Museum des Erziehungsministeriums

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Wieder in Tokio. Der netten Angestellten des mächtigen Erziehungsministeriums MEXT ist nicht ganz wohl, dass ich Schulbücher fotografiere, aber sie kann mir den Wunsch auch nicht abschlagen.
Ich bin der einzige Besucher im Museum des Erziehungsministeriums – was nicht weiter verwundert, ist doch auch kaum irgendwo publiziert, dass es dieses Museum gibt. Als das Ministerium vor ein paar Jahren neue Gebäude (hinten im Bild) bezog, hat man das alte Gebäude stehen lassen, das – seit 1933 unverändert so genutzte – Büro des Ministers zum Museum erklärt und durch ein paar Räume ergänzt, in denen die Geschichte des Schulwesens in Japan dokumentiert wird.
Lediglich die Überschriften sind auch englisch angeschrieben, so dass ich auf die Beamtin angewiesen bin, die mir das eine oder andere erklärt, aber auch nicht sehr gut Englisch spricht.

Mich würde auch der Neo-Konfuzianismus während der Shogunats-Zeit (Google-Books) interessieren, darüber ist aber kaum etwas in Erfahrung zu bringen. Beschrieben ist die Erziehung am Ende des Shogunats und während der Meiji-Restauration (vgl. MEXT), 1879 wurde das erste Erziehungsgesetz verabschiedet.
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Ich konzentriere mich auf die Illustrationen in den Schulbüchern, um die ja immer wieder heftig diskutiert wird.
Greifbar sind einige Büchlein aus den frühen 1940-er-Jahren, die für die damals besetzten Gebieten bestimmt waren und die die Rhetorik der Kriegsjahre etwas erahnen lassen:
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Es werden auch einige Bilder aus dem zweiten Weltkrieg gezeigt – eine viel bessere Quelle für diese Zeit ist das Showa-Dokumentationszentrum Showakan, das auch von vielen Schulklassen besucht wird (und dem offenbar ständig Subventionen gekürzt werden).
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Bilder MEXT und histclo.com (Evakuation von Schulkindern und Ausbildung als Flabhelferinnen)
Im MEXT-Museum dokumentiert wird dann die Neugliederung des Erziehungssystems während der amerikanischen Besatzungszeit (System 6-3-3-4 usw.). Wie stark auch darauf eingegangen wird, dass einige der amerikanischen Vorgaben nach dem Wiedererlangen der Souveränität wieder abgeschwächt wurden (Wiedereinführung von moralischer Erziehung, Stärkung von nationalem Gedankengut), kann ich nicht beurteilen.
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Hier ein paar Ausschnitte aus heutigen Büchern, in denen u.a. der Atombombenabwurf auf Hiroshima thematisiert wird. Andere Bilder aus dem zweiten Weltkrieg finde ich in diesem Lehrbuch nicht.
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Mir fällt auch wieder auf, sie anspruchsvoll es ist, drei Schriften und dann mit der ersten Fremdsprache noch eine vierte lernen zu müssen.
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„Lebenskundliches“ (Zest for Life) hat einen wichtigen Platz und wird sehr breit gefasst (Höflichkeit, Sauberkeit, wann es angemessen ist, Fernsehen zu schauen und wann nicht usw., woher die Lebensmittel kommen usw.).
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Fukushima University

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Natürlich: Die Katastrophe ist auch hier präsent. Die Uni hat ein „Fukushima Future Center for Regional Revitalization“ geschaffen, neun Projektteams arbeiten daran, die Region wieder aufzubauen. Die Angst sei aber nach wie vor präsent. Niemand wisse, ob und wann ein weiteres Erdbeben komme.
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Reiko gibt sich enorm Mühe, mir einen bestmöglichen Einblick in das Studium zur Lehrperson zu ermöglichen. So lädt sie an zwei Tagen eine Gruppe von Studierenden in ihr Büro an der Uni Fukushima ein, damit ich Fragen stellen und mir auch ein Bild aus Studierendenperspektive machen kann. Die Gespräche sind sehr interessant, auch wenn wir ab und zu an Sprachgrenzen stossen. Ich versuche, meine Notizen etwas zusammenzufassen:

Lehrerinnen- und Lehrerbildung an National Universities
Schon in Nara habe ich gehört, dass es für eine Schule wichtig sei, sowohl Absolventinnen und Absolventen einer „University of Education“ wie anderer Universitäten, die ebenfalls Lehrpersonen ausbilden, anzustellen.
Jetzt, wo ich mich intensiver mit den Lernangeboten in Fukushima befasse, leuchtet das ein.
Fukushima University ist eine nationale Universität mit verschiedenen Fakultäten. Das Angebot ist hier breiter, der Lehrberuf steht weniger im Zentrum. Auch wer Erziehung studiert, wählt vielleicht später einen völlig anderen Beruf und wer den Lehrberuf wählt, hat sich v.a. mit Zielstufe Primar oder Kindergarten, mit verschiedenen Fächern nicht sehr intensiv befasst, dafür einen breiten Horizont erworben.
Das System hat für die Dozierenden Nachteile, weil sich z.B. etwa die Hälfte der Studierenden nicht für didaktische Fragen interessieren, auch wenn sie eine entsprechende Veranstaltung belegen.

Aufnahme
Im Januar legen die Mittelschülerinnen und -schüler, die eine Universität besuchen wollen die zentrale Universitätsaufnahmeprüfung ab, die durch das Entrance Examination Center durchgeführt wird. (PDF).
Die einzelnen Universitäten legen fest, wie sie diese an der zentralen Prüfung erzielten Resultate verwenden wollen, z.B. welche in welchen Fächern die Prüfung abgelegt werden muss und welche Punktzahl nötig ist, damit man sich zur internen Aufnahmeprüfung anmelden kann.
Die Fukushima Universität verlangt mindestens 60% der 1200 möglichen Punkte, also momentan 720, während die Tokyo University etwa 1100 verlangt.
Je nach Uni werden noch Empfehlungsschreiben, Mittelschulzeugnisse usw. verlangt, danach wird man zu den universitätsinternen Prüfungen zugelassen, die einen allgemeinen und einen fachspezifischen Teil haben können.
Wer in Fukushima z.B. ein Studium an der „Faculty of Human Development and Culture“ (von dem meisten immer noch „Education“ genannt) mit dem Major Sport absolvieren möchte, hat einen Aufnahmeprüfungsteil zu bestehen, die sehr ähnlich ist wie die Fertigkeitsprüfung an der PH Zürich.
Die nationalen Universitäten haben zwei Prüfungssessionen, so dass man sich für zwei Aufnahmeprüfungen anmelden kann.
Die privaten Universitäten haben nochmals andere Prüfungstermine, man kann sich also auch dort noch für die Aufnahmeprüfung anmelden. Es gibt private Universitäten, die sehr hohe Anforderungen stellen, bei vielen ist das aber nicht der Fall und es besteht die Angst, dass diese Unis (mit dem Rückgang der Interessentinnen und Interessenten durch den Geburtenrückgang) die Anforderungen nochmals senken.

