land wahrgenommen und geachtet zu werden. Hierzu passt z.B. auch die im Hinblick auf die Olympiade 2020 in Tokio vom Erziehungsministerium ausgearbeitete Skizze, wie sich die japanische Gesellschaft bis 2020 verändern soll
20140512-172251.jpg
Quelle: MEXT, PDF

Innovation und Werte sind die Leitworte für die Weiterentwicklung der Gesellschaft, sie sollen sich ergänzen, nicht behindern. In dieser Skizze wird auch deutlich, wie stark Japan durch den Geburtenrückgang, die alternde Gesellschaft gefordert ist: „Strategic creation of breathing space, while maintaining competitiveness in an aging society (a society in which people can continue taking on challenges throughout their lives)“ Es soll also neben der harten Arbeit auch noch etwas Raum zum Atmen geben, damit eine Gesellschaft des lebenslangen Lernens verwirklicht werden kann.

Life Long Learning
Die stetig sinkende Geburtenrate ist (zusammen mit der gewollt sehr kleinen Immigrationsrate) eine Hauptherausforderung Japans. MEXT schreibt denn auch mit einer gewissen Dringlichkeit: „In the midst of a dwindling birthrate and a population that is aging and shrinking, bringing out the skills and individuality of every person to the utmost extent and utilizing diverse human resources has become absolutely essential to Japan’s economy and society (…). (Quelle: MEXT)

LLL wird deshalb auch in Japan stark gepusht, den Gemeinden und Privaten kommen dabei wichtige Funktionen zu.

Communities
Mir fällt auch sonst auf, dass „Communities“ im Vergleich zur Schweiz hier viel häufiger als Erziehungspartner genannt werden: „Basically, school is no more the sole educational institution, but shares its educational function with local communities and families (Murata/ Yamaguchi 2010, 53). Auch MEXT erwähnt die Communities explizit, so soll die Zusammenarbeit zwischen Schulen, Communities und Familien gefördert werden. (Quelle: MEXT)
In der Lehrerinnen- und Lehrerbildung wird diese Zusammenarbeit z.B. durch Formen des „Service Learning“, von Sozialeinsätzen der Studierenden schon früh angelegt.

Lehrpersonenbildung
Das NIER gibt einen Überblick (PDF)
Für jede Schulstufe gibt es drei Typen von Diplomen und jedes Diplom muss nach 10 Jahren erneuert werden. Obligatorisch sind – in Zusammenhang mit Citizenship Education wichtig – in der Lehrpersonenbildung auch Kurse über die Verfassung.
Sehr viele Absolventinnen und Absolventen der Lehrerinnen- und Lehrerbildung können allerdings – auch nach einem oder zwei Wartejahren – gar nie im Beruf arbeiten, durchschnittlich ist auf 6.2 Bewerberinnen und Bewerber nur eine Stelle offen, was zu harten Selektionsverfahren führt.
20140512-172815.jpg

Schulreformen
Die Einführung der 5-Tage-Woche, die Reduktion der Lektionenzahl und die Einführung von „cross-curricular-studies“, die von den Schulen selbst verantwortet werden können, haben offenbar zu einem Leistungsrückgang geführt, so dass das Rad wenigstens teilweise wieder zurückgedreht wird. Die Lektionenzahl sieht heute in den verschiedenen Fächern und Klassen folgendermassen aus:
20140512-173038.jpg
Mit dem Ziel, die Wirtschaftsentwicklung wieder anzukurbeln wurde neu wieder eingeführt auch die

Moralische Erziehung
Hier ein paar Ausschnitte aus dem vom Ministerium bereitgestellten Lehrmittel. „Boys, be ambitious“ des bei uns kaum bekannten amerikanischen Universitätsgründers William S. Clark (Wikipedia engl.) soll – nicht nur individuell, sondern auch national – den Ehrgeiz anstacheln. Referenz sind neben den USA die beiden härtesten asiatischen Konkurrenten Korea und China.
20140512-173944.jpg
Nötig ist auch ein geregelter Tagesablauf (Materialien für Junior High):
20140512-174118.jpg (Quellen: MEXT PDF, vgl. auch NIER PDF)
20140512-214152.jpg
20140512-214224.jpg