In Fukushima, wie an den meisten Universitäten hat jeder Studiengang („class“) hat eine vorher bestimmte Anzahl Studienplätze. „Sports Pursuit“ also z.B. 40, „Lifelong Sports“ 15 und „Arts and Culture“ ebenfalls 15 (vgl. die Studiengänge unten). Die Kandidierenden mit den besten Prüfungsergebnissen werden dann aufgenommen, häufig liegt die Aufnahmequote im einstelligen Prozentbereich.
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Vier Fakultäten, Studiengänge mit verschiedensten Wahlmöglichkeiten
Fukushima University verfügt über vier Fakultäten:

  • Faculty of Human Development and Culture. Die Fakultät hiess früher „Faculty of Education“. Bis 2005 machten auch alle, die an dieser Fakultät ein Studium absolvierten, einen Abschluss als Lehrperson. Unterdessen schliesst nur noch etwas die Hälfte der Studierenden mit einem Lehrdiplom ab.
  • Faculty of Administration and Social Sciences
  • Faculty of Economics and Business Administration
  • Faculty of Symbiotic Systems Science (mit Symbiotic Systems Science ist eine Symbiose von Menschen, Natur und Industrie gemeint, hier werden bewusst humanwissenschaftliche und naturwissenschaftliche Ansätze verbunden)

Der Uni ist es wichtig, dass Studierende einer Fakultät auch Veranstaltungen anderer Fakultäten besuchen. Wie ich heraushöre ist dass den Studierenden allerdings etwas weniger wichtig.
In der Uni-Broschüre wird das das mit folgendem Curriculumaufbau dargestellt:
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  • „Studium Generale“ mit z.B. Fremdsprachen, ICT, Friedenserziehung
  • Selbstorganisiertes Studium, hierzu gehören z.B. selbst organisierte Praktika
  • Spezialisiertes Studium, der eigentlichen Kern mit den Veranstaltungen des gewählten Fachs (es ist immer von „Major“ die Rede, die meisten wählen aber nur ein Fach, d.h. einen „Minor“ gibt es nicht)
  • Lehrveranstaltungen innerhalb des Clusters (d.h. meist der Fakultät)
  • Frei wählbare Veranstaltungen, die aus anderen Fächern gewählt werden sollen. Quelle: Uni-Broschüre (PDF)

Faculty of Human Development and Culture: Lehrdiplome in drei verschiedenen „Majors“
Die Fakultät, in der die Lehrerinnen- und Lehrerbildung beheimatet ist, möchte „educators“ in einem weiteren Sinn ausbilden, als auch Personen, die nachher z.B. im Personal- oder Weiterbildungswesen, als Sportlehrerinnen und -lehrer, Sozialarbeitende, Juku-Lehrpersonen, Beamte, NGO-, Bank- und Medienleute usw.
Abschlüsse als Lehrpersonen kann man erwerben für

  • Kindergarten (Generalist/in)
  • Primarschule (Generalist/in)
  • Junior High (ein Fach)
  • High School (ein Fach)
  • Sonderpädagogik

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Das heisst aber nicht, dass die Studiengänge den Lehrdiplomen entlang aufgebaut sind. Man kann folgende Studiengänge (Classes) wählen:
Major in Human Development

  • „Learning Support Class“ (hier studieren in der Regel angehende Primarlehrpersonen)
  • Education Research Class
  • Human Science Class
  • Special Needs Class (angehende Sonderklassenlehrpersonen. Inklusion habe ich in Nara gesehen, hier werden Kinder mit besonderen Bedürfnissen aber eher separiert)
  • Child Education Support Class (v.a. von angehenden Kindergärtnerinnen und Hortnerinnen belegt)

Major in Cultural Exploration

  • Language and Culture Classes (auch von angehenden Jr High und High School-Lehrpersonen belegt)
  • Local Community Life and Culture Classes
  • Mathematical Science Class (v.a. angehende Jr High und Highschool-Lehrpersonen)

Major in Sports and Arts (hier studieren viele Studierende mit dem Ziel Primar-, Junior High, und Highschool)

  • Sports Pursuit Class
  • Lifelong Sports Class
  • Art and Culture Class

Studienverlauf
Die ersten beiden Jahre des vierjährigen Studiums sind relativ hoch strukturiert. Ein Stundenplan kann dann etwa so aussehen.
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Quelle: Uni-Broschüre (PDF)
Im dritten und vierten Jahr werden aber viel weniger Veranstaltungen besucht, das Lernen für die Abschlussprüfungen und das Schreiben der Diplomarbeit ist dann im Vordergrund, im 4. Studienjahr belegt man nur noch etwa zwei Veranstaltungen.
Die Uni schreibt vor, dass man nicht über 24 Punkte pro Semester belegen darf. 1 Punkt entspricht einer Semesterwochenstunde.
Das Semester dauert 15 Wochen, dazu kommt eine Prüfungswoche pro Semester. In den Zwischensemestern wird gelernt, z.T. gibt es Studierendenvereine, die das gemeinsame Lernen organisieren.
Die meisten Studierenden tragen etwas zur Finanzierung ihres Studiums bei, d.h. sie arbeiten z.B. zwei Mal pro Woche von 17 Uhr bis ein Uhr nachts in einem Restaurant.

Berufsziel und Studium haben einen sehr losen Zusammenhang
Beim Gespräch mit den Studierenden und Reiko wird mir klar noch klarer, was ich eigentlich wusste und nochmals in Nara erfahren habe: Auch in den erziehungswissenschaftlichen Studiengängen haben Studium und Berufsziel keinen sehr grossen Zusammenhang. Diese Tendenz ist in den „Universities of Education“ etwas weniger stark als in den „National Universities“. Für die Studierenden ist es einfach wichtig, ein Studium abzuschliessen. Während die drei Frauen, mit denen ich gestern gesprochen habe, gerne Lehrerin werden möchten, verstehen die beiden Männer heute meine Frage nicht ganz. Sie sind in der „Sports Pursuit Class“, möchten aber nach Studienabschluss in einem Privatunternehmen, z.B. einer Bank arbeiten. Studium und spätere Arbeit sind für sie nicht verbunden. Das Studium dient der Erweiterung des Horizonts, dem Verfolgen der eigenen Interessen, es ist auch eine Transitionsphase zwischen der harten Mittelschule und der wieder harten Arbeitswelt. Es ist wichtig, an einer guten Universität studiert zu haben – die Phase der Berufsfindung findet aber während des Studiums statt und nicht vorher, man studiert also nicht auf ein Berufsziel hin, sondern eher, um eigene Interessen zu verfolgen und sich klar zu werden, welchen Beruf man ergreifen möchte.

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Beschäftigungsaussichten
Die Aussichten sind sowohl für Lehrpersonen (wegen des Geburtenrückgangs) wie für die übrigen Berufe (wegen der noch nicht überwundenen Wirtschaftskrise) leider nicht sehr gut, d.h. beim Übergang in den Beruf findet nochmals eine starke Selektion statt. Die angehenden Lehrerinnen und Lehrer absolvieren Prüfungen der Präfektur, in der sie tätig sein wollen, die angehenden Banker z.B. Persönlichkeitstests, Interviews und Assessments, bei denen die Sozialkompetenz im Vordergrund steht.

Ich könnte noch lange mit Studierenden und Dozierenden sprechen und in der Bibliothek lesen. Reiko wüsste auch, welche Vorlesung ich hier halten könnte. An Plänen für eine nächste Reise mangelt es nicht. Aber ich muss bald weiter, ich möchte das Wochenende noch in Tokio verbringen, bevor ich nach Korea, meiner letzten Station auf dieser Reise, weiterfliege.

Rund um Aizu-Wakamatsu

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Die japanischen Kolleginnen und Kollegen meinen, ich solle auch die Natur der Präfektur Fukushima kennenlernen und sie empfehlen mir, nach Aizu-Wakamatsu zu fahren.
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Die Fahrt auf einer JR-Nebenlinie ist tatsächlich sehr schön, die Lokalbahn fährt neunzig Minuten durch eine frühlingsgrüne, bewaldete Hügellandschaft, dazwischen Reisfelder.
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Aizu-Wakamatsu ist vor allem wegen seiner Burg bekannt. Sie hat im Bürgerkrieg zwischen dem Tokugawa-Shogunat und den Meji-Reformern um den Kaiser eine wichtige Rolle gespielt, war sie doch der letzte Rückzugsort der Shogun-Treuen. Die Burg fiel 1868.
Der Fall von Aizu-Wakamatusu führte zu einer Vielzahl von rituellen Selbsttötungen („Seppuku“), am bekanntesten derjenige der Byokkotai, sehr junger Samurai, die sich alle das Leben nahmen, als sie das Schloss in Flammen wähnten. In der Stadt finden sich aber auch andere Gedenksteine, z.B. für Frauen, die ihre Kinder und sich selbst umbrachten, weil sie die Niederlage nicht erleben wollten. Entsprechend haben die damaligen faschistischen und Nazi-Regimes Italiens und Deutschlands Denkmäler gestiftet, um dieser Loyalität bis in den Tod die Ehre zu erweisen. Unheimlich.
Dass es auch anders ging, zeigt im Schloss eine Präsentation über Niijima Yae (Wikipedia engl.), eine der ersten relativ emanzipierten Frauen Japans. Sie hat als Tochter eines Samurai bei der Verteidigung der Burg mitgekämpft, später in Kyoto einen Japan-Amerikaner geheiratet, ist zum Christentum übergetreten und muss ein sehr autonomes Leben gegen viele Konventionen geführt haben.
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20140529-101040-36640054.jpgIn der Stadt hat es zwölf Sake-Brauereien. Reis- und Wasserqualität und das Klima sind ideal. Der heisse Sommer ermöglicht eine gute Reisernte, während des Brauprozesses im Winter ist es aber kalt und die für das Brauen benötigten Bakterien können sich nicht zu schnell vermehren. Ich komme an der Miyaizumi-Brauerei vorbei.
Die freundlichen Angestellten treiben mir einen Herrn vom Tourismusbüro auf, der mich dann durch die Brauerei führt und mir die verschiedenen Installationen für den Brauprozess zeigt (vgl. z.B. factsanddetails). Momentan ist praktisch nichts los, der Reis beginnt in den Reisfeldern erst zu wachsen. Die Sakebrauer, meistens Reisbauern haben auf den Feldern viel zu tun, sie wenden sich dann nach der Ernte der Sakeherstellung zu.

Es ist sehr interessant, Sake zu degustieren. Ich habe die letzten paar Abende ganz verschiedene Sake kennengelernt, der Geschmack ist vom Fermentierungs-, Brau- und Filterungsprozess abhängig und davon, wie stark die Reiskörner poliert, d.h. verkleinert wurden, bevor der Reis weiterverarbeitet wird.

Mit Bahn und Bus (eine Herausforderung weil alles nur japanisch angeschrieben ist) fahre ich dann aufs Bandai-Plateau im Bandai-Asahi-Nationalpark. Rund um Gohsiki-Numa hat es Sümpfe und fünf Seen, deren Wasser je verschieden aussieht, eine schöne, rund zweistündige Wanderung. Etwas Bewegung tut gut. Es steht ja wieder ein gutes Nachtessen mit viel rohem Fisch, zum dem mich Reiko einlädt, bevor.
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Primarschule Fukushima

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Reiko, die mal ein halbes Jahr an der PH Zürich als Gastdozentin verbracht hat und ihre Kolleginnen und Kollegen freuen sich sehr über meinen Besuch in Fukushima. Es war mir wenig bewusst, aber das Gebiet wird seit dem Reaktorunfall von Besucherinnen und Besuchern gemieden, mein Besuch wird auch deshalb sehr geschätzt.
Ich habe ausgiebig Gelegenheit, die der Uni angegliederte Primarschule, und die Lehrpersonenbildung an der Uni zu besuchen. Und ich verbringe jeden Abend in sehr netter Gesellschaft, esse rohen, geräucherten, luftgetrockneten, gesalzenen, gegrillten und gebratenen Fisch, Yakitori, Tempura und weitere exquisite Speisen, trinke Bier, ganz verschiedene Sake und Shochu aus Weizen, Buchweizen und Kartoffeln und bin einmal mehr völlig eingenommen von der Gastfreundschaft der Japanerinnen und Japaner und ihrer Herzlichkeit.
Hier einige Eindrücke von meinem Besuch in der Primarschule, die auch hier die Klassen 1 – 6 umfasst.

Organisation
614 Schülerinnen und Schüler, d.h. je um die 100 pro Jahrgang.
Die Klassengrösse nimmt wegen des Geburtenrückganges ab. In Japan beträgt sie in der Regel um die 35, in Fukushima liegt sie momentan darunter.
50 Lehrpersonen, alle arbeiten Vollzeit (d.h. viel mehr als das, was wir unter Vollzeit verstehen)
Viele der zusätzlich benötigten Angestellten werden mehr oder weniger auf freelance-Basis beigezogen. Die Köchinnen sind z.B. Mütter oder Frauen der Lehrpersonen
Die „affiliated school“ der Universität („Fuzoku“ Elementary School) ist auch zuständig für die Praktika der Studierenden des Studienganges Primarlehrperson der Uni Fukushima. Nächste Woche werden wieder 60 Studierende ihr 4-wöchiges Praktikum starten
Die Uni hat dementsprechend auch bei der Personalauswahl ein Mitspracherecht. Die Präfektur schlägt z.B zwei bis drei geeignete Personen für die Position der Schulleiterin, des Schulleiters vor und die Universität kann sich dann für jemanden dieser Kandidierenden entscheiden.
Die Schule ist beliebt, sie kann nicht alle Interessentinnen und Interessenten aufnehmen und führt deshalb eine Aufnahmeprüfung nach dem Kindergarten durch. Von den 130 Interessierten konnten letztes Jahr 105 aufgenommen werden. Der logische Weg nach der Fuzoku Elementary School der Uni Fukushima führt in die Fuzoku Junior High School. In der Regel schaffen fast alle Sechstklässlerinnen und Sechstklässler den Übertritt. Letztes Jahr konnten in die Junior High noch 40 weitere Schülerinnen und Schüler aufgenommen werden.