Innovation

20140511-205053.jpg
20140511-205136.jpg
Ich verbringe den Tag im Miraikan, dem „National Museum of Emerging Science and Innovation (Nippon Kagaku Miraikan)“. Es liegt auf der künstlich aufgeschütteten Insel Odaiba und befasst sich mit Zukunft, mit Innovation, also mit Lieblingsthemen von mir.
Im Laufe des Besuchs revidiere ich meine „Düster“-Einschätzungen (vgl. vorgestrigen Blog-Eintrag) wenigstens teilweise. Was und wie hier ausgestellt wird, ist faszinierend. Das Museum richtet sich sowohl an Schülerinnen und Schüler ab Primarschulalter wie Erwachsene. Es zeigt Zukunftsperspektiven auf und führt in Grundlagen für Innovationen ein, „distributed cognition“ z.B. oder verschiedene Innovationsmethoden (Heuristik, d.h. „serendipity“, Assoziation, Integration, „alternative creativity, unconstrained by traditional values“ usw.). Die Bedeutung von Teamwork wird unterstrichen. Jede Methode wird mit Beispielen aus der Vergangenheit (Glühbirne, Post-it, Penicilin, Heissluftballon, Flugzeug, Relativitätstheorie), Tipps von Innovatoren (keine Innovatorin…) und Anwendungen für die Zukunft (Quanten-Computer, Morphing, Roboter) illustriert. Da ist z.B. eine Robbe zu sehen, die auf Berührungen reagiert und die in Heimen für Demenzkranke eingesetzt wird. Rührend, wie sie die Äuglein schliesst oder den Kopf schräg hält, wenn man sie entsprechend streichelt – und auch beängstigend.
20140511-205510.jpg

20140511-205235.jpg
Problemlösen durch das Teilen von Informationen (in der Medizin, im Verkehr, in der Energie, der Musik) wird breit thematisiert. Schülerinnen und Schüler werden auch in Themen wie Empathie eingeführt. Ältere Schülerinnen und Schüler und Erwachsene befassen sich – immer mit der Hilfe von Freiwilligen, häufig Rentnerinnen und Rentnern – mit mathematischer Modellierung, einem Modell für das Internet, der Konstruktion von Robotern und mit Umwelttechnik.
20140511-205624.jpg
20140511-205637.jpg
20140511-205651.jpg
Auf ein schon länger nicht mehr richtiges Vorurteil eingehend wird auch aufgezeigt, welche Innovationen (und nicht einfach Kopien) in Japan entstanden sind. Beispiele reichen vom Walkman bis zu medizinischen Operationstechniken, dem Skytree und Flugzeugtechnologie.
Ich bin optimistischer (und habe viel Material bezüglich Innovationen gesammelt). Die japanische Fahne muss, was die „emerging sciences“ betrifft, wohl noch nicht so schnell zusammengefaltet werden, Zweifel habe ich wegen des „unconstrained by traditional values“. Das gesellschaftliche Korsett, all die Konventionen scheinen mir enorm eng zu sein – manchmal kann ein solcher Rahmen wohl eine Stütze sein, eine Unterstützung für das Problemösen ist er aber m.E. nicht.
20140511-205339.jpg
20140511-205402.jpg

Verfassungstag in Tokio

20140503-231654.jpg
1980 habe ich Nae in Tokio kennengelernt, vor zwei Jahren habe ich sie nach 30 Jahren hier wieder besucht und wir konnten schnell an die alte Vertrautheit anknüpfen. Heute treffen wir uns auf dem Perron des Bahnknotenpunktes Shinjuku in Tokio, um den alten Park Shinjuku-Gyoen zu besuchen und dann ein spätes, ausgezeichnetes Mittagessen in einem Restaurant mit 20 Plätzen in einem Keller in Shinjuku zu geniessen.
Nae gibt mir einen Einblick in die japanische Gesellschaft im Grossen wie im Kleinen.