Die Schule hat Fünftagewoche. Es gibt einen fixen Stundenplan für die ganze Schule. Am Morgen mit zwei 100-Minuten-Blöcken, am Nachmittag in der Regel mit zwei 45-Minuten-Lektionen und Zeit für Spielen, an dem sich auch die Lehrpersonen beteiligen. Im Stundenplan ist auch Zeit fürs Putzen des Schulhauses eingeplant (zwei Mal wöchentlich intensiv, drei Mal Besenreinigung). Es ist selbstverständlich, dass die Schülerinnen und Schüler selbst putzen. Die WC werden ebenfalls von Schülerinnen und Schülern nass aufgenommen, nach Schulschluss kommen werden sie aber von Putzfrauen nochmals intensiv geputzt.
Das Mittagessen nehmen die Schülerinnen und Schüler im Klassenzimmer ein. Sie holen ihr Essen in der Küche mit einem Wägelchen ab und zwei Schülerinnen oder Schüler schöpfen es dann ihren Mitschülerinnen und Mitschülern. In der ersten und zweiten Klasse helfen Kolleginnen und Kollegen aus oberen Klassen beim Ausgeben des Essens. Die Lehrpersonen essen ebenfalls im Klassenzimmer.
„Bibliotheksdienst“ haben ebenfalls Schülerinnen und Schüler. Sie gehen gekonnt mit den Scannern um und leihen ihren Mitschüler/innen Bücher aus.
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Die Bücherausgabe wird von Schülerinnen und Schülern betreut

Juku
Juku, d.h. Zusatzunterricht an privaten Institutionen nehmen sehr viele Schülerinnen und Schüler. Die Eltern erachten das angesichts der akademischen Berufswünsche ihrer Kinder (viele wollten Ärzte oder Ärztinnen werden) für nötig, damit sie später einmal die Aufnahmeprüfung in eine gute Universität bestehen. Auch finden die Eltern, angesichts der Globalisierung müssten die Kinder schon früh Englisch lernen. Die Englischlektionen ab 5. Klasse der Primarschule genügen ihnen nicht, sie seien vor allem aufs Hörverstehen und Sprechen ausgerichtet und in den Augen der Eltern zu spielerisch aufgebaut.

Unterricht
In einigem habe ich das Gefühl, einfach eine gute Schule zu sehen – unabhängig davon, ob das jetzt eine schweizerische oder eine japanische Schule ist. Anderes scheint mir kulturspezifisch zu sein.
In den Lektionsbesuchen fällt mir auf:

  • Das Verhältnis Lehrpersonen – Schülerinnen und Schüler ist herzlich. In den Pausen, wenn man zusammen spielt, klemmt ein Lehrer auch einmal eine Unterstufenschülerin unter die Arme, die Schulleiterin herzt eine andere Schülerin.
  • die Türen zu den Klassenzimmern – sofern überhaupt vorhanden – sind immer offen, z.T. sind die Klassenräume ganz offen, d.h. ohne Wand gegen den Korridor oder haben Fenster auch zum Korridor hin.
  • Einräder und damit das Halten der Balance haben ihren festen Platz an den Schulen und werden in den Pausen und im Sportunterricht verwendet (in Nara dachte ich, das sei eher eine Spezialität der dortigen Schule)
  • die Schülerinnen und Schüler sind konzentriert, die „time on task“ ist hoch
  • die Schülerinnen und Schüler hören sich gegenseitig gut zu, sie sind sogar konzentrierter dabei, wenn eine Klassenkameradin oder ein Klassenkamerad spricht als wenn die Lehrperson etwas erklärt
  • Ich habe den Eindruck, dass die Schülerinnen und Schüler nach einer relativ kurzen Sequenz des selbständigen oder kooperativen Arbeitens, des eigenständig nach Lösungen Suchens schnell zur richtigen Lösung für ein Problem hingeführt werden. „Scaffolding“ hat hier Priorität vor der eigenständigen Wissenskonstruktion. Dies macht den Unterricht recht effizient, wenn auch hier und dort wohl auf Kosten des tiefen Verstehens oder der eigenen Kreativität. Auch im Musikunterricht in Grossgruppen verläuft das Blockflötenspielen – in einer herzlichen Atmosphäre – ganz nach dem Vormachen-Nachmachen-Prinzip.

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Kalligraphie wird durch eine Fachlehrerin erteilt, die wegen ihrer besonderen Fähigkeiten das Lehrdiplom bekommen hat
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Der Musikunterricht entspricht im Unterschied zu vielen anderen Fächern wohl nicht ganz den schweizerischen musikdidaktischen Prinzipien – aber er findet statt
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Textiles Werken mit 32 Schülerinnen und Schülern
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Science-Lektion zum Thema Elektrizität
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Das Schreiben eines Aufsatzes wird mit einer Mindmap vorbereitet

Hausaufgaben
Es gibt keine „klassischen“ Hausaufgaben, in denen z.B. Rechenoperationen geübt oder Aufsätze geschrieben werden. Hausaufgaben gehen eher in Richtung, eine Fragehaltung aufzubauen, die eigenen Interessen und das eigene Potenzial besser kennen zu lernen. Reiko erklärt, dass ein Kind, das gerne draussen sei, also z.B. in den Wind stehe, versuche den Wind zu spüren und Fragen zusammenstelle: warum spüre ich den Wind, warum ist das so verschieden, wenn ich geschwitzt habe und wenn nicht, warum ist der Wind manchmal warm, manchmal kalt? Solche Fragen sollen die Kinder dann selbst zu beantworten suchen und die Antworten oder noch offene Fragen in die Schule mitbringen. Erwünscht sei auch, dass man z.B. zu Hause werke. Wenn man in der Schule das Nähen gelernt habe, solle man das zu Hause weiter üben, den Eltern komme bei der Entscheidung, mit welchem Werkstoff gearbeitet werden solle, eine wichtige Beratungsfunktion zu. Für die Ferien werden regelmässig Aufgaben gegeben wie „Erlebnisse malen“, „Insekten beobachten und die Beobachtungen festhalten“, „Tagebuch schreiben“, „Ein fotografisches Tagebuch zusammenstellen“.

Zusammenarbeit mit Eltern
Es existiert, wie überall in Japan eine PTA (Parents-Teacher-Association), die bei Schulanlässen mithilft, sich regelmässig trifft, Anregungen gibt usw. Eltern können nach Voranmeldung jederzeit in die Schule kommen und z.B. Unterricht beobachten. Es gibt institutionalisierte Gespräche mit Eltern, für die bestimmte Zeiträume vorgesehen sind (September, Dezember/Januar usw.). An dieser Schule finden die Elterngespräche in der Schule statt, es gibt aber viele Schulen, in denen die Lehrpersonen diese Gespräche bei der Familie zu Hause durchführen.

Lehrplan
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Seit der letzten Überarbeitung, die den Schülerinnen und Schüler mehr Freizeit hätte bringen sollen, wurde die Stundendotation wieder erhöht. Japanisch wurde gestärkt, ebenso Social Studies, Arithmetik und Science. Gekürzt wurde dagegen die Zeit für den von den Schulen selbst verantworteten fachübergreifenden Unterricht.
Sport heisst unverändert „Leibeserziehung“.
In den ersten beiden Schuljahren haben – das ist mir schon in Nara aufgefallen – die „Living Environment Studies“ ihren festen Platz. Die Schülerinnen und Schüler setzen sich in diesen drei Jahreswochenstunden intensiv mit der Natur auseinander. Sie sind meistens draussen, beobachten die Natur, ziehen z.B. Frösche auf. ESD, d.h. Education for sustainable development hat an den Schulen einen festeren Platz als in der Schweiz. Die Grundlage wird in den „Living Environment Studies“ sehr handlungsorientiert gelegt, nachher wird das Thema in „Science“ weiterbearbeitet.
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Social Living Studies
Unter „Special Activities“ sind z.B. Planungsarbeiten für eine Exkursion, den Schuljahresabschluss usw. subsummiert.
Moralische Erziehung erinnert an einen stark gelenkten Lebenskunde-Unterricht. Es werden z.B. Situationen besprochen, in denen ein Kind, einen verbotenen Weg gehen will, weil das viel schneller gehe. Die Schülerinnen und Schüler argumentieren dann über Vor- und Nachteile und kommen natürlich zum Schluss, dass der verbotene Weg nicht eingeschlagen werden soll.
Im fächerübergreifenden Unterricht werden die drei Klassen eines Jahrgangs zusammengenommen und bearbeiten miteinander ein Thema. Eines ist „Sonnenblume“ ein weiteres – nicht überraschend für Fukushima – „Carry on“. Mach weiter, es muss weiter gehen, schaue optimistisch in die Zukunft ist der Tenor dieses Themas. Ein Jahr später heisst das Thema „Regenbogen“. Es geht um Verschiedenheit, wie sie in den Farben des Regenbogens zu finden ist, ein Verschiedenheit, die miteinander harmonieren muss – auch wie im Regenbogen. Auch dies ein sehr japanisches Thema, wie mir scheint.
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Carry on…
Schulleitung, Lehrpersonen
Schulleitungen werden von der Präfektur eingesetzt und von dieser auch wieder abberufen. Die Verweildauer an einer Schule beträgt zwischen einem und acht Jahren, spätestens dann wird man versetzt. Reiko erachtet eine Amtsdauer von drei bis vier Jahren als optimal. Sie wird entsprechend nächstes Jahr zurücktreten und dann wieder vollamtlich an der Uni tätig sein.
Auch Lehrpersonen werden von der Präfektur eingesetzt und allenfalls versetzt, wobei sie sich selbst für Stellen an anderen Schulen bewerben können.
Lehrpersonen arbeiteten – wie die meisten Japanerinnen und Japaner – extrem lange. Offiziell beginnt die Präsenzzeit an der Schule vor acht Uhr und endet um 18:00 Uhr. An anderen Schulen endet sie etwas früher, sie haben dafür keine dreiwöchige Sommerpause. Das heisst aber nicht, dass die Lehrpersonen um 18:00 Uhr nach Hause gehen, die meisten arbeiten bis 22:00 Uhr in der Schule weiter. Der Verwaltungsleiter (der auch so lange bleibt) muss dann jeweils mit dem Mikrophon alle auffordern jetzt nach Hause zu gehen.
Auch die drei Wochen Ferien werden von kaum jemandem eingezogen. Warum? „Das ist japanisches Denken“. Aber Reiko ist auch der Meinung, dass das nicht gesund sei. Sie sieht ein Hauptproblem darin, dass alle so sozialisiert sind, sämtliche Arbeiten, die anstehen auch zu erledigen. Und weil im Lehrberuf letztlich nie alles erledigt ist, arbeiten die Lehrpersonen weiter und weiter. (So ganz unbekannt kommt mir das ja nicht vor…) Schlafmangel sei ein grosses Problem. Einige werden dann tatsächlich krank und können nicht mehr arbeiten. Eine wichtige Herausforderung aller an der Schule Beteiligten sei zu lernen, Prioritäten zu setzen. Aber eben, das sei bei all den Anforderungen, die auch von Elternseite kämen, sehr schwierig. Zwei Personen auf der zweiten Führungsebene seien fast nur damit beschäftigt, das Telefon zu bedienen und Anliegen von Eltern zu bearbeiten. Zwei Mal im Monat sitzt die Schulleitung mit einer Beraterin zusammen und macht eine Art Supervision.
Die Lehrpersonen machen vier Mal im Jahr eine kollegiale Unterrichtsbeobachtung.
Ausspannen wäre wichtig. Mir fällt aber auch auf, wie die Vorstellung von Ausspannen völlig anders ist als in Europa. Sich wirklich gut zu erholen heisst z.B., eine Woche Ferien zu nehmen und nach Europa fliegen… Das ist mir schon in anderen Gesprächen aufgefallen. Die Zeit, sich zu erholen, wird extrem kleinräumig bemessen. Auch Erholung geht – wie alles hier – äusserst effizient vor sich.
Teilzeitarbeit ist für Lehrpersonen nicht möglich.
Reiko hatte in Zürich ähnliche Momente des Staunens wie ich in Japan. Die vielen Dozierenden und Lehrpersonen mit Teilzeitpensum sind ihr aufgefallen. Oder, dass man in der Schweiz das Gefühl habe, viel zu arbeiten; dabei gingen viele schon vor 17 Uhr nach Hause. „Aber das ist schweizerisches Denken“. Reiko fasst zusammen, dass in der Schweiz das übrige Leben wichtiger sei als die Arbeit. In Japan sei das genau umgekehrt.

Und ja, wie ich gestern beschrieben habe, ist auch der Kernkraftwerkunfall präsent.

Fukushima

Ich habe in Fukushima heute viele schöne und interessante Begegnungen und lerne eine tolle Schule kennen. Weil das Wort aber Assoziationen auslöst, zuerst dieser Beitrag:

Das Erdbeben und der anschliessende Tsunami vom 11. März 2011 kosteten laut meinem Lonely Planet-Reiseführer etwa 20’000 Menschen des Leben und verwüsteten das ganze Küstengebiet praktisch vollständig. Während in Japan meist vom „Great Eastern Earthquake“ zu lesen ist, steht in Europa „Fukushima“ als Chiffre für den darauf folgenden katastrophalen Unfall mit Kernschmelze im Kraftwerk Fukushima-Daiichi, den grössten AKW-Unfall seit Tschernobyl. Eine Zone von 20 km um das AKW ist bis heute unbewohnbar und wird es sicher noch lange bleiben. Zum Krisenmanagement Japans und seiner Art, Verantwortung gegenüber der Welt, die ja als Ganzes betroffen ist, zu übernehmen, gibt es viele Fragezeichen. So wird z.B. jetzt Grundwasser aus Fukushima, das unter „Grenzwerten“ liegt in den Pazifik geleitet (vgl. FAZ).

Auch in Japan ist „Fukushima“ noch fast täglich in den Nachrichten. Es geht um die Entsorgung des zur Kühlung verwendeten Wassers, um die Weigerung der Regierung, Aussagen, die der inzwischen verstorbene damalige Tepco-Präsident gegenüber der Untersuchungskommission machte, zu veröffentlichen (die Familie wolle das nicht…) und um den beschlossenen Wiedereinstieg Japans in die Atomkraft. Dieser wurde letzte Woche, als ein AKW wieder ans Netz wollte, durch einen Gerichtsbeschluss verzögert.