  • Sie hat sich eine kleine Wohnung gekauft. Eigentlich hätte sie lieber eine gemietet, aber das sei in unserem Alter zu riskant. Die Vermieter kündigen oft Leuten, die alt werden – aus Angst, sie könnten in der Wohnung sterben. Ein Todesfall in einer Wohnung erschwere es erheblich, die Wohnung wieder vermieten zu können. Sie erzählt mir ein Beispiel aus ihrer Umgebung, in dem der Vermieter von den Erben einen hohen Betrag Schadenersatz gefordert und bekommen hat, weil der Verwandte in der Mietwohnung gestorben ist.
  • Heute ist ein nationaler Feiertag, der „Verfassungstag“, entsprechend viele Leute sind im Park am picknicken. Allerdings mag man die Verfassung nicht mehr recht feiern, es ist viel die Rede davon, dass die Regierung die Nachkriegsverfassung ändern will, sobald sie über eine Zweidrittelmehrheit in beiden Kammern verfügt. Namentlich soll der Artikel, der Japan jede Militarisierung verbietet, gestrichen werden (vgl. die Zeit).
  • Überhaupt sind in den letzten zwei Jahren die Hoffnungen verblasst, die viele in Japan hatten, als die das Land sehr lange beherrschende Liberaldemokratische Partei LDP abgewählt wurde. Auch Fukushima hatte die Hoffnungen nochmals verstärkt, das alte, die immer Gleichen protegierende System zu überwinden, das letztlich den Atomumfall wesentlichst mitverschuldet hatte. Heute sitzt die LDP mit Abe aber fester im Sattel als zuvor, sicher tragen auch die Abstiegsängste Japans (vgl. UZH) dazu bei, dass man wieder auf „sichere Werte“ und Wirtschaftswachstum setzt.
  • Auch das Bildungssystem ist wieder konservativer geworden, die Regierung mischt sich heute mehr in die Lehrpläne ein als früher. Es soll wieder mehr und mit einer höheren Stundenzahl gepaukt werden und nationale Erziehung ist stärker im Lehrplan verankert worden.
  • Davon, dass der Gender Gap, der in Japan riesig ist, aus ökonomischen Gründen kleiner werden soll, merkt Nae nichts (vgl. Harvard Business Review).
  • Dass Intoleranz und Fremdenfeindlichkeit gestiegen sind (vgl. NZZ) ist ja leider nicht nur in Japan so, ich kann davon auch Geschichten erzählen.

Eine ganz andere Seite sehe ich dann, als ich am Abend durch Akihabara spaziere, das Zentrum von Computern, Games und Anime (d.h. Manga usw.). Hier wird – reichlich sexualisiert – Tag und Nacht in riesigen, z.T. rauchigen Hallen elektronisch gespielt, geshoppt, gecastet. In den Spielzentren herrscht ein ohrenbetäubender Lärm, viele Spielerinnen und Spieler hauen auch auf Trommeln und anderen Instrumenten herum, andere spielen riesige Videogames. Halbwüchsige Jungs und Mädels decken sich mit Bunny- und Schuluniformen, die offenbar als sexy gelten, ein und kichern ein bisschen dazu, ganze Warenhäuser verkaufen Mangas, Anime-DVDs und Spiele. Tag und Nacht scheint es nicht zu geben. Es ist immer laut, immer hell, immer virtuell. Ein Segment der Jugend scheint hier, wie die NZZ vor einiger Zeit schrieb, tatsächlich ohne Zukunft glücklich zu sein.
20140503-231802.jpg
20140503-231828.jpg
20140503-231842.jpg
20140503-231857.jpg
20140503-231912.jpg
20140503-231928.jpg