In der Präfekturhauptstadt Fukushima, 52 km von der Ruine des Kernkraftwerks entfernt, ist ausser Baulücken von den Erdbebenschäden nichts mehr zu sehen, präsent ist aber der Atomunfall.
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In der Primarschule der Universität, die ich besuche, wird die Strahlenbelastung ständig gemessen, sie liegt heute so um den in Deutschland als unbedenklich eingestuften Grenzwert (vgl. Wikipedia). In Japan wurden die Grenzwerte aber wesentlich höher definiert, d.h. die heutigen Werte sind tief, die Schulleiterin beginnt sich erst Sorgen zu machen, wenn sie etwa das doppelte betragen.
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Gemessen werden muss auch die Belastung des Essens. Je eine Probe aller angelieferten Esswaren wird puriert und dann wird die Belastung in einem Messgerät überprüft. Erst wenn die Probe als unbedenklich eingestuft wird, werden die Lebensmittel weiterverarbeitet.
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Vor dem Reaktorunfall war die Schule stolz darauf, ausschliesslich Lebensmittel aus der Präfektur zu verwenden. Heute ist das nicht mehr möglich. Der Kartenausschnitt zeigt, aus welchen Landesteilen welche Lebensmittel eingekauft werden.
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Indirekt hatte der Unfall auch Auswirkungen auf den Sportunterricht. Weil sich die Kinder wegen der Strahlenbelastung lange Zeit nicht mehr im Freien aufhalten durften, also kaum mehr Bewegung hatten, wurden viele fettleibig. Die Präfektur hat deshalb ein Bewegungsprogramm ausgearbeitet, dass von allen Schulen durchgeführt werden muss.
Und wie es mit der psychischen Belastung der Kinder sei, frage ich. Immerhin wurden über 100 Schülerinnen und Schüler aus der Evakuationszone hier eingeschult. Es gehe, meinen die Mitglieder der Schulleitung. Man höre, dass einige evakuierte Erwachsene unter Depressionen litten, die Kinder seien aber meist lebendig und fröhlich und erhielten von den Lehrpersonen und den Mitschülerinnen und -schülern immer eine Aufmunterung, wenn es ihnen mal nicht so gut gehe.

1700 km und ein paar Learnings

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1700 km Bahnfahrt von Saga nach Fukushima. Trotz drei Mal umsteigen dauert das nur achteinhalb Stunden. Honshu ist im Flachland sehr dicht bebaut, über weite Strecken zubetoniert. Die Aussicht ist denn auch nicht sehr berauschend – Mt. Fuji taucht heute nicht auf – und mir bleibt etwas Zeit, mir im Hinblick auf die Schul- und Universitätsbesuche in Fukushima und Korea zu überlegen, was denn bis jetzt meine „Learnings“ bezüglich Schule sind.
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Wenn ich mich an das Angebots-Nutzungsmodell von Helmke und anderen (hier kopiert von der Uni Koblenz-Landau) anlehne und so nach Differenzen suche, so gibt es natürlich Unterschiede im Angebot. Viele Lehrpersonen unterscheiden sich von ihrer Philosophie und ihrem Engagement meines Erachtens aber nicht stark von Schweizer Lehrpersonen. Auch ihre Auffassung von gutem Unterricht ist nicht so verschieden. Die Art, wie sie Unterricht durchführen ist (bei gegen 40 Schülerinnen und Schüler) sicher etwas frontaler, es kann weniger individuell auf die einzelnen eingegangen werden, aber der Ablauf des Unterrichts folgt häufig Unterrichtschoreographien, die wir auch kennen. Es ist also meines Erachtens nicht das Angebot, das den grossen Unterschied ausmacht – obwohl wir natürlich fast reflexartig immer zuerst dort suchen. Unterschiede sind stärker in anderen Bereichen auszumachen.

(1) Der Kontext unterscheidet sich wesentlich. Die kulturellen Rahmenbedingungen sind in einer Kollektivgesellschaft ganz anders als in einer Individualgesellschaft. Allzu viel Individualismus ist nicht erwünscht, man lernt schon früh in der Familie und in der Gesellschaft, wie man sich zu benehmen hat, welches Verhalten erwünscht ist und welches Verhalten bestraft wird. Die Gesellschaft ist weniger permissiv, man kann es sich kaum leisten, unangenehm aufzufallen, sonst fällt man als Kind, als Jugendliche/r und als Erwachsene/r durch die Maschen. Dieser kontextuelle Faktor hat einen wesentlichen Einfluss auf das Lernen der Schülerinnen und Schüler.
(2) Grundsätzlich wird davon ausgegangen, dass alle Schülerinnen und Schüler ein hohes Lernpotenzial haben, wenn sie sich nur entsprechend anstrengen. Faktoren wie Begabung, familiärer Hintergrund usw. werden viel weniger gewichtet. Anstrengung ist der Schlüssel zum Erfolg. Z.T. konfuzianisch, z.T. nachkriegs-demokratisch geprägt, ist das System sehr meritokratisch. Nur wer bei all den Aufnahmeprüfungen Erfolg hat, kommt weiter, d.h. wird in eine gute Junior High, eine gute High School, eine gute Universität aufgenommen und erhält schliesslich eine gute Stelle. Eine zweite Chance gibt es allenfalls nach einem Jahr, wenn man sich mehr angestrengt und strenger gelernt hat, nachher aber nicht mehr.
(3) Die Familie hat einen grossen Einfluss auf den Schulerfolg, in dem sie die Schulen finanziert und vor allem auch die ausserschulische Nachhilfe ermöglicht, d.h. z.B. einen guten Prüfungsvorbereitungskurs finanziert, eine gute Nachhilfe für ein weiteres Vorbereitungsjahr auf die Aufnahmeprüfung bezahlt usw. Dafür werden immense Summen ausgegeben, so viel, dass viele Eltern angeben, sich nicht mehr als ein Kind leisten zu können. Die meritokratische Ausrichtung wird dadurch natürlich ausgehebelt.
(4) Ich meine, dass die Familie dadurch einen sehr direkten Einfluss auf die Lernaktivitäten und vor allem auf das „ausser“schulische Lernen hat. Den Kindern und Jugendlichen ist bewusst, dass sich ihre Eltern finanziell und emotional stark für sie verausgaben (Das Beten von Eltern in den verschiedenen Tempeln und Schreinen vor den Prüfungen ist z.B. sehr verbreitet). Entsprechend stark unter Druck stehen die Schülerinnen, Schüler und Studierenden und entsprechend nutzen sie, falls sie dem Druck standhalten, vor allem vor Prüfungen auch sämtliche zur Verfügung stehenden Lernangebote.
(5) Das Lernen soll natürlich den Aufbau von fachlichen Kompetenzen und einer harmonischen Gesellschaft bewirken. Gemessen wird es aber fast ausschliesslich an Prüfungserfolg. Alles Lernen ist – mit allen Vor- und Nachteilen – stark auf dieses Ziel ausgerichtet. Die asiatischen Länder sind sich dabei sehr wohl bewusst, dass wirtschaftlicher Erfolg nicht allein durch Auswendiglernen erreicht wird (dass aber Ehrgeiz, Selbstdisziplin, Verausgabungsbereitschaft und das Zurückstellen von persönlichen Bedürfnissen durchaus helfen). Entsprechend sind die Prüfungen so aufgebaut, dass z.B. Problemlösekompetenz nötig ist, um sie gut zu bestehen.

Dass das alles nicht für alle aufgeht, hat vor einem halben Jahr Abigail Haworth in einem süffigen Artikel im Guardian beschrieben: „Why have young people in Japan stopped having sex?“

Immer wieder interessante Einblicke in die Gesellschaft Japans gibt auch der in Kyoto lehrende amerikanische Soziologe Robert Moorehead in seinem Blog, in dem auch Studierende zu Wort kommen (vgl. auch gestrigen Eintrag).

In Tokio habe ich 8 Minuten, um umzusteigen. Der Zug kommt auch auf die Sekunde pünktlich an und für den Wechsel von einem Perron zum anderen braucht man 6 Minuten… Klappt also bestens. Nach Tokio wird es grüner, die Landschaft wirkt in der Präfektur Fukushima freundlicher. Aber mit dem Namen sind natürlich die Assoziationen an das grosse Erdbeben, den Tsunami, die Atomkatastrophe verbunden.
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An der Küste

Frühstücksfernsehen. Eigentlich nicht mein Ding, aber mit der Übersetzung von Noriko ist es ganz interessant. Der Stammzellenforscher und Medizin-Nobelpreisträger Shinya Yamanaka erzählt anschaulich von seinen Forschungen und was er sich davon erhofft. Und er erzählt, wie er während seiner Forschungen in den USA oft den Song „a whole new world“ gehört habe. Der Song wird eingespielt, Moderatorin und Nobelpreisträger hören versonnen lächelnd zu und Yamanaka meint, ja dieses Lied habe ihn inspiriert, an seinen Forschungen dranzubleiben, etwas zur Verbesserung der Welt beitragen zu wollen. Inspiration – das Wort habe ich auf dieser Asienreise und früher in den USA immer wieder in Zusammenhang mit Forschung, mit dem Lehrberuf gehört. Auch wenn der Begriff vielleicht unterdessen etwas abgedroschen wirkt: etwas Inspiration würde uns auch in der Schweiz gut tun.

Ich weiss, das ist jetzt ein Widerspruch zu einem meiner ersten Blogeinträge aus Japan („Düster„). Ich verstehe die Art der losen Koppelung zwischen verschiedenen Gesellschaftssegmenten hier noch nicht annähernd.
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Nach der Käseschnitte und dem Kaffee fährt mich Noriko zum Bahnhof, mit dem Regionalzug durchquere ich die Hügellandschaft und steige an der Endstation in Karatsu aus. Karatsu liegt an der Meerenge zu Korea, es ist für seine Töpfereien berühmt und war ein wichtiger Verladehafen für Kohle. Hier leihe ich mir ein Velo aus und fahre der Küste entlang etwa 20 km bis Yobuko. Anfangs liegen rechts das Meer und links Reisfelder, mit der Zeit wird es hügelig und ich muss mich durch die frühlingshaften Wälder ziemlich abstrampeln.
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Yobuku ist ein Fischerdorf, hier legen die Fischerboote an und die Fischer trocknen Fische und Tintenfische an der Sonne, z.T. maschinell unterstützt, in dem die Fische wie auf einem Karussell durch die Luft gewirbelt werden. Einige Fische werden gerade gewürzt. Das Städtchen zeigt nochmals eine ganz andere Facette des Landes.
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Zurück in Karatsu besuche ich die frühere Residenz des Kohle-Magnaten Takatori. Eine sehr beeindruckende, an der Jahrhundertwende vom 19. zum 20. Jahrhundert gebaute Anlage. Ein Angestellter erklärt mir all die Details: die Holzschnitzereien in den Verbindungswänden, die Schatten auf die Wände werfen, die Malereien, die ihre Farbe wechseln, die grosse Grube unter dem Parkett der Noh-Bühne, damit bei den Aufführungen genügend Resonanz vorhanden ist. Mich beeindruckt an der traditionellen japanischen Architektur immer, wie innen und aussen verbunden werden, wie man durch geschicktes Verschieben der Wände immer einen schönen Blick auf die perfekten Gartenanlagen hat, wie einladend es ist, auf die Tatamimatten zu knien und einfach zu schauen. (PDF mit Beschreibung und Blog eines Ryokans mit Fotos).

Beim Nachtessen unterhalte ich mich mit Noriko über die „Ikumen“, wir würden wohl von den „neuen Vätern“ sprechen, Männer, die mehr Zeit für Familie und Kinder einsetzen. Ihre Einstellung dazu ist ambivalent, wie es z.B. auch in diesem Blogbeitrag eines Studenten zum Ausdruck kommt.

Nagasaki

Die Aussenquartiere von Saga sind von einem Kanalsystem durchzogen. Ein Paradies für Frösche. Und zwar für riesige. Ihr Quaken hört sich an wie eine Mischung aus Muhen von Kühen und dem Hupen einer Lokomotive. Ich schlafe dementsprechend so mittel…

Dann fahre ich mit dem Zug nach Nagasaki. Der Name der Stadt wird immer mit dem zweiten Abwurf einer Atombombe im August 1945 verbunden bleiben. Die Eindrücke aus Hiroshima sind mir aber noch so nahe, dass ich nicht zu den Gedenkstätten fahre.
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Ich bin bei früheren Reisen nach Asien darauf gestossen, dass Nagasaki lange das einzige Fenster Japans zur westlichen Welt war. Die niederländische VOC (vereinigte ostindische Compagnie) hatte hier auf der künstlich angelegten Insel Dejima im Hafen von Nagasaki ihre Niederlassung und auch die Chinesen hatten ein ihnen zugewiesenes Gebiet. Entsprechend lief praktisch der ganze Überseehandel Japans in den Jahren 1635 – 1854 über Nagasaki. Nach dem Verbot des Christentums 1635 waren die Portugiesen, die vorher mit Spanien den Handel dominiert hatten, in Japan nicht mehr geduldet. Die Konzession erhielten die protestantischen Niederländer, denen man eher zutraute, keine Mission zu betreiben.
Erst 220 Jahre später, 1854 verloren Dejima und Nagasaki ihre bisherige Bedeutung, weil die erzwungene Öffnung Japans auch die Öffnung anderer Häfen mit sich brachte.
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Ich habe in letzter Zeit David Mitchells „The Thousand Autumns of Jacob de Zoet“ zu lesen begonnen. Er beschreibt das Leben auf Dejima anschaulich. Der Rowohlt-Verlag hat einen Blog dazu geführt.
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Die Museen auf Dejima und das Museum für Geschichte und Kultur, die ich heute besuche, widmen sich schwergewichtig diesen 200 „goldenen Jahren“. Die Bibliothek der Diet (des japanischen Parlaments) hat zusammen mit der königlichen Bibliothek der Niederlande eine interessante Website mit vielen Quellen aus ihren Beständen gestaltet. Interessant ist auch ein Blick in die englische Wikipedia, die Rangaku beschreibt, die „Holländischen Studien“ bzw. das durch Japan zusammengetragene Wissen, das aus Kontakten zum Westen entstand.
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Zwischen den Museumsbesuchen schlendere ich zum Hafen und staune nicht schlecht, dort ein Kriegsschiff mit der Flagge, die die japanischen Streitkräfte im 2. Weltkrieg benutzt haben, zu sehen. Offenbar wurde die Flagge von der Marine der japanischen Selbstverteidigungskräfte übernommen, was begreiflicherweise immer wieder zu Verstimmungen der benachbarten und unter dieser Flagge bekämpften und unterjochten Länder führt.
Im Auftreten unterscheiden sich die „Self Defense Forces“ in nichts von einer normalen Streitmacht, erst recht nicht im Budget. Im Moment sind die Regierungsparteien LDP und New Komeito daran, sich jeden Dienstag zu treffen und einen Konsens zu suchen, ob der japanische Verfassungsartikel, der Japan Militäreinsätze verbietet, auch anders interpretiert werden könne…
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Im Gegensatz zu Dejima gibt es die damalige chinesische Niederlassung, die sich auf dem Festland befand und von der aus die Chinesen einen viel grösseren Spielraum, sich zu bewegen hatten, nicht mehr. Ein Chinatown mit einer recht grossen chinesischen Population existiert aber noch, Japanerinnen und Japaner schätzen Chinatown vor allem wegen des Essens. Der Einfluss Chinas auf Japan war aber kulturell sehr gross. Auch ein Konfuziustempel mit chinesischem Museum steht in Nagasaki. Man wird vor allem in den neuen Konfuzianismus eingeführt, in die Verbreitung der Lehre durch die Schüler von Konfuzius und dann die Ausbreitung nach Japan. Ihr sind verschiedene – leider nur japanisch beschriftete – Ausstellungsteile gewidmet. Es wird auch darauf hingewiesen, dass die Fähigsten (und nicht diejenigen mit der richtigen Abstammung oder den richtigen Beziehungen) gemäss der Lehre von Konfuzius Ämter im Staat übernehmen sollen. Vgl. zum japanischen Konfuzianismus auch eine Zusammenfassung von Klaus Antoni, Uni Tübingen)
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Zurück in Saga holt mich Noriko wieder ab. Sie hat auch bereits gewaschen und gekocht – es ist mir nicht ganz Recht, mich so zu bewirten zu lassen. Wir unterhalten uns dank Google-Übersetzer gut und kommen auf Themen, die mir hier immer wieder begegnen: Gender Gap, Männer, die sich praktisch nicht um die Familie kümmern, enorm hohe Schul- und Studienkosten der Kinder, kaum Freiheiten. Life in Japan is very strict. Aber die Frauen, denen ich begegne sind stark, sie haben Lebensfreude und Schalk.

Über Dazaifu nach Saga

Ich fahre auf die vierte der Hauptinseln Japans, nach Kyushu. (Hokkaido im Norden muss ich mir für einen späteren Besuch „aufsparen“). In Fukuoka, der grössten Stadt der Insel steige ich um und fahre nach Dazaifu. Daizaifu war in alten Zeiten die Hauptstadt Kyushus, sie ist umgeben von waldigen, jetzt hellgrün leuchtenden Hügeln.
Wie immer ist am Morgen noch nicht viel Betrieb, ideal um in Ruhe den Komyozenji-Tempel mit seinem herrlichen Garten anzusehen.
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Danach das Kyushu National Museum mit dem Motto „Understand Japanese culture from the point of Asian view“. Eine gute Möglichkeit, meine Reise nochmals Revue passieren zu lassen.
Daizafu ist ein guter Standort für das (nach Tokyo, Nara und Kyoto) vierte Nationalmuseum Japans. Die Stadt liegt etwa 20 km von Fukuoka entfernt und geographisch gesehen näher bei Shanghai als bei Tokyo. Von der südkoreanischen Küste trennt sie nur 200 Kilometer.
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Das Museum zeigt mit hochkarätigen Ausstellungsstücken auf, wie die Kultur Japans wesentlich von anderen Teilen Asien beeinflusst wurde. Zu sehen ist an einigen Beispielen, wie sich die die buddhistischen Figuren gewandelt haben, als sie über Indien und China nach Japan kamen.
In der Sammlung von Kaneko Kazushige werden Artefakte aus den – nach seiner Terminologie – vier „Ethno-Formen“ d.h. Kulturräumen Asiens verglichen: Westasien (zu dem er auch Zentralasien zählt), Süd-Asien mit Pakistan, Indien, Nepal und Bangladesh, Südostasien und Nordostasien mit Sibirien, der Mongolei, China, Japan.
Vieles war mir nicht bewusst, z.B. dass auch Japan 1274 und 1281 mongolische Angriffe erlebte.
Sehr interessant sind auch die vielen Zeichnungs- und Schriftrollen (Picture Scrolls), die viele Rückschlüsse auf die Alltagskultur Japans erlauben (Vgl. z.B. Kanagawa-Universität: PDF)

Audiovisuell aufbereitet ist z.B. eine Schriftrolle, die die kaiserliche Einladung an den chinesischen buddhistischen Priester Ganjin zeigt, seine von Havarien begleitete Fahrt nach Japan um 750 und schliesslich sein Wirken vor dem grossen Buddha und seine Gründung des Toshodaiji in Nara (vgl. auch den Blog Heritage of Japan oder JapaneseReference.)

Nach Dazaifu gefahren bin ich aber eigentlich wegen Tenman-Tenjin, dem Gott der Bildung. Sugawara no Michizane (845 – 903) war ein Gelehrter und hoher Beamter am Hof von Kyoto. Er kämpfte gegen Korruption und Klientelismus, verlor aber einen Machtkampf und wurde nicht Grosskanzler, sondern als Vizegouverneur nach Kyushu abgeschoben, wo er dann in Dazaifu starb. Die Rache nach seinem Tod soll schrecklich gewesen sein, seine Gegenspieler und Kyoto wurden von lange anhaltenden Unglücken heimgesucht, bis er schliesslich posthum doch noch zum Grosskanzler ernannt wurde. Heute gilt er nicht mehr als der Rachegott, sondern wieder als Gott der Bildung. Vor einem Examen wird in seinen Schreinen jeweils um Gelingen gebetet. (Vgl. Uni Wien).
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Und dann fahre ich durch eine sehr schöne, südliche Hügellandschaft nach Saga im Innern der Insel. Weil es nirgends ein Hotel zu einem vernünftigen Preis gab, habe ich via airbnb Noriko angefragt, ob sie mich drei Nächte aufnehmen könne. Sie hat etwas gezögert, weil sie kein Wort Englisch kann. Aber die 57-jährige Mutter, die zwei Söhnen die Aufnahmeprüfungsvorbereitung und das Studium finanzieren muss, steht dann lachend am Bahnhof in Saga und verfrachtet mich in ihr Auto. Findig, wie sie ist, hat sie zwei Mormonen-Missionare – der amtsältere hat eine japanische Mutter – engagiert, um beim Abendessen zu übersetzen. Ich schlucke zuerst etwas leer, aber es wird ein lustiger Abend. Die beiden sind heute nicht auf Mission aus, sondern tun Noriko den Gefallen. Und es ist für sie eine Möglichkeit, in Norikos Haus zu kommen – wenn eine Frau allein ist, dürfen sie nämlich keine Hausbesuche machen.
Noriko sieht in den beiden ein bisschen ihre Söhne, die jetzt in Tokio leben und die sie vermisst. Sie zieht sie auf, weil sie zwei Jahre lang kein „Date“ abmachen dürfen und bedauert ihre Mütter, die so lange auf sie warten müssen.
Und so schreibe ich jetzt in einem mit BMW-Plakaten tapezierten Zimmer irgendwo in Kyushu einen Blogeintrag.
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Miyajima

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Den heutigen Tag verbringe ich auf der Insel Miyajima. Der Torii des Itsukushima-Schreins, der bei Flut ganz im Wasser steht, ist eines der vertrauten Kalenderbilder aus meiner Kindheit.
Jahrhundertelang durften nur Priester die Insel betreten, deshalb steht der ganze Schrein auf Pfählen, so dass die anderen Gläubigen ihn per Boot direkt erreichen konnten.

Shinto-Schreine und buddhistische Tempelanlagen liegen auch auf Miyajima nicht weit auseinander. Die Tempel werden von viel weniger Touristen besucht und können so ihre Ausstrahlung behalten.
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Die Insel ist landschaftlich sehr schön, ein Primärwald (er wird jedenfalls so genannt) bedeckt den Berg „Misen“. Von oben hat man einen schönen Ausblick auf die Inseln im Inlandmeer und auf Shikoku.
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